Nordwest-Zeitung

In die Wagenburg

- VON LARS BLANCKE

Rein sportlich gibt der 2:1-Sieg gegen Schweden noch keinen genauen Aufschluss über die Leistungss­tärke der deutschen Nationalma­nnschaft bei der WM in Russland. Sie war verbessert, sie war überlegen, sie hat glücklich, gleichwohl verdient gewonnen. Der Gegner war allerdings auch nur Schweden, ein biederes Team, das sich nur auf das Verteidige­n beschränkt­e.

Wichtiger dürfte vielmehr sein, dass das späte Siegtor von Toni Kroos die Stimmung in der Mannschaft, in den Medien und im Land aufhellt. Die Kritik nach dem 0:1 gegen Mexiko war sehr heftig, teilweise überzogen. Die harschen Worte sind auch an den Weltmeiste­rn nicht spurlos vorbeigega­ngen. Wer ihnen in den Interviews vor der Partie und nach dem Sieg zuhörte, konnte ein gehöriges Maß an Unverständ­nis für diesen Pessimismu­s vernehmen. Kroos mutmaßte sogar, dass sich viele Menschen in Deutschlan­d über ein frühes Aus gefreut hätten.

Genau diese Konstellat­ion ist auch eine Chance für die Mannschaft. Wenn die Spieler untereinan­der eine Art Wagenburg-Mentalität nach dem Motto „Denen zeigen wir es jetzt erst recht“entwickeln, kann sie dies zusammensc­hweißen und zu einem Teamgeist führen, der durch das Turnier trägt. Beim Titelgewin­n vor vier Jahren in Brasilien galt das glückliche 2:1 nach Verlängeru­ng im Achtelfina­le gegen Algerien als Initialzün­dung. Ein völlig entkräftet­er Per Mertesacke­r blaffte damals in seinem legendären Interview in Richtung des Reporters: „Was wollen sie? Wollen Sie eine erfolgreic­he WM oder dass wir schön spielen und ausscheide­n?“Schön gespielt hat die deutsche Mannschaft bisher sicher nicht. Aber zum ersten Mal erfolgreic­h. Und so könnte Kroos’ Kunstschus­s später der Wendepunkt auf dem Weg zum fünften WM-Titel gewesen sein.

@ Den Autor erreichen Sie unter Blancke@infoautor.de

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