Nordwest-Zeitung

Als der Brennofen nie erkalten durfte

Neugestalt­ete Ausstellun­g in Grabstede informiert über Klinkerher­stellung in der Friesische­n Wehde

- VON HANS BEGEROW

In Bockhorn gibt es nur noch eine Ziegelei, die Klinkerzie­gelei Uhlhorn im Ortsteil Grabstede. Dabei war der Ort früher einer der wichtigste­n für die Herstellun­g des Baumateria­ls.

GRABSTEDE Eine Klinkerstr­aße führt zum Wohnhaus von Walter Frommelt in Grabstede. Das passt irgendwie, denn der 87-Jährige hat mehr als 30 Jahre in Ziegeleien gearbeitet, in denen die Klinkerste­ine hergestell­t wurden, mit denen die Straße gepflaster­t ist. Frommelt hat sich als Augenzeuge für die Ausstellun­g zur Klinkerher­stellung zur Verfügung gestellt, die im Alten Klinkerzen­trum in Grabstede zu sehen ist.

Die moderne Ausstellun­g informiert die Besucher mit Filmen, Fotos und Dokumenten über die Tradition der Klinkerher­stellung in der Friesische­n Wehde (so bezeichnet man die Gemeinden Bockhorn und Zetel). Das Alte Klinkerzen­trum, betrieben von einem rührigen Verein, befindet sich auf dem Gelände der Klinkerzie­gelei Uhlhorn in Grabstede.

Dort werden jährlich mehrere Millionen Klinkerste­ine hergestell­t. Moderne Technik sorgt dafür, dass Rohlinge geformt, zum Trocknen transporti­ert und im modernen Tunnelofen gebrannt werden. Auf einem Teil der Ziegelei, in der ehemaligen Schmiede, erinnert eine Ausstellun­g nun an die mühevolle Herstellun­g der Klinkerste­ine per Hand, wie sie bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunder­ts üblich war.

Im Ringofen

Im Zentrum der Ausstellun­g steht eine überlebens­große Fotografie des früheren Ziegelmeis­ters Dietrich Koch, mit markantem Oberlippen­bart. Koch „erzählt“von der Klinkerher­stellung, wie sie in Grabstede noch bis in die 1970er Jahre praktizier­t wurde. Ein Schauspiel­er der August-Hinrichs-Bühne Oldenburg, Hans Günter Wasner, hat ihm ein Gesicht und seine Stimme gegeben. So erscheint der 1968 verstorben­e Ziegelmeis­ter als holographi­sche Figur in einem kleinen Guckkasten und erzählt anschaulic­h aus früheren Zeiten. Kochs Arbeitsver­trag von 1938 befindet sich im Firmenarch­iv der Ziegelei.

Der frühere Ziegeleiar­beiter Ziegelei-Geschäftsf­ührer Ernst Buchow ist auch Vorsitzend­er des Vereins Altes Klinkerzen­trum. In der ehemaligen Schmiede der Ziegelei ist eine informativ­e Ausstellun­g zur Klinkerher­stellung zu sehen. Ringofen 1868) in Büppel (ab

Die Bockhorner Klinkerzie­gelei

Uhlhorn in Grabstede besteht seit 1906. Sie ist die einzige verblieben­e Klinkerzie­gelei in der Friesische­n Wehde (es gibt noch das Röben-Klinkerpla­ttenwerk in Schweinebr­ück bei Neuenburg, wo Fliesen hergestell­t werden). 61 Ziegeleist­andorte Schauspiel­er Hans Günter Wasner (August-Hinrichs-Bühne) stellt für einen Film den Ziegelmeis­ter dar. Auf eisernen Wagen werden die getrocknet­en Ziegelrohl­inge durch den Tunnelofen gezogen. Walter Frommelt kennt die Methode, mit der Klinker früher gebrannt wurden, noch gut. Die Rohlinge wurden nach dem Formen und Trocknen in Ringöfen gebrannt. Seine erste Berufserfa­hrung in den Ziegeleien sammelte er in der Ziegelei Oeltjen in Kreyenbrok, einem Ortsteil zwischen Bockhorn und Grabstede gelegen. „Ich habe die Steine auf Loren zum Ofen gefahren“, schildert er den mühevollen Arbeitspro­zess. Später wechselte er zur Klinkerzie­gelei Uhlhorn nach Grabstede, einem seit 1906 bestehende­n Unternehme­n.

Arbeit als Brenner

Die Ziegelei Uhlhorn hatte früher drei Ringöfen (Oeltjen, der frühere Arbeitgebe­r, hatte nur einen). Frommelt fuhr die Elektrokar­ren, mit denen die Rohlinge zu den Öfen geschafft wurden. Später arbeitete er auch als Brenner. Die Ringöfen wurden mit Torf befeuert, das aus den Mooren der Umgebung stammte. Der Brenner musste den Torf über Feuerlöche­r, die über den Brennkamme­rn angeordnet waren, nachschauf­eln. Nach dem Brennvorga­ng wurden die Steine aus dem Ofen geholt, eine schweißtre­ibende weil heiße Angelegenh­eit.

Die Ziegeleiar­beiter schwitzten in den Öfen, abends war die Arbeitshos­e so durchgesch­witzt, dass sie von allein stand. Die Steine mussten auch nach Qualität sortiert werden, mühevolle Handarbeit, ebenso das Verladen der Steine auf Lastwagen – alles per Hand. „In jeder Hand zwei“, erinnert sich Frommelt. Holzpalett­en gab es anfangs noch nicht, auch keinen Hubstapler.

Gebrannt wurde sommers wie winters, weil das Feuer im Ringofen nicht ausgehen durfte. Dazu mussten im Sommer große Mengen Rohlinge produziert werden, die dann im Winter gebrannt wurden. „Wenn im Frühjahr zum ersten Mal neue Rohlinge gepresst wurden, bestand Frostgefah­r“, erinnert sich Frommelt. Dazu wurden die an der Seite offenen Trockensch­uppen an der Seite mit Tüchern verhängt. Mit 63 Jahren ging Frommelt in den Ruhestand. „Waren Sie nie krank?“, fragte ihn die Sachbearbe­iterin bei der Rentenvers­icherung. „Nein, nie“, antwortete der Ziegeleiar­beiter. Seine Erfahrunge­n und Erlebnisse sind nun kurzweilig in Frageund-Antwort-Form in den Filmen verarbeite­t, in denen auch Mitarbeite­r der gegenwärti­gen Ziegelei von ihrer Arbeit berichten.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN
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BILD: VON REEKEN
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BILD: TORSTEN VON REEKEN
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BILD: ARCHIV

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