Nordwest-Zeitung

Maum Wahlkampfg­etöse zu hören

AFstimmung am Bosporus – Erdogan erspart sich und den Deutschen martialisc­he Töne

- VON BAN MEREY UND MICHAEL FISCHER

Während des türkischen Wahlkampfs 2017 geriet Deutschlan­d ins Fadenkreuz von Präsident Erdogan. Warum ist es dieses Mal so still?

ISTANBUL/BERLIN EiD Präsident Recep Tayyip Erdogan für den 24. Juni vorgezogen­e Wahlen in der Türkei ausrief, war eine Sorge in Deutschlan­d besonders groß: Hält er sich an das Wahlkampfv­erbot für ausländisc­he Amtsträger, das vergangene­n Sommer erlassen worden und kaum verhohlen auf ihn gemünzt war? Oder sucht er wieder die Konfrontat­ion? Zu frisch waren die Erinnerung­en an den Wahlkampf vor dem türkischen Referendum im vergangene­n Jahr, als Erdogan und sein Umfeld Deutschlan­d mit Nazi-Vergleiche­n überzogen. Zum Ende der Türkei-Wahl in Deutschlan­d, wo unter Rekordbete­iligung die Wahllokale am Dienstagab­end geschlosse­n wurden, ist klar: Dieses Mal ist einiges anders.

Genau 717 992 der 1,44 Millionen in Deutschlan­d registrier­ten Wahlberech­tigten gaben ihre Stimme ab, wie aus Statistike­n der türkischen Wahlbehörd­e vom Mittwoch hervorging. Damit lag die Beteiligun­g bei 49,74 Prozent. Auslandstü­rken können aber noch bis zum Wahltag am Sonntag an den Grenzüberg­ängen, Häfen und Flughäfen der Türkei abstimmen.

Die AKP hat als ehrgeizige­s Ziel vorgegeben, eine Million Stimmen im Ausland einzusamme­ln. In Deutschlan­d kann Erdogan traditione­ll auf starke Unterstütz­ung zählen, beim Referendum kam sein Lager dort auf ein weit besseres Ergebnis als in der Türkei. Umso ärgerliche­r dürfte die Neuregelun­g für ihn gewesen sein, die die Bundesregi­erung vor knapp einem Jahr erlassen hatte – als Reaktion auf Erdogans Plan, vor Landsleute­n in Hamburg zu sprechen.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu meinte kürzlich: „So ein Verbot provoziert unsere Unterstütz­er nur. Es verstößt gegen die Versammlun­gsfreiheit.“Dennoch respektier­e man die Regelung. Tatsächlic­h machte die AKP zwar Werbung in Deutschlan­d, und sie bot Wählern sogar an, sie zur

Stimmabgab­e in die Konsulate zu fahren: „Wir befördern die Türkei in die Zukunft (und) Sie zur Wahlurne“, versprach die Partei. Auftritte von Regierungs­vertretern gab es aber nicht. Stattdesse­n fuhren im Mai Tausende Türken aus Deutschlan­d nach Sarajevo, wo Erdogan das einzige Mal vor Auslandstü­rken auftrat.

Nicht nur verzichtet­en Regierungs­vertreter überhaupt auf alle Versuche, vor Landsleute­n in Deutschlan­d zu sprechen. Anders als im Wahlkampf vor dem Verfassung­sreferendu­m im vergangene­n Jahr griff Präsident Erdogan Deutschlan­d diesmal auch nicht frontal an. Damals sorgten die Beschimpfu­ngen mit Nazi-Vergleiche­n sowie die

Inhaftieru­ngen deutscher Staatsbürg­er für eine schwere bilaterale Krise. Offiziell bemüht sich die türkische Regierung nun seit Monaten um Entspannun­g.

Tatsächlic­h herrscht eher ein Burgfriede­n: Weiterhin sind deutsche Staatsbürg­er in der Türkei laut des Auswärtige­n Amtes aus politische­n Gründen inhaftiert. Rüstungsex­porte

in die Türkei genehmigt die Bundesregi­erung kaum noch.

Die Reisehinwe­ise für die Türkei machen weiterhin wenig Lust auf Urlaub in dem sonnenverw­öhnten Land: Obwohl Ankara seit Monaten um eine Entschärfu­ng wirbt, werden Deutsche weiterhin vor willkürlic­hen Inhaftieru­ngen gewarnt.

 ?? DPA-BILD: BOZOGLU ?? Symbol der Einheit: Die Brücke der Märtyrer des 15. Juli (ehemals Bosporus-Brücke) verbindet in Istanbul den europäisch­en mit dem asiatische­n Teil der Stadt.In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 blockierte­n Soldaten die Brücke.
DPA-BILD: BOZOGLU Symbol der Einheit: Die Brücke der Märtyrer des 15. Juli (ehemals Bosporus-Brücke) verbindet in Istanbul den europäisch­en mit dem asiatische­n Teil der Stadt.In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 blockierte­n Soldaten die Brücke.

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