Was erwartet Merkel beim Asyltreffen in Brüssel?
Uneiniges Europa 6 Ideen zum Umgang mit Flüchtlingen gehen weiter auseinander
BRÜSSEL Vor dem informellen Treffen zur Asylpolitik in Europa am Sonntag gehen die Vorstellungen weit auseinander. Eine Rücknahme von Flüchtlingen ist – wie schon die Umverteilung zuvor – heftig umstritten. Ein Überblick: c ITALIEN
In Rom ist der Unmut über Berlin groß. Regierungschef Giuseppe Conte erklärt, er habe Bundeskanzlerin Merkel deutlich gemacht, dass er nur komme, wenn es keinen von Deutschland und Frankreich vorgefertigten Text gebe. Es erscheint fraglich, dass Merkel ein bilaterales Abkommen mit dem Land zur Rücknahme von Migranten gelingen kann.
ÖSTERREICH
Kanzler Sebastian Kurz fordert seit Langem eine deutliche Wende in der Asylpolitik. Er sieht kaum Chancen für eine europäische Lösung und ist bereit für nationale Alleingänge. Aus seiner Sicht hat Merkel die Misere verschuldet. Seine zentrale Forderung: Wirksamer Schutz der EUAußengrenzen.
DÄNEMARK
Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen setzt sich gemeinsam mit der österreichischen Regierung dafür ein, dass Asylbewerber in Auffang- und Abschiebelagern in einem „nicht besonders attraktiven“europäischen Land außerhalb der EU untergebracht werden.
FRANKREICH
Vom wichtigsten Partner bekam Merkel im Asylstreit Rückendeckung.
Staatschef Emmanuel Macron versicherte, sein Land sei bereit, in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Mit Italien hat Frankreich seit über 20 Jahren eine Vereinbarung zur Zurückweisung von Migranten.
MALTA
Wie sich Malta mit Blick auf bilaterale Abkommen positionieren wird, ist unklar. Wie andere Staaten an der Außengrenze Europas ist der kleinste EU-Staat für eine Überwindung des Dublin-Systems. Zwar kamen in den vergangenen Jahren kaum Bootsflüchtlinge in Malta an – 2017 waren
es laut UNHCR gerade mal 23. Allerdings entschied das Land im vergangenen Jahr 815 Asylanträge positiv, was pro Kopf mehr waren als in Italien oder Frankreich.
BULGARIEN
Der Balkanstaat, der die EURatspräsidentschaft inne hat, hat für den EU-Gipfel in der kommenden Woche eigene Vorschläge angekündigt. Details wurden nicht genannt. Bulgarien ist Transitland – Flüchtlinge wollen selten im ärmsten EU-Land bleiben. 2017 haben 3700 Migranten Asyl in Bulgarien beantragt, in den ersten fünf Monaten 2018 waren es 492. Die Aufnahmestellen
sind nur zu 20 Prozent belegt.
BELGIEN
Belgien war in der Vergangenheit mit einer verpflichtenden Quote zur Umverteilung von Flüchtlingen über alle EUStaaten einverstanden. Den Vorschlag von EU-Ratspräsident Tusk, aus Seenot gerettete Flüchtlinge zu zentralen Sammelpunkten außerhalb Europas zu bringen, wollte Premierminister Michel noch analysieren.
SPANIEN
Der linke neue Ministerpräsidenten Pedro Sánchez hat durchklingen lassen, bereitwilliger
als bisher Flüchtlinge aufzunehmen. Erst vor wenigen Tagen hatte das Land das von Italien abgewiesene Rettungsschiff Aquarius mit 630 Migranten anlanden lassen. Medien sehen die spanische Migrationspolitik als Vorbild für Brüssel: Bereits zwischen 2006 und 2008 hatte das Land Abkommen mit Herkunftsländern wie Senegal, Mauretanien, Mali oder Niger unterzeichnet. Dafür sicherte Spanien wirtschaftliche Unterstützung, eine kleine Zahl regulärer Einreisevisen und Arbeitsgenehmigungen zu. c GRIECHENLAND
Regierungschef Tsipras wiederholt bei jeder Gelegenheit, die Migrationskrise sei „nur mit europäischer Solidarität zu bewältigen“. Beobachter erwarten, dass er sich am Wochenende nicht gegen eine Lösung sperren wird. Zudem ist eine Destabilisierung Deutschlands und der Bundesregierung auf keinen Fall im Interesse Griechenlands.
NIEDERLANDE
Einerseits ist das Land gegen die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU – schon weil das auch erheblich den Handel belasten könnte. Auf der anderen Seite will Ministerpräsident Mark Rutte auch verhindern, dass nur einige wenige Länder wie Deutschland, Schweden oder die Niederlande die Lasten tragen. Die Niederlande sind daher für Asylzentren außerhalb der EU-Grenzen nach dem Vorbild des TürkeiDeals, auch wenn das mehr Geld kostet. Rutte sieht sich als ein möglicher Vermittler im Asylstreit.