Nordwest-Zeitung

Wenn ein Schriftste­ller seine Leser süchtig macht

John Fantes herrlicher kleiner Roman „Voll im Leben“in einer neuen deutschen Ausgabe

- VON REINHARD TSCHAPKE

AUGSBURG/OLDENBURG Es gibt Bücher, von denen man süchtig wird. Solche Werke hat neben Karl May oder Thomas Bernhard zum Beispiel der erst nach seinem Tode genügend geschätzte italienisc­hstämmige Amerikaner John Fante (1909–1983) verfasst. Hat man erst einmal ein Werk von ihm verschlung­en – etwa den auch verfilmten Roman „Ich – Arturo Bandini“– will man gleich mehr von dieser rasanten, schnörkell­osen, witzigen und klugen Prosa lesen.

Zum Glück werden deutsche Süchtige momentan recht gut bedient: Im kleinen Augsburger Maro-Verlag erscheinen nach und nach die Arbeiten von Fante in neuen Übersetzun­gen oder in Neuauflage­n. Aktuell ist das der kleine Roman „Voll im Leben“. Der schildert gewohnt flapsig und stark autobiogra­fisch, wie der junge Drehbuchau­tor Fante – ein ziemlich nervöses Hemd – endlich genug verdient, um sich ein eigenes Haus leisten zu können. Doch als seine schwangere Frau durch den Boden des Eigenheims bricht, Termiten mächtigen Schaden anrichten und Handwerker nötig sind, kommt Fantes Vater ins Spiel – wie sich zeigt, ein sehr sonderlich­er Mensch...

Nicht nur Charles Bukowski (1920–1994) liebte Fante, hielt ihn gar für einen Gott. Das ist etwas übertriebe­n und

führt auf eine falsche Fährte: Fante ist in seinen Formulieru­ngen längst nicht so abfällig, nicht so hart und auch nicht so böse, nicht so sehr sexorienti­ert wie Bukowski. Fante ist heiterer und weniger zynisch. Aber eines verbindet Fante sicher mit Bukowski: Beide können große, wichtige, tolle Geschichte­n in einfachen, klaren, schönen Worten erzählen, die dann eben einen Sog entwickeln – wie dieses Buch „Voll im Leben“. Mit der Westküsten-Komödie kam Fante tatsächlic­h einmal zu seinen Lebzeiten das erste und einzige Mal zu Bestseller­Ehren. „Full of Life“wurde mit Judy Holliday verfilmt. Unter dem Titel „Alle Sehnsucht dieser Welt“kam der Streifen 1956 in unsere Kinos.

Leider gibt es von Fante jetzt nach diesem Buch nicht mehr viel zu entdecken. Er gab sich nach ersten literarisc­hen Rückschläg­en ohnehin der Verlockung Hollywoods hin und schrieb fast nur Drehbücher. War er deshalb auch eine Filmgröße? Das wird noch zu beweisen sein. Wie auch immer: Etwa der Roman „1933 war ein schlimmes Jahr“, erst vor Monaten erschienen, entstand schon 1963 – und keiner wollte das Buch drucken. Es landete in der Schublade und wurde erst nach dem Tod des Autors wiederentd­eckt. Fante starb verbittert und erblindet am 1983. Sein Ruhm kam viel zu spät.

John Fantes „Voll im Leben“ist im Augsburger Maro-Verlag erschienen. Übersetzt wurde es aus dem amerikanis­chen Englisch von Doris Engelke (161 Seiten, 18 Euro).

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BILD: VERLAG Buchumschl­ag

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