Schwierige Gespräche unter Freunden
Trotz Israels Siedlungspolitik und Atom-Streit deuten Signale auf Entspannung hin
Es gab aber auch positive Signale in Berlin. Das Ende 2017 abgesagte Regierungstreffen wird am . Oktober nachgeholt.
BERLIN Angela Merkel und Benjamin Netanjahu lassen die Journalisten warten. Mit einer halben Stunde Verspätung treten die Kanzlerin und Israels Ministerpräsident gestern in Berlin vor die Hauptstadtpresse. Immerhin kommen beide nicht mit leeren Händen: Die vergangenes Jahr abgesagten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen werden nachgeholt, „am 4. Oktober in Israel“, verkündet Merkel.
Ein positives Signal. Aller Streitpunkte und der kurzen Eiszeit zum Trotz stehen die Zeichen auf Tauwetter. „Es gibt nicht in allen Fragen Übereinstimmung. Aber wir sind Freunde, wir sind Partner“, erklärt die Kanzlerin. Die deutsch-israelischen Beziehungen seien „ein großes Geschenk“, für das es sich lohne, jeden Tag aufs Neue zu arbeiten, sagt die Kanzlerin auch mit Blick auf den 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Auch Netanjahu betont die „sehr enge Verbindung und das hervorragende Bündnis“beider Länder. Deutschisraelische Charmeoffensive.
Die israelische Siedlungspolitik, der Nahost-Konflikt stören das Verhältnis. Im Vordergrund aber steht gestern das iranische Atomabkommen, das US-Präsident Donald Trump aufgekündigt hatte und das Merkel und die Europäer unbedingt retten wollen. „Wir glauben, dass das Abkommen die iranischen Aktivitäten unter Kontrolle halten kann“, argumentiert Merkel für den Erhalt des Deals, mit dem sich der Iran strengsten internationalen Kontrollen unterwirft.
Netanjahu hält dagegen, verweist auf aktuelle Aussagen des geistlichen iranischen Führers Ayatollah Chamenei, wonach Israel ein „Krebsgeschwür“sei und von der Landkarte getilgt werden solle. „Er will weitere sechs Millionen Juden vernichten“, sagt der israelische Ministerpräsident mit Bezug zum Holocaust.
Netanjahu fürchtet, durch die Geldflüsse in den Iran, die das Atomabkommen ermöglichen, werde Teheran in die Lage versetzt, beim Atomprogramm nach Ablauf der Kontrollen durchzustarten. „In sieben Jahren könnten sie 100 Bomben bauen“, sagt der israelische Regierungschef. Und er wirft dem Iran vor, er wolle im Nahen Osten „ein Land nach dem anderen schlucken“.
Israels Existenzangst – die Kanzlerin zeigt dafür Verständnis. Sie lehnt Chameneis Äußerungen aufs schärfste ab und verspricht: „Wir stehen selbstverständlich für Israels Recht auf Sicherheit ein.“Neben der Sicherheitsgarantie, die zur deutschen Staatsräson gehöre, geht Merkel einen weiteren Schritt auf Netanjahu zu. Israel hatte Geheimdokumente an die Internationale Atomenergiebehörde übergeben, die das iranische Streben nach der Bombe beweisen sollen.
Nachdem der Gehalt der Informationen zunächst in Berlin angezweifelt worden war, sichert die Kanzlerin nun zu, man unterstütze den Wunsch Israels, dass die IAEA das Material prüfe. Sollten die Atomexperten zu dem Schluss
kommen, Teheran versuche trotz Abkommens den Bombenbau voranzutreiben, dürfte das deutsche Festhalten an dem Deal kaum zu halten sein. Doch davon will die Kanzlerin nichts wissen, setzt darauf, Anschlussregelungen zu finden, um Teheran weiter der Kontrolle zu unterwerfen. „Das wäre durch gemeinsame Verhandlungen möglich“, beharrt sie angesichts der Verweigerung neuer Gespräche durch die USA und Israel.
Benjamin Netanjahu, Merkels „schwieriger Freund“: Auch der Nahost-Konflikt kommt zur Sprache. Ob Deutschland Trumps Schritt folgen und seine Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werde, wird die Kanzlerin von einem Journalisten gefragt. Die Hauptstadtfrage könne nur „im Rahmen eines Abkommens“geklärt werden, macht sie klar, betont, sie werde alles für eine Zwei-Staaten-Lösung tun. Und dazu gehöre auch „ein Staat für die Palästinenser“.
Gegenseitiger Respekt, die Übereinkunft, am 4. Oktober die Zusammenarbeit im Rahmen der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen zu vertiefen: Die Kluft, die nach dem Besuch von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in Israel entstanden war, als Netanjahu einen Termin mit Gabriel absagte, weil der sich zuvor mit Regierungskritikern getroffen hatte, scheint überwunden.