Hoffnung auf Einigkeit bleibt gering
Beim Asyl-Spitzentreffen am Sonntag wird nicht mit konkreten Ergebnissen gerechnet
Kanzlerin Merkel steht vor allem innenpolitisch unter Druck. Dennoch dämpfte sie vorab die Erwartungen.
BRÜSSEL Große Hoffnungen knüpft inzwischen niemand mehr an den europäischen Mini-Gipfel zum Thema Asyl am Sonntag. Zwar hatten bis zum Freitagabend überraschend 16 Staats- und Regierungschefs ihr Kommen nach Brüssel zugesagt. Aber trotzdem soll es sich nur um ein „Beratungs- und Arbeitstreffen“handeln – ohne konkrete Beschlüsse.
Auch wenn die deutsche Kanzlerin massiv unter Druck steht – am Freitag war sie es, die die Erwartungen an das europäische Spitzentreffen zum Thema Asyl dämpfte. „Es handelt sich in Brüssel um ein Beratungs- und Arbeitstreffen, bei dem es keine Beschlüsse geben wird“, sagte sie. Und auch beim eigentlichen EU-Gipfel Ende kommender Woche könne kein „gesamtes Migrationspaket“verabschiedet werden. Deshalb gehe es am Sonntag im Kreis der besonders betroffenen Mitglieder lediglich darum, über „alle Fragen der Migration zu sprechen“.
Tatsächlich hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der auf Initiative Merkels zum Essen eingeladen
hatte, seinen Entwurf für eine Abschlusserklärung wieder in der Schublade verschwinden lassen. Nicht nur weil Italiens Premierminister Giuseppe Conte sich weigerte, ins Flugzeug zu steigen, falls ein vorbereitetes Papier abgenickt werden sollte.
In Brüssel fürchtet man darüber hinaus eine weitere Vertiefung der Spaltung zwischen den anwesenden Staatenlenkern und denen, die nicht kommen wollen. Auch wenn der Kreis der Teilnehmer immer größer wird.
Zu wichtig ist das Thema, zu weitgehend, was da möglicherweise in Sachen Asyl auf
den Weg gebracht werden könnte. Dabei zeichneten sich erste gemeinsame Linien ab. Es gibt praktisch keinen Widerspruch gegen das Vorhaben, den bisherigen Grenzund Küstenschutz der Union bis 2020 auf 10000 Beamte aufzustocken und zur echten Grenzpolizei auszubauen.
Auch die Zentren auf dem Boden befreundeter Drittstaaten, in denen Zuwanderer und schiffbrüchige Flüchtlinge aus dem Mittelmeer betreut und registriert sowie ihr Asylgesuch geprüft werden soll, sind unwidersprochen. Die Mitgliedstaaten fürchten lediglich, dass die Verhandlungen
mit den Regierungen der Nicht-EU-Länder zu lange dauern könnten.
Der eigentliche Knackpunkt aber bleibt die nicht nur von Italien geforderte Neufassung der Dubliner Verfahrensregeln. Rom will das bisherige Prinzip des Erstlandes, das für einen Ankömmling zuständig ist, aufgeben. Damit entfiele auch die von der CSU so penetrant gewollte Zurückweisung der Hilfesuchenden, die bereits irgendwo anders erfasst wurden.
Die einzige Lösung wäre eine Quote. Aber einen solchen Verteilschlüssel wollen nicht mal alle diejenigen haben, die am Sonntag nach Brüssel reisen. Obwohl die vielzitierte „europäische Lösung“in aller Munde ist.
Angela Merkel wird also mit großer Sicherheit vergeblich auf ein vorzeigbares Ergebnis warten, mit dem sie einen nationalen Abschottungs-Alleingang ihres CSUInnenministers Horst Seehofer abwehren könnte. Der für Migration zuständige EUKommissar Dimitris Avramopoulos sagte im Vorfeld des sonntäglichen Treffens, mit Entscheidungen sei nicht vor dem Jahresende zu rechnen. Das wäre für den Machtkampf in Berlin wohl zu wenig.