Nordwest-Zeitung

Bilderbuch­start ins All

Astronaut Alexander Gerst auf dem Weg zur ISS

- VON THOMAS KÖRBEL UND ANNETT STEIN

Der Flug zur ISS wird etwa zwei Tage dauern. Die Sojus-Kapsel soll am Freitag an der Raumstatio­n andocken.

BAIKONUR Der deutsche Astronaut Alexander Gerst ist vom Weltraumba­hnhof Baikonur in Kasachstan zu seiner zweiten Mission auf der Raumstatio­n ISS gestartet. Nach einem „Bilderbuch­start“sei die Crew sicher im Orbit angekommen, hieß es am Mittwoch vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Nächster Halt #ISS in zwei Tagen wenn alles

glatt geht. Passt auf euch auf meine Freunde!“, twitterte „Astro-Alex“als letzte Botschaft vor dem Start.

Danach stieg er gemeinsam mit dem russischen Kampfpilot­en Sergej Prokopjew und der US-Ärztin Serena Auñón-Chancellor in die Rakete, die planmäßig 13.12 Uhr (MESZ) abhob. „Wenn man drin ist, merkt man kaum, dass man gestartet ist“, erklärte die italienisc­he Astronauti­n Samantha Cristofore­tti bei einer Live-Übertragun­g im Berliner Zeiss-Großplanet­arium. „Man hört über Funk, dass man gestartet ist.“

Für Prokopjew und AuñónChanc­ellor ist es der erste Flug zur ISS, Gerst war vor vier Jahren bereits 166 Tage im All. Er wirkte am Morgen vor dem

Start sichtlich glücklich und winkte entspannt in die Menge. „Wir freuen uns sehr, ihn nun zum zweiten Mal ins All fliegen zu sehen und wünschen ihm das Allerbeste“, teilte seine Familie mit. „Alexander war schon immer ein Forscher und Entdecker.“

Gersts Heimatort Künzelsau in Baden-Württember­g feierte den Flug ihres Ehrenbürge­rs mit einem Stadtfest. Rund 5000 Menschen verfolgten dort, wie die Rakete mit brüllenden Triebwerke­n abhob. Jubel brandete auf, Zuschauer riefen „Gute Reise“und „Komm gesund wieder“. In Berlin fieberten Hunderte Kinder bei der zentralen Veranstalt­ung der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa im Zeiss-Großplanet­arium beim Start mit.

Gerst, promoviert­er Geophysike­r, soll während der zweiten Hälfte seiner 188-tägigen Mission „Horizons“Kommandant der Raumstatio­n sein – als erster Deutscher überhaupt. Normalerwe­ise ist der Posten den Hauptgeldg­ebern USA und Russland vorbehalte­n.

Der Flug zur ISS rund 400 Kilometer über der Erde wird etwa zwei Tage dauern. Nach 34 Erdumrundu­ngen soll die Sojus-Kapsel am Freitag an der Raumstatio­n andocken, wo zwei weitere US-Astronaute­n und ein Russe auf die Neuankömml­inge warten.

Freunde, Verwandte und Ex-Raumfahrer be*+eiten ihn beim Start zur ISS. Einem *eht der Abschied überrasche­nd nahe.

LAIKONUR Eum Abschied bleibt von Alexander Gerst ein Feuerschwe­if als Gruß am Firmament. Rasch verdichtet er sich zu einem kleiner werdenden Punkt zwischen den Wölkchen am Himmel über der kasachisch­en Steppe. Das Dröhnen der Triebwerke hängt noch einen Moment in den Ohren. Dort, wo eben noch die Sojus-Rakete aufragte, klafft eine Lücke.

In Erinnerung bleibt das Bild einer Rakete, die zunächst wie in Zeitlupe unter einem Meer aus Flammen schwebt, fast in der Luft steht, bevor sie mit der gewaltigen Kraft von mehr als 20 Millionen PS in die Höhe schießt.

Nach zweieinhal­b Jahren anstrengen­den Trainings ist Deutschlan­ds beliebter Astronaut Gerst zur Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS) gestartet. Mit der Sojus-Rakete hob „Astro-Alex“am Mittwochmi­ttag vom russischen Weltraumba­hnhof Baikonur in Kasachstan ab. Schon nach neun Minuten ist das Raumschiff im Erdorbit angekommen – fast 28000 Kilometer pro Stunden schnell.

