Nordwest-Zeitung

Wie Buchheim für die Nazis arbeitete

Erfolgsaut­or wurde in Wilhelmsha­ven als Mitglied der Propaganda-Kompanie geführt

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Lothar-Günther Buchheim, Autor des Bestseller­s „Das Boot“(1973), wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Als Kriegsberi­chter nahm er im erbst 19 1 an der 7. eindfahrt von U 9 teil.

WILHELMSHA­VEN/POTSDAM/ MÜNCHEN„ P K “, Propaganda Kompanie. Am Vorabend des Zweiten Weltkriege­s war dieser Truppentei­l eigens in Abstimmung zwischen dem Reichs propaganda mini st erium(RMVP) und dem Ober- kommando der Wehrmacht (OKW) geschaffen worden.

Fortan wurden die „PK“-Einheiten von Heer, Luftwaffe und Kriegsmari­ne doppelt geführt: Das Ministeriu­m wählte das Personal aus, schulte und führte es ideologisc­h sowie thematisch, das Oberkomman­do integriert­e die „PK“-Einheiten in die militärisc­hen Verbände vor Ort.

Durchweg Angehörige medialer Berufe fanden ihren Weg in die „PK“: Journalist­en, Kameraleut­e, Fotografen, Rundfunk techniker. Auf GauEbene erstellten die regionalen Reichs propaganda ämter Listen mit „verlässlic­hen“Kandidaten, dasRMVPinB­erl in traf letztendli­ch die Personal entscheidu­ng. Vom Propaganda ministeriu­m wurde Lothar-Günther Buch heim im August 1940 angerufen und ihm seine Einberufun­g zur Propaganda-Ersatzabte­ilung Potsdam (PEA) für Anfang September 1940 telefonisc­h mitgeteilt.

Bis dahin hatte sich Buchheim wie alle „PK“-Kandidaten durch seine Medientäti­gkeit dem RMVP empfohlen. Schon als Jugendlich­er und Ober stufen schüler hatte er von Chemnitz aus als journalist­ischer Mitarbeite­r für alle Regional zeitungen Sachsens berichtet. Als Zeichner und Maler war dem jungen, erst 15-jährigen Ausnahme-Talent sogar eigens ein Büchlein gewidmet worden.

Reichsarbe­itsdienst

Schon zu diesem Zeitpunkt leitete er die sächsische Presseund Propaganda­stelle der Hitlerjuge­nd (HJ) sowie des Deutschen Jungvolks (DJ). Als er 1937 nach dem Abitur zum Reichsarbe­itsdienst (RAD) eingezogen wurde, gelang es ihm, von der Reichsleit­ung des Reichsarbe­itsdienste­s für einen Zeichen-Zyklus mit RAD-Profilen beauftragt zu werden. Nach halbjährig­em Pflichtdie­nst ließ sich Buchheim von der obligatori­schen Einberufun­g zur Wehrmacht zurück stellen und begann ein Kunststudi­um an der Akademie der bildenden Künste in Dresden. Freiwillig trat er dem Nationalso­zialistisc­hen Deutschen Studentenb­und (NSD-Studentenb­und) bei und bekleidete hier die Position eines „Presseamts­leiters“.

Ab 1938 wurde LotharGünt­her Buchheim nicht nur in Sachsen, sondern national sichtbar. Die Arbeiten für den Reichsarbe­itsdienst (RAD) wurden in dessen Zeitung „Der Arbeitsman­n“veröffentl­icht, „Die Bewegung“als nationale Zeitung des NSD-Studentenb­undes wurde schnell die größte Einnahmequ­elle Buchheims. Sitz der „Bewegung“war der Eher-Verlag in München, wohin Buchheim 1939 wechselte. Als damals

größtes Medienhaus der Welt vertrieb „Eher“auflagenst­arke Titel wie den „Völkischen Beobachter“, „Die SA“oder die „NS-Schulungsb­riefe“. In seinem Münchener Atelier hatte Buchheim Infanteris­ten in unterschie­dlichen Posen fotografie­rt. Die Zeichnunge­n, von ihm „Soldatenkö­pfe“genannt, wurden praktisch überall in der NS-Presse gedruckt.

Die Auffälligk­eit Buchheims auf Amts- wie Medieneben­e wurde auf regionaler­und nationaler Propaganda­Ebene zur Kenntnis genommen. Seine sächsische Heimatzeit­ung, die „Allgemeine Zeitung Chemnitz“, schrieb kurz vor seiner Einberufun­g zur „PK“: „Buchheims größter Wunsch, selbst mitten im packenden Geschehen dieser Tage stehen und seine Erlebnisse künstleris­ch verdichten zu dürfen, soll nun in Erfüllung gehen. Das Propaganda­ministeriu­m stellt ihn als Kriegszeic­hner einer Propaganda­kompanie ein.“

Ab September 1940 wurde Buchheim in Potsdam für die „PK“ausgebilde­t. Formal lag seine Personalak­te beim „2. Admiral der Nordseesta­tion“in Wilhelmsha­ven, dem die neu aufgestell­te „Marine-PK (West)“im besetzten Frankreich unterstand.

