Uerkel ist erpressbar geworden
Für Zugeständnisse der EU beim Asyl muss die Kanzlerin teuer bezahlen
Die Erleichterung hielt nur einen Tag. Kaum war der französische Staatspräsident wieder aus Berlin abgereist, wurde am Mittwoch deutlich, dass die Kanzlerin sich die Rücknahmegarantie für Asylbewerber aus dem befreundeten Nachbarland teuer erkaufen musste.
Zwar konnte sich Emmanuel Macron nicht in allen Punkten mit seinen Vorstellungen zur Reform der Währungsunion durchsetzen, doch Angela Merkel hatte Positionen zu räumen, die bisher in Berlin als ehernes Gesetz galten. Zum Beispiel bei der Haftung für Risiken maroder Banken in Europa. „Solidarität und Umverteilung werden ausgebaut, aber die Auflagen aufgeweicht“, analysierte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Clemens Fuest. Beobachter in Brüssel befürchten, dass dies erst der Auftakt war.
Allzu groß ist die Zahl der Freunde Deutschlands in Europa nämlich nicht. Auf dem Höhepunkt der Finanzund Staatsschuldenkrise waren es die Bundeskanzlerin und ihr damaliger Finanzminister, die strikt auf solide Haushalte bestanden. Auch wenn diese Politik der Stabilisierung dienen sollte, wurde sie als Spardiktat verunglimpft. Doch die erzwungene
Einsicht in die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen zur Sicherung der Etats hat tiefe Spuren hinterlassen.
Nun steht Angela Merkel mit dem Rücken zur Wand, weil sie Paris, Athen, Wien, Sofia, Rom und Madrid braucht, um eine wenigstens ansatzweise europäische Lösung im Asylstreit zu bekommen. Merkels Not ist die Chance der anderen. Sie wollen offenbar die Gunst der
Stunde für sich nutzen. Dabei geht es vor allem um die Projekte, die Berlin bislang aus guten Gründen blockierte – oder zumindest in die Länge zog: von der Einlagensicherung bis zur Vergemeinschaftung der Risiken für marode Geldinstitute. Gemeint ist die letzte Säule der sogenannten Bankenunion, die Berlin zwar nie infrage stellte, aber doch erst dann zulassen wollte, wenn jeder seine Risiken beseitigt hat.
Nun muss sich Merkel auf Gegengeschäfte einlassen: Flüchtlinge gegen Schuldenerleichterungen. Dass ausgerechnet der griechische Regierungschef Alexis Tsipras als erster versprach, Deutschland entgegenzukommen, ist insoweit verständlich. In wenigen Wochen läuft das letzte Hilfsprogramm aus. Dann will Athen die deutsche Zustimmung, um seinen Schuldenberg zu reduzieren.
Merkels Dilemma besteht vor allem darin, dass sie die EU-Partner braucht, um die aufbegehrende CSU auszubremsen. Geht sie aber auf die Erwartungen der europäischen Verbündeten ein, riskiert sie nur neuen Ärger zu Hause. Für eine vorgezogene Einlagensicherung beispielsweise ist die Zustimmung des Bundestages nötig. Das dürfte illusorisch sein: Die Angst der Parlamentarier, für marode Geldinstitute im Süden der Union haften zu müssen, ist viel zu groß. Dabei weiß die Kanzlerin auch, dass sie Gefahr läuft, in eine weitere Falle zu tappen. Denn die Vorstellung, mit bestimmten EU-Familienmitgliedern bilaterale Abkommen zu vereinbaren, führt zu einer Entmachtung der EU.
Zwischenstaatliche Vereinbarungen sind Gift für die Gemeinschaft. Weil dadurch jene europäischen Kompromisse torpediert werden. Doch es sieht nicht so aus, als habe Merkel eine andere Wahl.
Autor dieses Beitrages ist Detlef
Drewes. Als Korrespondent berichtet er für diese Zeitung über EU und Nato aus Brüssel und Straßburg. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de