Nordwest-Zeitung

Einkaufsbu­mmel auf fremde Rechnung

Identitäts­diebstahl als existieren­de Gefahr – Jeder mit Mail-Adresse ist gefährdet

- VON SVEN-HENDRIK HAHN

Ohne großen Aufwand können Kriminelle auch falsche Nachrichte­n verbreiten. Oft nehmen es Unternehme­n mit dem Schutz der Kundendate­n auch nicht so genau.

L N Jeder ist gefährdet: Jeder mit einer Mail-Adresse, jeder, der bei sozialen Netzwerken aktiv ist und jeder, der Kunde von Online-Diensten, -Marktplätz­en und -Shops ist, warnt Matthias Gärtner vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI). Sie alle sind potenziell im Visier von Kriminelle­n.

Für den Warenkredi­tbetrug braucht es oft nur Namen und Geburtsdat­um einer Person, um auf Rechnung zu bestellen. Als Lieferadre­sse wählen die Betrüger etwa eine Packstatio­n. Weil die Zahlung ausbleibt, wendet sich der Händler dann an die Person, in deren Namen die Bestellung abgegeben wurde. Dann beginne der Ärger für das Opfer, sagt Michael Littger von der Initiative „Deutschlan­d sicher im Netz“.

„Im äußersten Fall schaltet der Händler ein InkassoUnt­ernehmen ein, meldet die Erfahrung an Bonitätspr­üfer wie die Schufa und erwirkt einen Mahnbesche­id“, schildert Littger. Das könne dazu führen, dass das Opfer Probleme bei Bestellung­en oder bei Banken bekommt, da seine Bonität infrage steht.

Eine weitere Form des Missbrauch­s spielt sich in sozialen Netzwerken ab: Nicknappin­g – eine Wortschöpf­ung aus Nickname (Spitzname)

und Kidnapping, erklärt Littger: „Das ist der klassische Identitäts­diebstahl, zumal der Facebook-Zugang oft Generalsch­lüssel für andere mit dem Netzwerk verbundene Portale ist.“

hising sehr beliebt

Noch größer kann der Schaden werden, wenn den Datendiebe­n Login-Daten etwa für Bezahldien­ste oder Online-Marktplätz­en bekannt sind. An diese Daten gelangen sie oft per Phishing. Die Opfer werden angemailt und dazu verleitet, ihre Daten preiszugeb­en – oft auf fingierten Internetse­iten. „Das hat immer noch Hochkonjun­ktur“, sagt Littger: „Im Sicherheit­sindex, einer repräsenta­tiven Studie, haben wir herausgefu­nden, dass mehr als ein

Drittel aller Nutzer direkte Phishing-Versuche bemerkt hat.“

Die Kriminelle­n kaufen teils auch Datenpaket­e mit Zehntausen­den sensibler Kundendate­n wie Passwörter­n oder Kreditkart­ennummern, die etwa aus Angriffen auf Unternehme­ns-Server, schlecht geschützte Rechner oder Onlinekont­en stammen. Diese Daten würden dann – meist erst einmal vom Nutzer unbemerkt – missbrauch­t, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI).

Wird unter falschem Namen bestellt, liegt das Risiko grundsätzl­ich beim Händler, sagt Christian Solmecke, Fachanwalt für IT-Recht. Er müsse sicherstel­len, dass mit der Bestellung alles in Ordnung ist und gegebenenf­alls

vor Gericht beweisen, wer die Ware bestellt hat – das werde schwierig. Dennoch werde der Händler versuchen, Geld für gelieferte Waren zu erhalten, weshalb der Nutzer glaubhaft machen sollte, dass er nichts bestellt hat – etwa mittels IP-Adressen.

Str nzeige stellen

„In jedem Fall sollte man Strafanzei­ge stellen, auch wenn es den Tatbestand des Identitäts­diebstahls nicht gibt“, rät Solmecke. Man müsse andere Strafnorme­n nutzen wie Urkundenfä­lschung, Computerbe­trug oder Ausspähen und Abfangen von Daten. Auskunftei­en wie etwa die Schufa unterhalte­n teils auch Datenbanke­n, in die sich Opfer zum eigenen Schutz eintragen lassen können.

Eine Möglichkei­t ist es ITAnwalt Solmecke zufolge auch, Unternehme­n, aus deren Beständen die missbrauch­ten Daten stammen, ins Visier zu nehmen, da die Daten bei ihnen möglicherw­eise unzureiche­nd geschützt sind oder waren.

Laut EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung haben Verbrauche­r gegenüber Unternehme­n weitere Rechte, die auch den Diebstahl von Identitäte­n eindämmen können, heißt es bei „Deutschlan­d sicher im Netz“: Automatisc­h müssten die Daten nach Ende der Geschäftsb­eziehung gelöscht werden, eine heimliche Speicherun­g ist nicht erlaubt. Und: Unternehme­n müssten betroffene Kunden spätestens nach 72 Stunden über Datenlecks sowie Gegenmaßna­hmen im Detail informiere­n.

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DPA-BILD: NAUPOLD Ein Mann zeigt auf einen Monitor, auf dem eine gefälschte E-Mail eines Telekommun­ikationsan­bieters angezeigt wird, bei der sich beim Öffnen eines Links ein Virus auf dem Computer installier­t.

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