Neuer nimmt Kollegen in Pflicht
Kapitän erwartet Reaktion der Mannschaft nach iederlage gegen Mexiko
Der Torwart berichtete von einer deutlichen Aussprache. Es sei aber nicht so einfach, den Hebel nun umzulegen.
SOTSCHI Die Nerven sind angespannt, der Appell des Kapitäns ist deutlich: Trotz einer schonungslosen Krisenaufarbeitung noch in Watutinki nahm der angeschlagene Weltmeister Deutschland viele Fragezeichen mit in den nächsten WM-Spielort Sotschi. Vor dem zweieinhalbstündigen Flug am Dienstag von Moskau an die russische Schwarzmeer-Küste hatte sich die Mannschaft lange über die derzeitigen sportlichen sowie atmosphärischen Defizite ausgetauscht und dabei „ehrlich die Meinung gesagt“, berichtete Manuel Neuer. Der Anführer der Weltmeister-Generation traf wegen der Mammutsitzung fast eine Stunde verspätet bei der DFB-Pressekonferenz ein.
Neuer und seine Kollegen sind sich vier Jahre nach dem triumphalen WM-Gewinn in Brasilien der Gefahr bewusst, als erstes deutsches Team schon nach einer WM-Vorrunde nach Hause zu fahren. „Wir haben ab jetzt nur noch Finals. Jetzt muss von uns Spielern was kommen. Wir müssen das zeigen, was uns in der Vergangenheit so stark gemacht hat“, sagte der Kapitän. Er fasste die wichtigste Botschaft an die besorgte Fußball-Gemeinde in der Heimat zusammen: „Wir sind unsere schärfsten Kritiker.“
Die Muster der Fehlleistungen sind seit der souveränen WM-Qualifikation mit zehn Siegen in zehn Spielen immer gleich: Das Offensivkonzept von Bundestrainer Joachim Löw über extrem nach vorn orientierte Außenverteidiger geht auf Kosten der defensiven Stabilität. Die Weltmeister Toni Kroos und Sami Khedira konnten beim 0:1-Schock gegen Mexiko in der Mittelfeld-Schaltzentrale nicht die nötige Balance herstellen.
„EsistamEndeein Gemisch“, bemerkte Manager Oliver Bierhoff. Und das macht die Situation vor dem Duell gegen die kantigen Schweden so besonders brisant. Die Skandinavier sind nach ihrem Auftaktsieg gegen Südkorea (1:0) in einer komfortablen Situation. „Für mich geht es eher darum: Habe ich die Bereitschaft, das Turnier hundertprozentig anzugehen?“, sagte Neuer: „Diese Bereitschaft war beim ersten Gruppenspiel nicht zu 100 Prozent da, wie man es aus den anderen Turnieren kannte.“Die Diskussionen laufen intensiv, berichtete auch Bierhoff, warnte aber zugleich vor Hektik: „Die Kunst liegt jetzt darin, Ruhe zu bewahren.“Ruhe heiße aber nicht „Zurücklehnen und Gelassenheit und zu glauben, dass wir als Weltmeister das zweite Spiel gewinnen“, sagte der Manager.
Den Hebel jetzt einfach umzulegen, sei nicht so einfach, unterstrich Neuer: „Wir müssen daran arbeiten und uns auch außerhalb des Platzes damit auseinandersetzen und uns auch Sachen ehrlich ins Gesicht sagen.“Der Redebedarf im DFB-Vorzeigeteam sei derzeit so groß wie noch nie zuvor in seiner Zeit als Nationalspieler, verriet der 32Jährige: „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund.“
Offenbar gibt es unterschiedliche Meinungen über die Interpretation von Löws WM-Spielkonzept. „Wichtig ist, das wir alle an einem Strang ziehen und nach einem Muster spielen und zu 100 Prozent die Vorgaben umsetzen“, forderte Neuer. Entschlossen verneinte er die Frage nach einer Spaltung im Team zwischen den erfahrenen Weltmeistern und den jüngeren, aufstrebenden Confed-Cup-Siegern. „Die Zweiteilung gibt es nicht. Wir sind eine Mannschaft, und es gibt auch keine Spaltung.“