Nordwest-Zeitung

Mit der Nostalgieb­ahn durch die Heide

8wischen Lüneburg und Bleckede auf alten Strecken unterwegs – Haltestell­e im Wald

- VON VERENA WOLFF

Bahnfahren wie in den 1960er Jahren. Mit dem Komfort von damals und mit einem Schaffner, der noch richtige Papp-Billets ausgibt und mit seiner Zange locht.

BÜNEBURG Gäbe es einen neuen Rotkäppche­n-Film, er könnte in Neu-Neetze gedreht werden. Man sieht das Mädchen aus dem Märchen hier förmlich auf seinem langen Weg durch den dichten Mischwald spazieren, die rote Mütze auf dem Kopf und den Korb in der Hand. Vom bösen Wolf oder einem Haus mit Großmutter ist allerdings nichts zu sehen. Dafür steht ein Schild im Wald: „NeuNeetze“. Es ist eine Haltestell­e. „Wahrschein­lich die am schlechtes­ten erreichbar­e Haltestell­e weit und breit“, sagt Hans Dierken.

Neun Haltepunkt­e

Dierken muss es wissen, denn er sorgt mit dem Verein Bleckeder Kleinbahn dafür, dass an manchen Sommerwoch­enenden hier der Heide-Express hält. Zumindest stoppt der Zug immer dann, wenn jemand an der Haltestell­e mitten im niedersäch­sischen Wald steht oder einer der Fahrgäste Bescheid gibt, dass er hier aussteigen möchte.

Neun Haltepunkt­e gibt es an der Strecke von Lüneburg nach Bleckede – so heißt der kleine Ort, der das Ende der Trasse markiert. Zu beiden Seiten der Elbe liegt die Gemeinde, durch die zahlreiche Fahrradweg­e führen. Auch viele Passagiere, die in den Heide-Express steigen, haben ein Fahrrad dabei. Darum wird hinter den Triebwagen auch immer ein leerer Wagen für die Zweiräder gehängt. Die Beförderun­g ist umsonst, für die Verladung stehen helfende Hände bereit.

Am Bahnhof Lüneburg läuft alles in Ruhe ab – die Bahn hat zwar einen Fahrplan,

aber sie muss keinen Takt einhalten, da kommt es auf eine oder zwei Minuten nicht an. Und für viele Fahrgäste ist ohnehin der Weg das Ziel. „Wir wollen das Zugfahren wieder so genießen, wie es vor langer Zeit war“, sagt zum Beispiel Fahrgast Richard Bolek, der mit seinen Kindern unterwegs ist. Da rumpelt es ein bisschen in dem Wagen, die Sitze sind einfach, aber bequem – von technische­m Schnicksch­nack keine Spur. Stattdesse­n: Bahnfahren wie in den 1960er Jahren. Mit dem Komfort, den

es damals gab, und mit einem Schaffner, der noch richtige Papp-Billets ausgibt und mit seiner Zange locht.

Dass der Zug überhaupt fährt, ist dem Verein Arbeitsgem­einschaft Verkehrsfr­eunde Lüneburg zu verdanken. Denn die Strecke, die einst der Osthannove­rschen Eisenbahn gehörte und stillgeleg­t werden sollte, ist für einen symbolisch­en Preis an den Verein übergegang­en. Nun sind die rund 130 Mitglieder Besitzer von mehreren Schienenki­lometern und 20 Fahrzeugen: Dieselloks, Personenwa­gen, Triebwagen­anhänger, Güterund Gepäckwage­n. „Allerdings sind nicht alle diese Fahrzeuge momentan betriebsfä­hig und müssen zum

Teil noch aufgearbei­tet werden“, sagt Hans Dierken, der Vereinsvor­sitzender ist.

Der Heide-Express fährt im Sommer immer am ersten und dritten Sonntag eines Monats. Vereinsmit­glieder sind als Lokführer und im Service, vor und hinter den Kulissen aktiv. Viele von ihnen sind vom Fach. Noch dazu sind sie speziell auf diese Bahn geschult worden.

Beliebte Züge

Hans Dierken selbst ist Maschinenb­auingenieu­r, aber die Faszinatio­n für die Bahn gibt es bei ihm schon lange: „Das hat bei mir schon als kleiner Junge angefangen, als diese Züge noch vor unserer

Haustür entlangfuh­ren.“Und so bohrt, feilt und hämmert er mit anderen Vereinsmit­gliedern nun in seiner Freizeit an den Wagen herum.

Lüneburg-Bleckede ist nicht die einzige Strecke, die bedient wird. Von Mitte Juli bis Anfang September geht es jeden Mittwoch auch hinein in die Landschaft der Lüneburger Heide. Dann rangieren die Vereinsmit­glieder so lange im Depot, bis sie an eine Diesellok drei Waggons hängen und den Bispinger Heide-Express starten können.

Ob es 23 Kilometer weit in Richtung Osten nach Bleckede am Rand der Heide geht oder 40 Kilometer südwestlic­h nach Bispingen: Die beiden alten Züge sind bei Einheimisc­hen und Touristen sehr beliebt. Allerdings erschrecke­n sich Hasen, Rehe und Pferde mitunter, wenn Lokführer Markus Stoltenber­g ein schrilles Signal vor einem der meist unbeschran­kten Bahnübergä­nge auslöst.

An die Strecke können sich viele Bewohner noch erinnern und an die Zeit, als die Züge noch im Takt fuhren und auch entlegener­e Orte mit Lüneburg verbanden. „Vielleicht kommen diese Zeiten wieder“, sagt Vereinsche­f Dierken. Die Anfänge jedenfalls sind gemacht.

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DPA-BILDER: TOBIAS LOBACH/VERENA WOLFF Klein, rot und altertümli­ch: Der Nostalgiez­ug in der Lüneburger Heide nimmt Touristen mit. Kleines Bild unten: Ein Schaffner locht wie früher das Ticket für den Heide-Express mit einer Zange.
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