Bis Freitag ist Gerst mit dem Russen Sergej Prokopjew und der US-Amerikaner­in Serena Auñón-Chancellor im engen Raumschiff „Sojus MS09“unterwegs. 34 Mal wird die Crew die Erde umrunden, bis sie am Raumlabor andockt. Ein gutes halbes Jahr soll Gerst auf dem Außenposte­n der Menschheit rund 400 Kilometer über der Erde leben, experiment­ieren und – als erster Deutscher überhaupt – im Herbst auch das Kommando übernehmen.

Vor vier Jahren war Gerst schon mal auf der ISS. Wenn er vor seinem zweiten Start aufgeregt war, dann ließ er es sich nicht anmerken. Alle, die ihn noch getroffen haben, bestätigte­n in Baikonur, er sei die Ruhe in Person.

Gersts zweite Reise zu den Sternen beginnt an der historisch­en Startrampe 1, von der aus Juri Gagarin 1961 als erster Mensch den Kosmos erkundete. Die Sonne brennt an diesem Junitag, trotz Wolken istesdrück­endheiß.

Wer Glück hat, sieht auf dem Weg zum Startkompl­ex ein Kamel am Straßenran­d dösen – so auch Gerst: „Beobachten desinteres­sierte Kamele am Wegesrand“, twittert er am Morgen wenige Stunden vor dem Start. Und: „Stimmung in der Crew ist super“. Beim Verlassen des Hotels „Kosmonaut“strahlt der 42-Jährige aus Künzelsau. Er winkt in seinem blauen Overall in die Menge. Sehr glücklich wirkt er, nun, da es endlich wirklich losgeht.

Wenige Stunden später hat er den Overall gegen den Raumanzug getauscht. Nur kurz verharren er und seine beiden Kollegen in der prallen Sonne und winken in die Menschenme­nge. Aus dem Bus heraus formt Gerst ein Herz mit seinen Händen – vielleicht für seine angereiste Freundin, vielleicht für seine Eltern. Wer weiß?

Aus gut zwei Kilometern Entfernung blicken die Familien der Raumfahrer, die Branchenpr­ominenz und die Weltpresse auf die prestigetr­ächtige Rampe. Bei Jan Wörner, Chef der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa, brechen sich vor dem Start die Emotionen Bahn. „Alex, du könntest mein Sohn sein“, habe er Gerst mitgegeben. „Das war dann die Situation, in der ich zu ihm sagte: „Junge, pass auf dich auf“, sagt Wörner.

Gersts engste Freunde und Verwandte haben die weite Reise angetreten, um ihren „Forscher und Entdecker“zu begleiten. „Wir freuen uns sehr, ihn nun zum zweiten Mal ins All fliegen zu sehen, und wünschen ihm das Allerbeste“, teilt die Familie über die Esa mit.

Ein besonderer Gast beim Start ist Deutschlan­ds Weltraumpi­onier Sigmund Jähn. Gerst hat den 81-jährigen „guten Freund“selbst eingeladen. „Er ist aus meiner Sicht einer der fähigsten Leute, die wir hatten“, sagt Jähn über „Astro-Alex“. Im August 1978 flog der DDR-Bürger mit einer Sojus zur Raumstatio­n Saljut-6 – und wurde so zum ersten Deutschen im All. Gerst ist der elfte Deutsche, der zu den Sternen aufbricht, eine Frau gehörte bislang nicht dazu.

In den 40 Jahren seit Jähns Mission hat sich viel geändert in der Branche. Die Technik ist automatisi­erter, digitaler, ausgereift­er. Der Veteran Jähn sagt auch: „Die Leute werden immer klüger. Der Alexander Gerst ist ja ein treffendes Beispiel. Ein äußerst fähiger junger Mann, ein gestandene­r Wissenscha­ftler.“

Als Wissenscha­ftler erwartet den promoviert­en Geophysike­r Gerst auf der ISS ein strammes Programm. Für 300 Experiment­e soll das halbe Jahr im All reichen. Der Zeitplan ist eng getaktet. „Wenn Alex Commander ist, hat er weniger Zeit, weil er noch andere Aufgaben wahrnehmen muss“, sagt Volker

Schmid vom DLR.

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DPA-BILD: LOVETSKY Winkte vor dem Start entspannt in die Menge: der deutsche Astronaut Alexander Gerst.
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BILD: SERGEI SAVOSTYANO­V Mit einem Bilderbuch­start ging die Sojus-Rakete vom Weltraumba­hnhof Baikonur auf die Reise ins Weltall.
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