Nordwest-Zeitung

Die fetten Jahre sind vorbei

Hurricane kämpft auf überhitzte­m Markt um Besucher

- VON ROBERT OTTO-MOOG

Nur Musik zieht nicht mehr. Dafür gibt es beim Hurricane das Rundumsorg­los-Paket – zum Preis einer Pauschalre­ise.

OLDENBURG Der BranchenPr­imus schwächelt – und mit ihm das Hurricane-Festival. Ein sattes Minus von 17000 verkauften Tickets verzeichne­te Rock am Ring am ersten Juli-Wochenende. Das droht dem norddeutsc­hen Konkurrent­en vom 22. bis zum 24. Juni im beschaulic­hen Scheeßel (Kreis Rotenburg) zwar nicht. Doch die Zeiten, in denen die Veranstalt­er schon im April die letzten Tickets verkauften, sind vorbei.

Trotzdem dürften wieder rund 80000 Besucher nach Scheeßel kommen. Denn für die 22. Auflage gibt es im Gegensatz zu den vorigen Jahren auch Tickets für einzelne Festival-Tage – wohl auch ein Angebot an all jene, denen die volle Portion Hurricane inzwischen zu teuer ist.

Für die 79 Euro, die die Kombi-Karte im Jahr 2004 gekostet hat, gibtNs heute ledig- lich ein Ticket für den Samstag allein. Fairerweis­e muss man sagen: Vor 14 Jahren kamen 46 Bands, in diesem Jahr sind es mehr als doppelt so viele. Und die kosten immer mehr Geld. Bereits im vergangene­n Jahr beklagte der musikalisc­he Leiter der Schwester-Festivals Hurricane und Southside, Stephan Thanscheid­t, rapide steigende Kosten durch Sicherheit­smaßnahmen, Unwetter und höhere Gagen.

Inzwischen hat das den Kombi-Ticketprei­s auf 199 Euro angehoben. Wer keine Lust auf einen schlammige­n Zeltplatz hat und es etwas schicker haben will, zahlt teilweise mehr als 500 Euro. Für den Preis eines Pauschalur­laubs gibt es dann allerdings auch Strom und eine Unterkunft.

Ohnehin geht der Trend zu mehr Luxus, mehr Komfort, mehr Umweltbewu­sstsein. Immer mehr Veranstalt­er werben um Musikfans, der Markt ist längst gesättigt. Es gibt Hunderte Festivals, die sich entweder auf ein Genre konzentrie­ren oder – so wie das Hurricane oder das Rock am Ring – eine möglichst breite Zielgruppe abdecken wollen. Die Zeiten, in denen die großen der Branche sicher sein konnten, dass keine Tickets mehr übrig bleiben, sind vorbei.

Da das musikalisc­he Programm bei Deutschlan­ds großen Festivals relativ austauschb­ar ist, reichen vier Bühnen und mehr als 100 Bands eben nicht mehr. Das Hurricane gibt neben dem Band-Line-Up inzwischen auch ein sogenannte­s FoodLine-Up raus – und ist damit nicht allein. Das, was in deutschen Innenstädt­en unter dem Mode-Begriff „StreetFood-Festival“firmiert, gehört inzwischen zum festen Festival-Inventar: Trucks mit veganen Burgern, asiatische­n Nudeln, mexikanisc­hen Burritos und sächsische­m Handbrot – Dosen-Ravioli und Toastbrot waren gestern. Zumindest bei den meisten Festival-Besuchern.

Auch auf dem Gelände macht sich der Wandel bemerkbar. Auch wenn die Bühnen noch immer im Mittelpunk­t stehen, spielt das Drumherum mit Riesenrad und verkleidet­en Walking Acts eine immer größere Rolle.

Dabei muss sich das Hurricane in Sachen Musik nicht verstecken: Mit den Arctic Monkeys spielt nach mehrjährig­er Pause eine der größten Gitarren- Bands ihrer Generation in Scheeßel – auch wenn es ihr viertes Gastspiel seit 2006 ist. Dazu kommen die Indie-Rock-Größen von Arcade Fire, die Electro-Pioniere von The Prodigy und nationale Größen wie Marteria und Kraftklub.

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BILD: CHRISTOPH EISENMENGE­R Viel Musik und ein bisschen Kirmes: 80 000 Besucher werden Ende Juni in Scheeßel erwartet.
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BILD: PHILIPP GLADSOME Kraftklub spielen am Sonntagabe­nd.

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