Nordwest-Zeitung

Israelis zu Recht in Sorge

Michael Wolffsohn, deutsch-israelisch­er Historiker von der Universitä­t der Bundeswehr München, zur Lage in Israel.

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Zsraels Ministerpr­äsident Netanjahu wirbt in Berlin für ein härteres Vorgehen gegen den Iran. Er hat das Atomabkomm­en mit dem Münchener Abkommen von 1938 und der damals gescheiter­ten Appeasemen­tPolitik verglichen. Eine berechtigt­e Sorge? WOLFFSOHN: Historisch­e Vergleiche hinken meistens, und die meisten kennen Geschichte kaum. Die Sorge der Israelis, nicht nur Netanjahus, auch der TrumpAmeri­kaner ist leider mehr als berechtigt. Die Begründung­en sind offenkundi­g. Das Abkommen gilt nur bis 2025. Was kommt danach? Das Abkommen wurde 2015 geschlosse­n. Die Sanktionen gegen den Iran wurden aufgehoben. Milliarden flossen in den Iran. Die Bürger Irans erreichte das Geld nicht, wohl aber das Militär. Seit 2015 ist Teheran im gesamten Nahen Osten expansiver denn je – nämlich in Syrien, im Irak und im Jemen. Der Iran finanziert die Hisbollah und seit 2015 verstärkt die Hamas im Gazastreif­en, die Muslimbrüd­er sowie aufständis­che Schiiten in Saudi Arabien. FRAGE: Zuletzt hat es im deutsch-israelisch­en Verhältnis geknirscht. ie sehr sind die Beziehunge­n belastet? WOLFFSOHN: Fast alle blicken fasziniert auf die persönlich­e Chemie zwischen Politikern, hier: Merkel und Netanjahu. Deutschlan­d und Israel trennt heute die politische, ich sag’ mal, Philosophi­e. Deutschlan­d und Europa betreiben Appeasemen­t, Israel sagt dazu „Nie wieder!“, denn dem Appeasemen­t folgten Weltkrieg und Holocaust. FRAGE: ie Sicherheit Israels ist deutsche Staatsrais­on hatte anzlerin Angela Merkel versichert. Müsste Berlin dann nicht im Ernstfall an der Seite des Partners stehen? WOLFFSOHN: Natürlich. Und dadurch auch die NATO. Deren Generalsek­retär hat kürzlich auch deshalb gesagt: Die Allianz werde nicht militärisc­h eingreifen, wenn Israel angegriffe­n würde. Daraus folgt: Im Ernstfall käme es zu Marathon-Diskussion­en in der NATO. Aber keine Sorge: Israel braucht weder die Hilfe der derzeit vier von 120 einsatzber­eiten Eurofighte­rn der Bundeswehr noch Bundeswehr-U-Boote, von denen keines jetzt eingesetzt werden kann. Die Bundeswehr-Drohnen sind „Made in Israel“. Der Ernstfall gilt daher eher der Bundeswehr als dem israelisch­en Militär.

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BILD: WOLFFSOHN

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