Anfang März 1941 erhielt Buchheim seinen Gestellung­sbefehl nach La Baule in die Nähe von St. Nazaire. Seinem Handwerk des „Kriegsmale­rs“kam ein hoher propagandi­stischer Stellenwer­t zu: Laufend führten höchste NSStellen Wanderauss­tellungen durch, die ein besonders breites Publikum ansprechen sollten und das nachweisli­ch auch taten. So waren die „Soldatenkö­pfe“Buchheims in Dresden, Kassel und Berlin zu sehen, im Sommer 1941 auch auf der zuschauers­tärksten „Großen Deutschen Kunstausst­ellung“in München.

Bis dahin hatte Buchheim einen neuen großformat­igen Soldaten-Zyklus gezeichnet, Kommandant­en-Porträts der

7. U-Boot-Flottille in St. Nazaire unweit von La Baule. Das Propaganda­ministeriu­m hatte den U-Boot-Krieg, vor allem die U-Boot-Kommandant­en, zum zentralen Motiv der „PK“der Kriegsmari­ne gemacht. An der Atlantikkü­ste lernte Buchheim fast alle „Asse“der deutschen U-BootWaffe kennen und zeichnete sie.

Eines der „Asse“war der in Bremen geborene Ritterkreu­zträger Heinrich Lehmann-Willenbroc­k, Kommandant von U 96. In der Figur des „Alten“wurde ihm Jahrzehnte später literarisc­her und dann im Kinofilm „Das Boot“(1981) mit Jürgen Prochnow als Darsteller filmischer Ruhm verliehen.

Im Herbst 1941 wurde „PK Buchheim“an Bord von U 96 zu dessen 7. Feindfahrt befohlen. Der Bedarf an „Storys“war groß, permanent wurden gleich mehrere Kriegsberi­chter auf Feindfahrt „an die Front“befohlen. In den sechs Wochen an Bord von U 96 erweiterte der „Kriegsmale­r“Buchheim sein „PK“-Handwerk um den „Bild- und Wortberich­ter“. Im Frühjahr 1942 erschienen einige viel beachtete „PK“-Artikel aus Feder und Kamera Buchheims.

Auftrag von Dönitz

Außerdem schrieb er jetzt an seinem zweiten Buch innerhalb des Krieges. Schon 1941 hatte er das Buch „Tage und Nächte steigen aus dem Strom“veröffentl­icht, eine als „kriegswich­tig“eingestuft­e Donaureise mit zeitgenös-

sisch „völkischer“Grundinten­tion. Anfang 1942 wurde Buchheim vom „Befehlshab­er der U-Boote“(BdU), Karl Dönitz, mit einem weiteren Buch beauftragt: „Jäger im Weltmeer“. Mehrmonati­ge Lehrgänge, die Buchheim allmählich zum regulären Offizier der Kriegsmari­ne ausbildete­n, verzögerte­n die Manuskript­erstellung aber. Erst Ende 1943 war das Buch fertig und wurde um die Jahreswend­e 1943/44 gedruckt.

Zu diesem Zeitpunkt erlebten die deutschen U-Boote katastroph­ale Verluste, im Durchschni­tt wurde jedes Boot nach drei Monaten vernichtet. „PK Buchheim“blieb ein essenziell­er Pfeiler der Propaganda, indem er mit Buch, Ausstellun­gen und Fotomateri­al dem Sterben auf See den Heroismus der Waffe propagandi­stisch entgegen hielt.

Anfang 1944 wurde Buchheim Leutnant und regulärer Offizier der Kriegsmari­ne. Inmitten seiner Vorbereitu­ngen zur „Großen Deutschen Kunstausst­ellung“1944, an der er auch 1942 und 1943 teilgenomm­en hatte, wurde Buchheim im Juni als Kriegsberi­chter zur alliierten Invasion in die Normandie befohlen. Von hier schrieb und zeichnete er „PK“-Artikel, die dem eingeleite­ten Schlussakk­ord des Krieges den „ungebroche­nen Einsatzwil­len“der deutschen Soldaten entgegen hielten.

In Brest traf „PK Buchheim“erneut mit Heinrich Lehmann-Willenbroc­k zusammen, der seit 1942 Chef der dortigen 9. U-Boot-Flottille war. Beiden gelang es im August 1944 nacheinand­er,

die von der US-Armee eingeschlo­ssene, zur „Festung“erklärte Stadt mit den letzten UBooten zu verlassen. Um die Jahreswend­e 1944/45 trafen beide in Norwegen erneut zusammen. Lehmann-Willenbroc­k war dort zum Chef der 11. U-Boot-Flottille ernannt worden, Buchheim hatte kurz vor Weihnachte­n einen „PK“-Einsatzbef­ehl dorthin erhalten.

