Maum Wahlkampfgetöse zu hören
AFstimmung am Bosporus – Erdogan erspart sich und den Deutschen martialische Töne
Während des türkischen Wahlkampfs 2017 geriet Deutschland ins Fadenkreuz von Präsident Erdogan. Warum ist es dieses Mal so still?
ISTANBUL/BERLIN EiD Präsident Recep Tayyip Erdogan für den 24. Juni vorgezogene Wahlen in der Türkei ausrief, war eine Sorge in Deutschland besonders groß: Hält er sich an das Wahlkampfverbot für ausländische Amtsträger, das vergangenen Sommer erlassen worden und kaum verhohlen auf ihn gemünzt war? Oder sucht er wieder die Konfrontation? Zu frisch waren die Erinnerungen an den Wahlkampf vor dem türkischen Referendum im vergangenen Jahr, als Erdogan und sein Umfeld Deutschland mit Nazi-Vergleichen überzogen. Zum Ende der Türkei-Wahl in Deutschland, wo unter Rekordbeteiligung die Wahllokale am Dienstagabend geschlossen wurden, ist klar: Dieses Mal ist einiges anders.
Genau 717 992 der 1,44 Millionen in Deutschland registrierten Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, wie aus Statistiken der türkischen Wahlbehörde vom Mittwoch hervorging. Damit lag die Beteiligung bei 49,74 Prozent. Auslandstürken können aber noch bis zum Wahltag am Sonntag an den Grenzübergängen, Häfen und Flughäfen der Türkei abstimmen.
Die AKP hat als ehrgeiziges Ziel vorgegeben, eine Million Stimmen im Ausland einzusammeln. In Deutschland kann Erdogan traditionell auf starke Unterstützung zählen, beim Referendum kam sein Lager dort auf ein weit besseres Ergebnis als in der Türkei. Umso ärgerlicher dürfte die Neuregelung für ihn gewesen sein, die die Bundesregierung vor knapp einem Jahr erlassen hatte – als Reaktion auf Erdogans Plan, vor Landsleuten in Hamburg zu sprechen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu meinte kürzlich: „So ein Verbot provoziert unsere Unterstützer nur. Es verstößt gegen die Versammlungsfreiheit.“Dennoch respektiere man die Regelung. Tatsächlich machte die AKP zwar Werbung in Deutschland, und sie bot Wählern sogar an, sie zur
Stimmabgabe in die Konsulate zu fahren: „Wir befördern die Türkei in die Zukunft (und) Sie zur Wahlurne“, versprach die Partei. Auftritte von Regierungsvertretern gab es aber nicht. Stattdessen fuhren im Mai Tausende Türken aus Deutschland nach Sarajevo, wo Erdogan das einzige Mal vor Auslandstürken auftrat.
Nicht nur verzichteten Regierungsvertreter überhaupt auf alle Versuche, vor Landsleuten in Deutschland zu sprechen. Anders als im Wahlkampf vor dem Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr griff Präsident Erdogan Deutschland diesmal auch nicht frontal an. Damals sorgten die Beschimpfungen mit Nazi-Vergleichen sowie die
Inhaftierungen deutscher Staatsbürger für eine schwere bilaterale Krise. Offiziell bemüht sich die türkische Regierung nun seit Monaten um Entspannung.
Tatsächlich herrscht eher ein Burgfrieden: Weiterhin sind deutsche Staatsbürger in der Türkei laut des Auswärtigen Amtes aus politischen Gründen inhaftiert. Rüstungsexporte
in die Türkei genehmigt die Bundesregierung kaum noch.
Die Reisehinweise für die Türkei machen weiterhin wenig Lust auf Urlaub in dem sonnenverwöhnten Land: Obwohl Ankara seit Monaten um eine Entschärfung wirbt, werden Deutsche weiterhin vor willkürlichen Inhaftierungen gewarnt.