Gülle-Probleme im Nordwesten nehmen zu
Zu viel Wirtschaftsdünger im nordwestlichen Niedersachsen – Es fehlt an Fläche
Die Landwirtschaftskam7 mer nennt Maßnahmen. Umweltverbände wollen weniger Tiere.
OLDENBURG/HANNOVER Zum 5. Mal hat die Landwirtschaftskammer Niedersachsen Ende März einen Nährstoffbericht vorgelegt. Von der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt, offenbart der Bericht, dass die Probleme mit Gülle, Gärresten und Hühnertrockenkot eher größer als kleiner werden. Und das, obwohl die Probleme seit vielen Jahren bekannt sind.
Was für die meisten nur stinkt, ist für die Landwirte wertvoller Wirtschaftsdünger für ihre Felder. Vor allem Stickstoff und Phosphor ist in den Ausscheidungsprodukten von Schwein, Kuh und Huhn sowie der Biogasanlagen enthalten – deswegen Nährstoffbericht.
Tendenz noch steigend
Doch die Tiere und Energieerzeugungsanlagen in Niedersachsen produzieren viel mehr Wirtschaftsdünger als die Flächen und Pflanzen bei bedarfsgerechter Düngung aufnehmen können und dürfen: genau 59,31 Millionen Tonnen im Wirtschaftsjahr 2016L17 – Tendenz steigend, zuletzt nochmals um 0,66 Millionen Tonnen, seit 2012L13 um fast drei Millionen Tonandere nen. Und das vor allem in sieben Landkreisen im westlichen und nordwestlichen Niedersachsen.
In diesen sieben Kreisen – von Osnabrück im Süden bis Cuxhaven im Norden – überschreiten die Nährstoffe Stickstoff und demnächst auch Phosphat die gesetzten Obergrenzen. Dies wirkt sich auch auf unser Wasser aus. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) spricht von „Risikogebieten“. Rund 40 Prozent der niedersächsischen Grundwassermessstellen überschreiten den Grenzwert für Nitrat. Bei den Oberflächengewässern erreichen nur zwei Prozent die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.
Wollte man die gesamte Nährstofffracht aus Gülle und Gärresten unterbringen, bräuchte man erheblich mehr landwirtschaftliche Nutzfläche in Niedersachsen. Für Phosphat nennt das Landwirtschaftsministerium als Hochrechnung für 2022 rund 114 000 Hektar. Das sind etwa 100 000 Fußballfelder. Oder man könnte mit diesem Überschuss eine Fläche düngend „beglücken“, die etwa viermal so groß ist wie das Bundesland Bremen.
Die Landwirte versuchen es mit Gülleexport. Rund drei Millionen Tonnen Wirtschaftsdünger sind so 2016L17 aus der Weser-Ems-Region in Landesteile und Bundesländer gekarrt worden – macht 115 000 Lkw-Ladungen. Viel mehr wäre nötig. Die Landwirtschaftskammer hält dies in einem kaum bekannten Positionspapier für „technisch und logistisch real nicht vorstellbar“.
Die Kammer nennt in ihrem Papier andere Maßnahmen: die Landwirte in den Ackerbauregionen im östlichen Niedersachsen sollten zur Düngung mehr Gülle und Gärreste statt Mineraldünger einsetzen. Beratung, Unterstützung und Anreize hierfür sollten finanziell gefördert werden. Bei der Tierfütterung sollten „stark Stickstoff- und Phosphor-reduzierte Futtermittel“eingesetzt werden. Überall im Land sollte zusätzlicher Lagerraum für Wirtschaftsdünger geschaffen werden.
Zu viele Tiere
Im Landwirtschaftsministerium sieht Otto-Kinast zwar „Handlungsbedarf“. Mehr als der Verweis auf teilweise bereits seit Jahren laufende Initiativen und ein besseres Datenmanagement kam aber bisher dabei nicht heraus.
Drei Umweltverbände – Greenpeace, NABU und BUND – haben da klarere Vorstellungen und fordern: „Der Umfang der Tierhaltung muss wieder an die vor Ort zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche angepasst werden.“