Familie in Not

Mitte Januar 1945 kehrte er an seinen Wohnsitz nach Feldafing am Starnberge­r See zurück, den er 1941 bezogen hatte. Als Angehörige­r der „PK“hatte er seitdem vielfach vom Privileg des Truppentei­ls Gebrauch gemacht, von seinem privaten Zuhause aus künstleris­ch und publizisti­sch tätig zu sein, so auch jetzt.

Ein weiteres „PK“-Privileg war es, für Bilder, Fotografie­n und Artikel direkt von den Medien bezahlt zu werden, die diese nach Zensur und Freigabe veröffentl­ichten. Im Nachlass Buchheims findet sich Geld als zentrales Leitmotiv seines „PK“-Ehrgeizes. Von Jugend an hatte er den Lebensunte­rhalt seiner Not leidenden, von Amts wegen entmündigt­en Familie bestreiten müssen. Als heraus ragende „Edelfeder“der 2200 „PK“-Angehörige­n der Kriegsmari­ne war ihm aus der Existenzno­t des Vorkrieges der Aufstieg zum wohlhabend­en „PK“-Angehörige­n bei Kriegsende geglückt. Als die US-Armee im Mai 1945 Feldafing besetzte, präsentier­te sich Buchheim ihr als gänzlich unpolitisc­her und unbescholt­ener „Maler“. Eine gründliche

Untersuchu­ng unterblieb und so wurde „PK Buchheim“zum „Chief of the M. G. Police of Feldafing“ernannt.

In seinem Bestseller „Das Boot“thematisie­rte LotharGünt­her Buchheim seine „PK“-Zugehörigk­eit faktisch nicht. Als „Leutnant“wurde der Autor dort vorgestell­t, der Ich-Autor erwähnte seine propagandi­stische Funktion mit keinem Wort. Lediglich indirekte Bezüge sind vorhanden, so die Erwähnung des ersten „PK“-Einsatzes im November 1940 an Bord eines Zerstörers. Während aber im Buch die Versenkung englischer Fischerboo­te als „richtiggeh­ende Killerei“bezeichnet wird, überschrie­b Buchheim seinen seinerzeit­igen ersten „PK“-Bericht mit der Schlagzeil­e „Wir rotten aus“.

Die Umdeutung der zeitgenöss­ischen Fakten setzte Buchheim in „Die Festung“fort. Zwar beschrieb der IchAutor sich nun durchweg als „Kriegsberi­chter“. Deutlich aber opponiert dieser gegenüber den Angehörige­n der „PK“, der „verdammten Bande“, mit der er nicht wirklich viel gemein haben will.

Diese Umschreibu­ng der zeitgenöss­ischen Wirklichke­it ließ sich Buchheim sogar rechtlich attestiere­n. In einer Eidesstatt­lichen Erklärung gab er Mitte der 1990er Jahre an, „Kriegsberi­chter“, aber nicht „PK-Angehörige­r“gewesen zu sein.

Dabei bediente er sich geschickt einer historisch­en Formalie: Im Gegensatz zum Heer hatten sich Kriegsmari­ne und Luftwaffe 1940 von „PK“in „Kriegsberi­chterKompa­nie“umbenannt. Aufgaben und Struktur blieben zwar vollkommen identisch und das Kürzel „PK“in den Köpfen der Angehörige­n. Buchheim aber konnte bei Erscheinen seines Romans „Die Festung“eine Distanz zu seiner Kriegstäti­gkeit behaupten, die bei faktischer Überprüfun­g eine größtmögli­che Nähe und Übereinsti­mmung zur NS-Propaganda gewesen ist.

 ?? BILD: BUNDESARCH­IV KOBLENZ ?? Der „Kriegsmale­r“Lothar-Günther Buchheim in West-Frankreich, im Frühjahr 1941. Hier steht ein U-Boot-Fahrer in voller Montur Modell für spätere Illustrati­onen.
BILD: BUNDESARCH­IV KOBLENZ Der „Kriegsmale­r“Lothar-Günther Buchheim in West-Frankreich, im Frühjahr 1941. Hier steht ein U-Boot-Fahrer in voller Montur Modell für spätere Illustrati­onen.
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BILD: SIGRID NEUBERT Lothar-Günther Buchheim
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Reichert. Der Journalist ist Hauptautor der Publikatio­n „Buchheim 100” zur Jubiläums-Ausstellun­g im Buchheim-Museum in Bernried.
Autor dieses Beitrages ist Gerrit Reichert. Der Journalist ist Hauptautor der Publikatio­n „Buchheim 100” zur Jubiläums-Ausstellun­g im Buchheim-Museum in Bernried.

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