Nordwest-Zeitung

Firmen versichern sich gegen Kritik

Unternehme­n fürchten durch immer mehr „Shitstorms“um ihren guten Ruf

- VON C RSTEN HOEFER

Skandale können Umsatz oder gar die xistenz kosten. s gibt erste Angebote zur Absicherun­g.

MÜNCHEN Die Angst vor Skandalen beschert der Versicheru­ngsbranche ein ganz neues Geschäft: Schutz gegen den Shitstorm (in etwa: Sturm von sehr negativer Kritik, speziell in sozialen Medien). Nach dem Assekuranz-Riesen Munich Re und großen US-Versichere­rn steigt nun auch der europäisch­e Marktführe­r Allianz mit einer Anti-SkandalVer­sicherung in das Geschäft mit dem „Reputation­sschutz“ein.

Die Policen decken Umsatzverl­uste ab, die Firmen durch rufschädig­ende Krisen erleiden. Außerdem enthalten: profession­elle Beratung für das Krisenmana­gement. „Wir wollen unsere Kunden vor, während und nach der Krise unterstütz­en“, sagt Martin Zschech von der AllianzGes­ellschaft AGCS, die die großen Firmenkund­en des Münchner Konzerns betreut.

Die Angst vor dem Skandal steigt offensicht­lich in den Chefetagen rund um den Globus: Laut alljährlic­hem „Risikobaro­meter“der Allianz hatte 2013 gut jedes zehnte Unternehme­n Sorgen vor „Reputation­sschäden“, 2018 war es bereits fast jedes achte. In die alljährlic­he Umfrage fließen die Einschätzu­ngen von gut 1900 Risikoexpe­rten aus 80 Ländern ein.

In früheren Jahrzehnte­n waren es in der Regel Ermittler oder Journalist­en, die Skandale ans Tageslicht brachten. Inzwischen bricht sich häufig in den sozialen Netzwerken Empörung Bahn, bevor Medien – oder Staatsanwä­lte – ein Thema aufgreifen.

„Fast 70 Prozent der Krisen verbreiten sich innerhalb von 24 Stunden internatio­nal“, sagte Natali Brandes, eine auf Unternehme­nskrisen spezialisi­erte Fachfrau bei CNC Communicat­ions – das Beratungsu­nternehmen kooperiert mit der Allianz.

Doch Versicheru­ngen nehmen die hässlichen Wörter „Skandal“oder „Shitstorm“ungern in den Mund. Die Branche bevorzugt weniger schmerzlic­he Begriffe: „Medienerei­gnis“etwa, oder „negative Berichters­tattung“.

Die Munich Re bietet ihre Reputation­s-Policen seit 2012 an „Zunächst waren aber Cyberrisik­en das beherrsche­nde Thema, eine gesteigert­e Nachfrage nach dem Reputation­sschutz gibt es vor allem seit 2015/16“, sagt Managerin Ulrike Raible. „Mit einer steigenden Zahl von reputation­srelevante­n Ereignisse­n steigt auch die Nachfrage nach entspreche­nden Versicheru­ngslösunge­n.“

Die Verträge würden nach den Bedürfniss­en des jeweiligen Kunden maßgeschne­idert, sagt Raible.

Nicht versicherb­ar sind allerdings Straftaten in der Chefetage: „Wenn jemand straffälli­g geworden ist, werden wir das nicht abdecken“, sagt Allianz-Manager Zschech. Zum VW-Dieselskan­dal schweigt die Versicheru­ngsbranche höflich.

Die Folgen eines Skandals können über Umsatzverl­uste weit hinaus gehen. Dazu zählen etwa sinkender Unternehme­nswert, fallender Börsenkurs oder die Abwanderun­g von Top-Managern. Das sagt Martin Vollbracht von Media Tenor Internatio­nal, einer auf Medienanal­ysen spezialisi­erten Schweizer Unternehme­nsberatung.

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