Die fetten Jahre sind vorbei
Hurricane kämpft auf überhitztem Markt um Besucher
Nur Musik zieht nicht mehr. Dafür gibt es beim Hurricane das Rundumsorglos-Paket – zum Preis einer Pauschalreise.
OLDENBURG Der BranchenPrimus schwächelt – und mit ihm das Hurricane-Festival. Ein sattes Minus von 17000 verkauften Tickets verzeichnete Rock am Ring am ersten Juli-Wochenende. Das droht dem norddeutschen Konkurrenten vom 22. bis zum 24. Juni im beschaulichen Scheeßel (Kreis Rotenburg) zwar nicht. Doch die Zeiten, in denen die Veranstalter schon im April die letzten Tickets verkauften, sind vorbei.
Trotzdem dürften wieder rund 80000 Besucher nach Scheeßel kommen. Denn für die 22. Auflage gibt es im Gegensatz zu den vorigen Jahren auch Tickets für einzelne Festival-Tage – wohl auch ein Angebot an all jene, denen die volle Portion Hurricane inzwischen zu teuer ist.
Für die 79 Euro, die die Kombi-Karte im Jahr 2004 gekostet hat, gibtNs heute ledig- lich ein Ticket für den Samstag allein. Fairerweise muss man sagen: Vor 14 Jahren kamen 46 Bands, in diesem Jahr sind es mehr als doppelt so viele. Und die kosten immer mehr Geld. Bereits im vergangenen Jahr beklagte der musikalische Leiter der Schwester-Festivals Hurricane und Southside, Stephan Thanscheidt, rapide steigende Kosten durch Sicherheitsmaßnahmen, Unwetter und höhere Gagen.
Inzwischen hat das den Kombi-Ticketpreis auf 199 Euro angehoben. Wer keine Lust auf einen schlammigen Zeltplatz hat und es etwas schicker haben will, zahlt teilweise mehr als 500 Euro. Für den Preis eines Pauschalurlaubs gibt es dann allerdings auch Strom und eine Unterkunft.
Ohnehin geht der Trend zu mehr Luxus, mehr Komfort, mehr Umweltbewusstsein. Immer mehr Veranstalter werben um Musikfans, der Markt ist längst gesättigt. Es gibt Hunderte Festivals, die sich entweder auf ein Genre konzentrieren oder – so wie das Hurricane oder das Rock am Ring – eine möglichst breite Zielgruppe abdecken wollen. Die Zeiten, in denen die großen der Branche sicher sein konnten, dass keine Tickets mehr übrig bleiben, sind vorbei.
Da das musikalische Programm bei Deutschlands großen Festivals relativ austauschbar ist, reichen vier Bühnen und mehr als 100 Bands eben nicht mehr. Das Hurricane gibt neben dem Band-Line-Up inzwischen auch ein sogenanntes FoodLine-Up raus – und ist damit nicht allein. Das, was in deutschen Innenstädten unter dem Mode-Begriff „StreetFood-Festival“firmiert, gehört inzwischen zum festen Festival-Inventar: Trucks mit veganen Burgern, asiatischen Nudeln, mexikanischen Burritos und sächsischem Handbrot – Dosen-Ravioli und Toastbrot waren gestern. Zumindest bei den meisten Festival-Besuchern.
Auch auf dem Gelände macht sich der Wandel bemerkbar. Auch wenn die Bühnen noch immer im Mittelpunkt stehen, spielt das Drumherum mit Riesenrad und verkleideten Walking Acts eine immer größere Rolle.
Dabei muss sich das Hurricane in Sachen Musik nicht verstecken: Mit den Arctic Monkeys spielt nach mehrjähriger Pause eine der größten Gitarren- Bands ihrer Generation in Scheeßel – auch wenn es ihr viertes Gastspiel seit 2006 ist. Dazu kommen die Indie-Rock-Größen von Arcade Fire, die Electro-Pioniere von The Prodigy und nationale Größen wie Marteria und Kraftklub.