Millionen Euro für Kuh-Wiesen
Prüfer rügen Verschwendung von Steuergeldern – Kritik an Haushaltspolitik
8uch das Innenministerium gerät in den Fokus. Die Ausgaben für Flüchtlinge sind zu hoch.
HANNOVER/IM NORDWESTEN Statt blühender Wirtschaft nur blühende Wiesen: Der Landesrechnungshof (LRH) deckt in seinem aktuellen Jahresbericht 2018 auf über 220 Seiten geradezu groteske Fälle von Steuerverschwendung auf. So erhielten drei Regionen in Niedersachsen Fördermittel zur Ansiedlung von Gewerbe in Höhe von rund elf Millionen Euro. Doch die Prüfer entdeckten, dass sich auf den Arealen „nur wenige oder gar keine Betriebe“angesiedelt haben. Stattdessen grasen dort Kühe oder tummeln sich Hunde auf Rasenflächen mit perfektem Anschluss ans Kanal-, Strom- und Straßennetz – inklusive nächtlicher Beleuchtung.
Gebiete nicht belegt
Im Nordwesten erschlossen mehrere Gemeinden im Bereich des Tiefwasserhafens Jade-Weser-Port mehrere Gewerbegebiete mit einer Fläche von 105 Hektar. Zwei Gewerbegebiete erhielten dazu vom Land eine Förderung von 4,6 Millionen Euro. Ergebnis: Diese Gebiete sind seit Jahren nicht einmal zu zehn Prozent belegt. In einem anderen Fall gingen 2,2 Millionen Euro an eine Gemeinde. Dafür siedelte sich nur ein Unternehmen an. Sogar null Interesse fand ein Areal, das mit 1,3 Millionen Euro aufgehübscht wurde.
Im Landkreis Cloppenburg subventionierte die NBank den ersten Bauabschnitt eines Industrieparks beim C-Port mit 4,5 Millionen
Euro. Ergebnis: „Die Auslastung des Gebiets beträgt bis heute nur fünf Prozent“, fanden die Kontrolleure des Landesrechnungshofs heraus.
Interesse bleibt mau
Auch der Harz ist den jeweiligen Landesregierungen lieb und teuer. Für die Erschließung einer zwölf Hektar großen Gewerbefläche erhielt eine Oberharzer Kommune 1,1 Millionen Euro. Trotz aller Werbung blieb das Interesse in der Wirtschaft mau. Nach 14 Jahren sind gerade zehn Prozent der Flächen belegt. Jetzt nutzen Hundebesitzer das freie Gelände als Rennstrecke für ihre Lieblinge, die sich dort ohne Leine tummeln können. Es stört ja niemanden. Störend empfinden die Prüfer in jedem Fall den laxen Umgang der Finanzämter mit Ferienimmobilien. Verluste
können sich mindernd auf die Einkommenssteuer auswirken – wenn wirklich beabsichtigt ist, mit der Ferienimmobilie Einkünfte zu erwirtschaften. Doch der Landesrechnungshofe hegt den Verdacht, dass diese Absicht nicht immer zugrunde liegt, sondern die Vermietung eher der „Liebhaberei“zuzuordnen ist. „Dies hat zur Folge, dass die Verluste steuerlich nicht berücksichtigt werden können“, schreiben die Prüfer dem Finanzministerium ins Stammbuch.
Schwerfällige Bemühung
Eine dicke Rüge geht auch an das Innenministerium. Die Bemühungen der Landesregierung, ausreisepflichtige Flüchtlinge tatsächliche in die Heimat zurückzuführen, scheinen der Prüfbehörde viel zu schwerfällig, ineffizient
und unterm Strich damit zu teuer. Nach Durchsicht der Unterlagen monieren die Prüfer, dass beispielsweise „die rechtlichen Möglichkeiten bezüglich der Androhung und Durchsetzung von Leistungskürzungen oder der Ausgabe von Sach- anstelle von Geldleistungen nicht immer ausgeschöpft wurden“. Völlig rätselhaft bleiben die Gründe, warum Kosten für Abschiebungen in Höhe von 5,7 Millionen Euro entstanden sein sollen. Diese Kosten ließen sich an keiner Stelle nachvollziehen, lautet die Kritik.
Beim Thema Abschiebungen seien viele Punkte „optimierungsbedürftig“, rügt die Behörde: „Das Land verstößt damit gegen seine gesetzliche Verpflichtung, wirtschaftlich zu handeln.“Besonders kritikwürdig fand der Rechnungshof die Tatsache, dass sich „die Zahl der Ausreisepflichtigen
in Niedersachsen seit dem Jahr 2012 fast verdoppelt hat“– auf derzeit etwa 22 000 Personen. „Davon waren 5 222 ohne Duldung“, heißt es.
Bahnhöfe modernisieren
„Einen massiven Verstoß gegen das Haushaltsrecht“, kritisiert der Landesrechnungshof bei der Modernisierung von Bahnhöfen in Niedersachsen. Insgesamt 52 Millionen Euro stellte das Land dafür zur Verfügung, um 31 Bahnhöfe im Land attraktiver und vor allem barrierefrei zu gestalten. Das Problem: „Nachweise, die eine detaillierte Prüfung der Verwendung der Fördermittel ermöglichen, legte der Eigentümer der Bahnhöfe bisher nicht vor“, stellten die Prüfer überrascht fest. Motto: Gezahlt, ja – wofür, unklar.