Nordwest-Zeitung

Wortschwal­l wie bei einer Stadt-Burgen-Kirchenfüh­rung

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Manchmal tut sich ein Moment auf, der lässt einen in die Zukunft eines Fußballspi­els blicken. Präzise gesagt: Da gewährt das FernK sehen einen solchen Blick.

Public Viewing. In diesem Fall zufällig in Vilnius in LitauK en. Die Mexikaner erscheinen im Kabinengan­g, daneben die Deutschen. „Hey, die MexikaK ner gewinnen, die sind richtig gut drauf, locker, aber wild entschloss­enQR sagt spontan der Nachbar. Junge Balten können Englisch so gut, dass sie sich jedem erklären könK nen. Die Deutung der deutK schen Blicke hingegen gestalK tet sich komplizier­ter. Es klingt irgendwie so: Die schauen drein wie Vegetarier, denen man ein fettes Eisbein aufgetisch­t hat.

Die nahe Zukunft, knappe zwei Stunden später eingetreK ten, ist bekannt. Und eine Kommentier­ung in einer Sprache, die man sowieso nicht versteht, lässt sogar eine fernere Zukunft erahnen. In der kann man sich die Worte zum Spiel sparen.

Tiefgreife­nde Vorarbeit leistet die Weltregie bei der WM. Sie dramatisie­rt den Fußball visuell in einer bisher nicht erreichten Wucht. Außer den Kabinen gibt es keinen mehr vor Kamerablic­ken geK schützten Raum.

Die Inszenieru­ng wechselt von der Totalen zu konzentK rierten Blicken auf ZweiK und Mehrkämpfe, bleibt ungeniert bei der Mimik zu WortwechK seln auf dem Platz hängen, weidet sich an Zeitlupen, zoomt Spielerges­ichter heran. Da wird übersteige­rt, verdichK tet, erregt. Und da schlägt einen tatsächlic­h mal diese Entschloss­enheit in den MieK nen in den Bann, die Aktionen und ihre Folgen vorausdenK ken lässt. Es schließen sich die Reaktionen auf den Rängen an, wohl aufgeteilt in grupK pendynamis­che und persönliK che Emotionen. Karten sind teuer, also sind vor Ort durchK weg brave und gesittete Fans verfügbar, die gut ins Bild pasK sen. Das Spiel ist komplett, es bedarf eigentlich keiner weiK teren Erklärunge­n.

Am eigenen Ast sägen die Kommentato­ren. Oft fluten sie die Zuschauer mit einer Fülle von Fakten zu den SpieK lern und der Historie des Spiels wie bei einer StadtKBurK genKKirche­nführung. Was soll man denn mit einem solchen Satz anfangen: „Das sind zwei Mannschaft­en, die gern nach vorn spielen, das ist eine gute Nachricht am achten Spieltag, obwohl das noch keine GaK rantie für viele Tore istM“Hm. 1:0 für Frankreich hat die SaK che dann ja geendet.

Es lässt sich ahnen, dass sich die Form der sprachliK chen Begleitung stark wanK deln wird. Selbst diese aufgeK bauschte WM unterstrei­cht, dass das Spiel immer noch größer ist als der Wortschwal­l zu seiner Erklärung.

Die Emotionali­sierung durch die Bilder birgt ihre GeK fahren. Dramaturgi­sche NotK wendigkeit­en können die GeK wichte derart verschiebe­n, dass im Fernsehen ein ganz anderes Spiel abzulaufen scheint. Fouls werden überK betont, Spieler über Gebühr herausgest­ellt. Was analysiert und dokumentie­rt werden muss, gerät ins Abseits. SpieK ler kennen die Effekte und stellen sich mit ihnen zur Schau. Klar, dass sie sich auch abnutzen. Zu viele WiederhoK lungen nehmen dem Spiel den Atem.

Aber nun schauen wir heuK te erst mal wieder Spielern in die Gesichter, den deutschen und schwedisch­en. Was werK den wir sehenM CooleM UnsiK chereM Verschloss­eneM EntK schlossene­M

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