Eine Standpauke für die Chefärzte
Im Klinikum herrscht weiter dicke Luft – Ärztliches Direktorium weist Vorwürfe zurück
Im Streit an der Klinikumsspitze fühlen sich die Chefärzte zu Unrecht an den Pranger gestellt. Ein Ende der Auseinandersetzungen mit dem Vorstand ist nicht in Sicht.
OLDENBURG Es ist kurz nach drei an diesem Mittwoch im Mai, als Margrit Conty, Vorsitzende des Verwaltungsrats des Klinikums Oldenburg, im großen Besprechungsraum der Verwaltung vor die Chefärzte tritt. In der Hand hält sie vier Zettel, die sie gleich vorlesen wird. Doch vorab stellt sie klar, dass sie nicht für einen „Austausch“gekommen sei. Sie sei hier, um „Informationen vom Verwaltungsrat an das Ärztliche Direktorium“zu überbringen.
Und dann beginnt Conty eine Standpauke.
„Der Verwaltungsrat steht hinter dem Vorstand Dr. Tenzer. Dr. Tenzer ist für das gesamte Klinikum zuständig. Diese Rolle des Vorstandes ist von Ihnen allen anzunehmen und zu akzeptieren“, teilt sie den Chefärzten im Befehlston mit.
„Sie nehmen die Mediation wieder auf mit dem Ziel, dass die Zusammenarbeit mit dem Vorstand Dr. Tenzer gelingt.“
„An der zukünftigen Zusammenarbeit und Einigung sowie am wirtschaftlichen Erfolg werden Sie sich zukünftig messen lassen müssen.“
Die Ansprache dauert nur wenige Minuten. Zurück bleiben knapp 20 Chefärzte, „verwundert und irritiert“, wie es später in einer Stellungnahme des Ärztlichen Direktoriums heißt. Einer murmelt: „So kann man doch nicht mit Klinikdirektoren sprechen!“
Kein Vertra en ehr
Es dauert fast drei Wochen, bis sich die Chefärzte auf eine Stellungnahme einigen können. Und die zeigt dann deutlich, dass im Klinikum weiterhin dicke Luft herrscht: Das Verhältnis zwischen Vorstand und einem Großteil der Chefärzte ist zerrüttet, eine Einigung nicht in Sicht. Das Mediationsverfahren, das die Chefärzte im März abgebrochen haben, bleibt vorerst ausgesetzt; es bestehe „unsererseits
kein Vertrauen mehr in die Fortsetzung“, schreibt der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Hans Seifert in der Stellungnahme im Namen seiner Kollegen.
Grund dafür: Die Ausführungen von Margrit Conty zeigten, dass der Mediator seine Verschwiegenheitspflicht verletzt habe.
Ausdrücklich wehren sich die Chefärzte gegen den Eindruck, sie seien verantwortlich für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Klinikums. Das Krankenhaus hat das vergangene Jahr mit einem Rekord-Defizit von 16,77 Millionen Euro abgeschlossen; auch für dieses Jahr sehen die Zahlen nicht gut aus. Die Ursachen dafür seien vielfältig und im Wesentlichen in einer fehlenden Konzeptentwicklung begründet, schreibt Seifert: „Sie können davon ausgehen, dass das Renommee und die über Jahre stabile wirtschaftliche Lage des Klinikums den ärztlichen und pflegerischen Anstrengungen unter in vieler Hinsicht schwierigen strukturellen Bedingungen zu verdanken sind.“
Das Ärztliche Direktorium, das sich von Conty „weniger Chefarzt-Schelte und mehr konstruktive Ansätze“gewünscht hätte, sieht den Vorstand in der Pflicht: „Unser zentrales Problem dabei ist, dass wir der großen Anzahl an Patienten kaum befriedigend gerecht werden können.“Die seit Jahren notwendigen Strukturreformen seien nicht erfolgt, obwohl die Ärzte Konzepte vorgelegt hätten.
„Es ist unsere Pflicht, den Vorstand auf Fehlentwicklungen hinzuweisen“, beenden die Ärzte ihre Stellungnahme. Keinesfalls gehe es dabei „primär um die Person des Vorstandes oder um persönliche Querelen“.
Im vertraulichen Gespräch wird ein Chefarzt noch deutlicher: „Uns geht es nicht um die Person Tenzer, sondern darum, dass die Konzepte nicht stimmen. Letztlich erwirtschaften die Ärzte und Pflegenden unter schlechten
Rahmenbedingungen das Geld und ermöglichen damit BWLern einen Arbeitsplatz!“
Hart ins Gericht gehen die Chefärzte nicht nur mit Vorstand und Verwaltungsrat, sondern auch mit dem Betriebsrat des Klinikums. In einer eigenen Stellungnahme an den Betriebsratschef Nils Lotze weist das Ärztliche Direktorium „entschieden“die „schwerwiegenden Vorwürfe“zurück, die Lotze in der erhoben habe.
Dort hieß es unter anderem, dass die Ursache für den „unseligen Streit zwischen einzelnen KlinikdirektorInnen und dem Vorstand“sei, dass es „dieser Berufsgruppe nicht passe, erstmalig Grenzen gesetzt“zu bekommen“. Und weiter: Aufgrund „persönlicher Befindlichkeiten“nähmen die Ärzte „wirtschaftliche Nachteile billigend in Kauf“. Das seien Unterstellungen, wehren sich die Ärzte.
rzte a sgegrenzt
„Die Ausgrenzung der Gruppe der Klinikdirektoren, deren Interessen Sie als Betriebsrat mit vertreten sollten, hat uns sehr befremdet“, heißt es in der Abrechnung mit dem Betriebsrat weiter. Es sei „unverständlich“, dass das Gremium nie das Gespräch mit „dieser Berufsgruppe“gesucht habe.
An jenem Mittwoch im großen Besprechungsraum schließt Margrit Conty ihre Rede mit der Forderung: „Gemeinsam müssen Sie es als Ärztliches Direktorium und Sie als Vorstand schaffen, das angeschlagene Schiff Klinikum wieder ins richtige Fahrwasser zu bringen.“
Es könnte eine ungemütliche Schiffspassage für alle Passagiere werden.