Mit Striegel und Hacke statt chemischer Keule
Mit Modellversuch sollen Pflanzenschutzmittel ersetzt werden – Erstaunliche Ergebnisse
HUNTLOSEN/GROß IPPENER Gesellschaft und Politik stehen der Chemie auf dem Acker zunehmend kritischer gegenüber. Eine der Sorgen: die Agrarchemie gefährdet zunehmend die Qualität unseres Grundwassers und damit auch unseres Trinkwassers. Ein Verursacher: Pflanzenschutzmittel zur Unkrautbekämpfung.
Vor dem AgrarchemieZeitalter wurden die Äcker vor der Bepflanzung gestriegelt und gepflügt. Wie Öko-Landwirte auch heute noch ihre Felder vorbereiten, soll nun ebenfalls konventionellen Landwirten nahegebracht werden. Seit gut einem Jahr läuft dazu ein Versuch im 35 Quadratkilometer großen Wasserschutzgebiet Annenheide südlich von Delmenhorst, organisiert von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
„Wir haben im Frühjahr 2017 zwei Landwirte in Groß Ippener gefunden, die bereit waren, 15 Hektar Maisanbaufläche statt chemisch mit Pflanzenschutzmitteln mechanisch mit Striegel und Hacke zu bearbeiten“, berichtet Rudolf Eilert, Berater Wasserschutz und Ökolandbau in der Außenstelle Huntlosen (Kreis Oldenburg) der Landwirtschaftskammer. Diese Art der Bodenbearbeitung sei allerdings schwieriger und aufwendiger.
Zwar verrichtet heute statt eines Pferdes ein Traktor mit modernen Geräten die Arbeit. „Aber man muss sich Wissen aneignen, und die Bodenbearbeitung erfordert mehr Zeit“, weiß Eilert. Drei- bis viermal striegeln und zweimal Hacken in den Monaten Mai und Juni sei notwendig. Und die Arbeit muss sehr zeitgenau erledigt werden, um das Unkraut zum richtigen Zeitpunkt zu erwischen. „Ein Tag zu spät, und schon ist der Kampf schnell verloren“, so der Experte. „Doch die beiden Landwirte wollten das.“
Das Ergebnis nach dem ersten Jahr ist erstaunlich. Die beiden Landwirte erzielten mechanisch gegenüber chemisch einen Mehrertrag an Silomais auf ihren 15 Hektar von rund acht Prozent oder 3,4 Tonnen pro Hektar. Der Mais sah außerdem deutlich besser aus. Die Kosten lagen mit 150 bis 170 Euro je Hektar zwar über den gut 100 Euro bei der Chemie-Variante. „Das wurde aber durch den Mehrertrag und vor allem einen Zuschuss von 250 Euro je Hektar mehr als aufgefangen“, berichtet Eilert. Den Zuschuss bekommen die Landwirte vom Wasserversorger, den Stadtwerken Delmenhorst. Die stellen auch die Gerätschaften zur Verfügung. Zusammenfassend bilanziert der Kammer-Experte: „Wir haben bewiesen, dass man auch als konventionell wirtschaftender Landwirt beim Maisanbau ohne Pflanzenschutzmittel auskommen kann.“
Allerdings müssten die Landwirte „Lust hierauf haben“. Zwingen möchte Eilert sie nicht: „Wir wollen sie mitnehmen.“Das klappt anscheinend sehr gut. Das Beispiel der beiden Landwirte aus Groß Ippener macht Schule. Dieses Jahr – im Mai und Juni fallen die Hauptarbeiten an – machen bereits zehn Landwirte mit insgesamt 60 Hektar Anbaufläche im Wasserschutzgebiet Annenheide bei dem Versuch mit.