„Opposition in der Türkei ist gestärkt“
)er Oppositionelle Can )ündar über die Wahlchancen Erdogans
FRAGE: Herr Dündar, Hunderttausende Türken haben in Deutschland schon ihre Stimme bei der Präsidentschaftswahl ab e eben. Sie auch? DÜNDAR: Das wäre keine gute Idee gewesen! Das Konsulat in Berlin ist türkisches Territorium. Wäre ich dort aufgetaucht, hätte man mich wegen des Haftbefehls gegen mich sofort festgenommen, in die Türkei gebracht und hinter Gitter gesteckt. FRAGE: An diesem Sonnta wird in der Türkei ewählt. Erreicht Erdo an leich in der ersten Runde die absolute Mehrheit und sichert sich den Amtsverbleib? DÜNDAR: Er setzt alles daran und versucht verzweifelt, am
Sonntag die Wahl für sich zu entscheiden. Es wird sehr knapp. Wenn er in die Stichwahl müsste, würde sich die Opposition hinter einem Kandidaten versammeln und hätte große Chancen auf den Sieg. Erstmals seit Jahren weht ein kräftiger Wind der Veränderung durch die Türkei, es könnte ein Sturm werden, der Erdogan fortbläst. FRAGE: Und wenn der Wind abflaut und Erdo an wieder ewinnt? DÜNDAR: Dann ist er am Ziel, erhält durch die neue Verfassung enorme Machtbefugnisse und kann getrost, wie er es angekündigt hat, den Notstand zwei Jahre nach dem gescheiterten Putschversuch wieder beenden. Jetzt braucht er den Ausnahmezustand noch, um die Wahl zu gewinnen. Sobald die neue Verfassung in Kraft ist, wird der Ausnahmezustand zur Normalität. Dann ist es mit der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz vorbei. Universitäten, Medien und die Wirtschaft sind dann nicht mehr frei. FRAGE: Dann wird die Türkei zur Diktatur? DÜNDAR: Ganz so weit wird es hoffentlich nicht kommen. Die Opposition ist gestärkt. Der Kandidat der sozialdemokratischen CHP, Muharrem Ince, wird ein echter Machtfaktor. Eine breite Allianz steht hinter ihm. Auch wenn Erdogan gewinnt, dürfte er große Schwierigkeiten bekommen durchzuregieren. Auch die Wirtschaft wird die Füße nicht stillhalten.