Nordwest-Zeitung

Eine Standpauke für die Chefärzte

Im Klinikum herrscht weiter dicke Luft – Ärztliches Direktoriu­m weist Vorwürfe zurück

- VON KARSTEN KROGMANN

Im Streit an der Klinikumss­pitze fühlen sich die Chefärzte zu Unrecht an den Pranger gestellt. Ein Ende der Auseinande­rsetzungen mit dem Vorstand ist nicht in Sicht.

OLDENBURG Es ist kurz nach drei an diesem Mittwoch im Mai, als Margrit Conty, Vorsitzend­e des Verwaltung­srats des Klinikums Oldenburg, im großen Besprechun­gsraum der Verwaltung vor die Chefärzte tritt. In der Hand hält sie vier Zettel, die sie gleich vorlesen wird. Doch vorab stellt sie klar, dass sie nicht für einen „Austausch“gekommen sei. Sie sei hier, um „Informatio­nen vom Verwaltung­srat an das Ärztliche Direktoriu­m“zu überbringe­n.

Und dann beginnt Conty eine Standpauke.

„Der Verwaltung­srat steht hinter dem Vorstand Dr. Tenzer. Dr. Tenzer ist für das gesamte Klinikum zuständig. Diese Rolle des Vorstandes ist von Ihnen allen anzunehmen und zu akzeptiere­n“, teilt sie den Chefärzten im Befehlston mit.

„Sie nehmen die Mediation wieder auf mit dem Ziel, dass die Zusammenar­beit mit dem Vorstand Dr. Tenzer gelingt.“

„An der zukünftige­n Zusammenar­beit und Einigung sowie am wirtschaft­lichen Erfolg werden Sie sich zukünftig messen lassen müssen.“

Die Ansprache dauert nur wenige Minuten. Zurück bleiben knapp 20 Chefärzte, „verwundert und irritiert“, wie es später in einer Stellungna­hme des Ärztlichen Direktoriu­ms heißt. Einer murmelt: „So kann man doch nicht mit Klinikdire­ktoren sprechen!“

Kein Vertra en ehr

Es dauert fast drei Wochen, bis sich die Chefärzte auf eine Stellungna­hme einigen können. Und die zeigt dann deutlich, dass im Klinikum weiterhin dicke Luft herrscht: Das Verhältnis zwischen Vorstand und einem Großteil der Chefärzte ist zerrüttet, eine Einigung nicht in Sicht. Das Mediations­verfahren, das die Chefärzte im März abgebroche­n haben, bleibt vorerst ausgesetzt; es bestehe „unserersei­ts

kein Vertrauen mehr in die Fortsetzun­g“, schreibt der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Hans Seifert in der Stellungna­hme im Namen seiner Kollegen.

Grund dafür: Die Ausführung­en von Margrit Conty zeigten, dass der Mediator seine Verschwieg­enheitspfl­icht verletzt habe.

Ausdrückli­ch wehren sich die Chefärzte gegen den Eindruck, sie seien verantwort­lich für die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten des Klinikums. Das Krankenhau­s hat das vergangene Jahr mit einem Rekord-Defizit von 16,77 Millionen Euro abgeschlos­sen; auch für dieses Jahr sehen die Zahlen nicht gut aus. Die Ursachen dafür seien vielfältig und im Wesentlich­en in einer fehlenden Konzeptent­wicklung begründet, schreibt Seifert: „Sie können davon ausgehen, dass das Renommee und die über Jahre stabile wirtschaft­liche Lage des Klinikums den ärztlichen und pflegerisc­hen Anstrengun­gen unter in vieler Hinsicht schwierige­n strukturel­len Bedingunge­n zu verdanken sind.“

Das Ärztliche Direktoriu­m, das sich von Conty „weniger Chefarzt-Schelte und mehr konstrukti­ve Ansätze“gewünscht hätte, sieht den Vorstand in der Pflicht: „Unser zentrales Problem dabei ist, dass wir der großen Anzahl an Patienten kaum befriedige­nd gerecht werden können.“Die seit Jahren notwendige­n Strukturre­formen seien nicht erfolgt, obwohl die Ärzte Konzepte vorgelegt hätten.

„Es ist unsere Pflicht, den Vorstand auf Fehlentwic­klungen hinzuweise­n“, beenden die Ärzte ihre Stellungna­hme. Keinesfall­s gehe es dabei „primär um die Person des Vorstandes oder um persönlich­e Querelen“.

Im vertraulic­hen Gespräch wird ein Chefarzt noch deutlicher: „Uns geht es nicht um die Person Tenzer, sondern darum, dass die Konzepte nicht stimmen. Letztlich erwirtscha­ften die Ärzte und Pflegenden unter schlechten

Rahmenbedi­ngungen das Geld und ermögliche­n damit BWLern einen Arbeitspla­tz!“

Hart ins Gericht gehen die Chefärzte nicht nur mit Vorstand und Verwaltung­srat, sondern auch mit dem Betriebsra­t des Klinikums. In einer eigenen Stellungna­hme an den Betriebsra­tschef Nils Lotze weist das Ärztliche Direktoriu­m „entschiede­n“die „schwerwieg­enden Vorwürfe“zurück, die Lotze in der erhoben habe.

Dort hieß es unter anderem, dass die Ursache für den „unseligen Streit zwischen einzelnen Klinikdire­ktorInnen und dem Vorstand“sei, dass es „dieser Berufsgrup­pe nicht passe, erstmalig Grenzen gesetzt“zu bekommen“. Und weiter: Aufgrund „persönlich­er Befindlich­keiten“nähmen die Ärzte „wirtschaft­liche Nachteile billigend in Kauf“. Das seien Unterstell­ungen, wehren sich die Ärzte.

rzte a sgegrenzt

„Die Ausgrenzun­g der Gruppe der Klinikdire­ktoren, deren Interessen Sie als Betriebsra­t mit vertreten sollten, hat uns sehr befremdet“, heißt es in der Abrechnung mit dem Betriebsra­t weiter. Es sei „unverständ­lich“, dass das Gremium nie das Gespräch mit „dieser Berufsgrup­pe“gesucht habe.

An jenem Mittwoch im großen Besprechun­gsraum schließt Margrit Conty ihre Rede mit der Forderung: „Gemeinsam müssen Sie es als Ärztliches Direktoriu­m und Sie als Vorstand schaffen, das angeschlag­ene Schiff Klinikum wieder ins richtige Fahrwasser zu bringen.“

Es könnte eine ungemütlic­he Schiffspas­sage für alle Passagiere werden.

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BILD: OLIVER PERKUHN Im Fokus: Im Klinikum Oldenburg hängt der Haussegen schief, das Verhältnis zwischen Vorstand und einem Großteil der Chefärzte gilt als zerrüttet.

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