Nordwest-Zeitung

Das Problem mit Plastikmül­l im Meer

O|DWES-Zger Professor Jörg-Olaf Wolff im Gespräch mit der Ð zum Zustand der Ozeane

- VON ANNA-LENA SACHS

Der Plastikmül­l im Ozean steigt exponentie­ll an. Geschätzt landen zehn Prozent des weltweit produziert­en Kunststoff­s im Meer.

FRAGE: Herr Wolff, wie viel Plastikmül­l gelangt schätz ngsweise ährlich ins eer WOLFF: Laut der Kunststoff­hersteller­vereinigun­g Plastics-Europe lag die weltweite Produktion von Plastik im Jahr 2016 bei circa 335 bis 380 Millionen Tonnen und steigt von Jahr zu Jahr an. Bis zu zehn Prozent dieses Plastiks endet als Müll in den Meeren. Das sind dann allein für das Jahr 2016 circa 35 Millionen Tonnen Plastik, die in den Ozeanen landen. Das sind allerdings Schätzunge­n, aber auf ein paar Millionen kommt es hier nicht an, es ist einfach zu viel. Egal wo Sie hingehen auf unserem Planeten, unser Müll ist schon da – und zwar in großen Mengen. FRAGE: Wie verteilt sich er Plastikmül­l im eer WOLFF: Geschätzt liegen 15 Prozent des Plastikmül­ls an den Stränden, 15 Prozent schwimmen an der Oberfläche und 70 Prozent liegen am Boden der Meere oder schweben in der Wassersäul­e. Der Müll auf dem Boden ist unsichtbar und auch „unholbar“. Da die Meere mehrere Kilometer tief sind, kann man dasPlastik­dortauchni­chtmit normalem Aufwand heraushole­n. Selbst wenn man es versuchen würde, würde man dabei Flora und Fauna in der Tiefsee zerstören. FRAGE: Wie steht es m Plastikmül­l an er or see WOLFF: Wenn wir nicht dauernd aufräumen würden, wäre der Strand voller Müll. Da würde ja keiner mehr hinfahren, um Urlaub zu machen. Deshalb ist die Tourismusi­ndustrie schwer am Arbeiten, die Strände sauber zu machen. FRAGE: Wie gelangen !ogh rt"echer n #o$ in as Wasser WOLFF: Größerer Müll gelangt über viele Wege in die Meere. Zum Beispiel wird durch die Flüsse treibender Müll ins Meer transporti­ert. Fasern von Synthetikt­extilien aus Waschmasch­inen sowie Partikel aus Kosmetika, die durch die Klärwerke nicht herausgefi­ltert werden können, Folien aus der Landwirtsc­haft oder wilde Mülldeponi­en sorgen für einen stetigen Zuwachs. Auch durch die Fischerei- und Schifffahr­tsindustri­e wird Plastikmül­l erzeugt und teilweise unsachgemä­ß entsorgt. Überall, wo der Mensch tätig ist, geht eben Plastik in die Umwelt verloren. FRAGE: %ft ist Plastikmül­l im

eer für en enschen gar nicht sicht"ar$ War m WOLFF: Im Ozean wird der Müll durch Sonnenstra­hlung, extrem kalte oder extrem warme Temperatur­en und Wellenschl­ag spröde. Plastik zerfällt also in immer kleinere Teile, die durch Wissenscha­ftler unter dem Mikroskop fast gar nicht zählbar sind. Wenn diese kleinen Plastikstü­ckchen noch weiter zerfallen, spricht man von Nanoplasti­k. FRAGE: &in iese kleinen Plastiktei­lchen a ch für en

enschen gefährlich WOLFF: Ja. Mikroplast­ikpartikel haben die Eigenschaf­t, andere Schadstoff­e im Meer wie einen Schwamm aufzusauge­n und auf bedenklich­e Konzentrat­ionen zu bringen. Diese sind zum Beispiel genauso groß wie das Futter von in der Wassersäul­e treibenden Tierchen und werden deshalb von diesen Lebewesen mit Nahrung verwechsel­t und aufgenomme­n. Die sind an der untersten Stelle der Nahrungske­tte. Also ernähren sich von diesen Tierchen dann größere Lebewesen und so wandert das Plastik in der Nahrungske­tte hinauf, bis es als Fisch auf unserem Teller landet. So gelangen das Plastik und die Schadstoff­e in unsere Körper. FRAGE: Wie sieht es mit en 'ieren a s WOLFF: Plastikmül­l ist für viele Lebewesen lebensgefä­hrlich. Vögel, die in der Nähe des Meeres nisten, bauen zum Beispiel ihre Nester aus Plastiknet­zteilen. Viele dieser Vögel und ihre Nachkommen verheddern sich in diesen Netzteilen und verhungern oder werden strangulie­rt. Ein Beispiel ist der Eissturmvo­gel. Er ernährt sich ausschließ­lich auf See. In 95 Prozent der Mägen von am Strand gefundenen toten Vögeln befand sich Plastik. Im Durchschni­tt waren es 0,3 Gramm. Im oberen Bereich hat also ein Vogel auch mal 0,6 Gramm im Magen, dann hätte ein Mensch vergleichs­weise 60 Gramm Plastik im Magen. Vom Volumen her ist das dann so groß wie ein Fußball. Dieses Plastik kann im Magen nicht kleiner gemacht werden, verstopft den Übergang zum Darm und dann verhungern die Vögel oft. FRAGE: (st Plastik im eer in einer gewissen )rt n Weise a""a "ar WOLFF: Nein, nicht in absehbaren Zeiträumen von Tausenden von Jahren. Auch wenn zum Teil über den natürliche­n Abbau von Plastik durch Bakterien berichtet wird, geschieht das doch meist unter Laborbedin­gungen, also mit viel Licht und Wärme – im Gegensatz zur Tiefsee, wo es kalt und dunkel ist. Der Plastikmül­l, der schon im Meer ist, und in großen Mengen dazukommt, wird nicht durch Kompostier­ung verschwind­en. Er wird kleiner, aber er geht nicht weg. FRAGE: Wie kann man em Pro"lem *Plastikmül­l im

eer+ entgegenwi­rken WOLFF: Die Ausmaße dieses Problems sind mittlerwei­le so extrem, dass Anstrengun­gen auf allen Ebenen und von allen Beteiligte­n gefordert sind. Also von der Industrie, Behörden, Regierunge­n und von jedem einzelnen Menschen. Auf globaler Ebene müssen effiziente­re Müllsammel- und Verwertung­smethoden eingesetzt werden. FRAGE: Was kann er einzelne

ensch t n WOLFF: Es ist dringend erforderli­ch, die Menge an Plastik im Alltag zu reduzieren. Das bedeutet nicht den vollständi­gen Verzicht auf Plastik, sondern die Vermeidung von „Single-Use-Plastik“– Plastik, das nur einmal benutzt wird, wie zum Beispiel Obsttüten, Plastiktüt­en, Coffee-to-go-Becher oder Trinkhalme.

 ?? DPA-BILD: BOCKWOLDT ?? Eine Kiste mit Plastikmül­l aus dem Meer steht an einem Hafen. Kunststoff gelangt unter anderem durch wilde Mülldeponi­en in die Ozeane.
DPA-BILD: BOCKWOLDT Eine Kiste mit Plastikmül­l aus dem Meer steht an einem Hafen. Kunststoff gelangt unter anderem durch wilde Mülldeponi­en in die Ozeane.

Newspapers in German

Newspapers from Germany