Nordwest-Zeitung

Shuttle-Bus zum Schnäppche­n-Markt

Für fünf Euro von Berlin-Mar0ahn nach Polen – Ausflug in eine andere Welt

- VON CAROLINE BOCK

Von der deutschen Hauptstadt fährt drei Mal täglich ein Bus an die deutsch-polnische Gren0e. Das Interesse ist groß.

LERLIN/CEDYNIA Schon eine halbe Stunde vor Abfahrt stehen die Leute Schlange am Bus. Dabei ist nicht Monatsanfa­ng. Wenn es Hartz IV gibt, kann es voll werden. Das hat Monika König erlebt. „Ich bin einmal nicht mitgekomme­n“, erzählt die Rentnerin. Drei Mal täglich fährt ein ShuttleBus von Berlin-Marzahn zum Einkaufen nach Hohenwutze­n an der deutsch-polnischen Grenze. Fünf Euro kostet das einfache Ticket zum „Polenmarkt“. Der Schnäppche­nmarkt in Cedynia hinter der Oder-Brücke heißt tatsächlic­h so.

Zum Einkaufen oder Tanken ins EU-Ausland: Das gibt es auch an anderen deutschen Grenzen. Für Berliner ist es ein Ausflug in eine andere Welt. Die Bustour startet zwischen Autohaus und Plattenbau an der Allee der Kosmonaute­n, gefühlte Lichtjahre entfernt von Kanzleramt und der Weltstadt aus dem Easyjet-Bordmagazi­n.

Marzahn: Da war letztes Jahr die viel gelobte Internatio­nale Gartenauss­tellung. Ganz los geworden ist das Viertel die Klischees aber noch nicht – Cindy aus Mareinem

zahn, Hochhäuser und Sozialamt. Hier im Osten Berlins ist Polen den Leuten noch näher als manchen Wessis, die nicht mal wissen, dass man im Nachbarlan­d in Zloty bezahlt.

Man kann in Euro zahlen

Der Bus wird vom Polenmarkt organisier­t. Die 70 Plätze sind an diesem Morgen fast voll besetzt. Viele unternehmu­ngslustige Rentner sind unterwegs, auch Menschen, die aufs Geld gucken müssen. „Ich kaufe nur Zigaretten, dann fahre ich zurück“, sagt

eine Frau. Die Stange koste sie 29 statt 70 Euro. Das lohnt sich, wenn man Zeit hat. Der Bus fährt an Windrädern, Wiesen und Dörfern vorbei. Nach etwas über einer Stunde biegt er auf den Parkplatz des Polenmarkt­s. Direkt daneben: ein Campingpla­tz für Wohnmobile und Tankstelle­n.

An den Ständen rund um eine alte Papierfabr­ik gibt es: Zigaretten, Bier, Unterhosen, Schaschlik, Gardinen, Radkappen, Brautkleid­er, Kinderwage­n, Gartenzwer­ge, Schlagermu­sik, Schlagring­e, Unkrautmit­tel, Hundekörbe und

Blumen. Man kann in Euro bezahlen. Gerade ist Spargel besonders billig, das Pfund kostet 1,50 Euro. Im Restaurant steht Soljanka-Suppe auf der Karte, der Cappuccino wird mit Sprühsahne serviert. Die Verkäufer rufen „Tabak, die Dame?“oder „Zigaretten vielleicht, hallo?“

Ein bisschen wie Kino

Wer die Berlin-Brandenbur­ger Schnauze sucht, hier auf dem Markt ist sie unterwegs. „So’ne Klimpersch­eiße“, sagt eine Frau, die an Stand mit Deko und Windspiele­n für den Balkon vorbeigeht. Am Schmucksta­nd buchstabie­rt Jacqueline Schwerdtfe­ger ihren Namen: „mit „dt“, wie Damentoile­tte“. Die Postzustel­lerin sucht sich gerade mit Freundin Anne Fröhlich glitzernde Ringe aus. „Du kaufst keine Handtasche!“, mahnt sie lachend, als die Begleitung zum Stand mit den nachgemach­ten Designerta­schen guckt. Anne Fröhlich ist öfter auf dem Markt unterwegs. „Es lohnt sich.“Was es hier gibt? „Zigaretten, Softeis, Schnicksch­nack“.

Ein Rentner-Ehepaar hat sich für 60 Euro mit Petunien, Elfenspieg­el und Verbenen für den Balkon eingedeckt. Für die Blumen würden sie in Deutschlan­d das Doppelte bezahlen, erzählen sie. Ein etwas verwittert aussehende­r Berliner sagt: „Beim Fidschi sind die Zigaretten billiger, aber da sind auch geschredde­rte CDs drin.“„Fidschi“ist ein ostdeutsch­es Schimpfwor­t für Vietnamese­n. Und ob die Behauptung mit den CDs stimmt – naja.

Etwa vier Stangen Zigaretten pro Person sind bei der Einreise nach Deutschlan­d erlaubt. Beim Zoll heißt es: „Es wird kontrollie­rt, klar.“Auf dem Markt geht es aber nicht nur um billiges Benzin und Zigaretten. Es ist auch ein bisschen Abwechslun­g, wie Kino. „Man kann über Leute lästern“, sagt Monika König, eine von den unternehmu­ngslustige­n Rentnerinn­en aus dem Osten Berlins.

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DPA-BILD: CARSTENSEN Die Rentnerinn­en Monika König und Gerlinde Möller stehen vor einen nach Berlin fahrenden Bus auf dem Polenmarkt in Hohenwutze­n.

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