Wo Marketing auf Musik trifft
Zahlreiche Marken haben das Festival für ihre Zwecke entdeckt
Früher gab’s Bier, heute rote Hüte: Auf dem Hurricane versuchen Firmen, ihr Image aufzupolieren.
SCHEEßEL Es gab einmal eine Allianz aus Konzertveranstaltern, Radiosendern und Brauereien. Klar: Musik, Radio, Bier. Das passt zusammen. Doch die Zeiten sind vorbei, denn Festivals wie das Hurricane in Scheeßel sind längst von ganz anderen Unternehmen als Werbefläche entdeckt worden.
Während die „Donots“am Freitag auf der Hauptbühne den „Twisted Sisters“-Klassiker „We’re not gonna take it“spielen, sitzen ein paar Meter weiter Menschen in roten Regenponchos von „Melitta“in der „Premium Lounge presented by Firestone“. Wer nicht zum erlauchten Club gehört, kann sich gegenüber in der „Jack Daniel’s“-Area das Markenlogo auf die Haut sprühen lassen oder wahlweise nebenan auf der „John Player Special“-Tribüne oder auf Liegestühlen von „McDonalds“Platz nehmen. Vor der „Blue Stage“kann man in der „Mastercard“-Lounge am Glücksrad drehen.
Doch was verbindet ein Kreditkartenunternehmen und einen Reifenhersteller mit Musik? Vor drei Jahren veröffentlichte eine Branchenzeitung einen Artikel mit der Überles Alles fürs Image: ein „Firestone“-Hut vor der Bühne, „McDonald’s“-Stühle, die „Mastercard“-Area und der riesige PennyMarkt waren in Scheeßel zu sehen.
schrift „7 Gründe, warum Marken auf Festivals gehen sollten“. Einer davon ist, dass die sogenannten Millennials – also alle zwischen 18 und 38 – mit Fernsehen und Zeitungen kaum noch zu erreichen seien. Mit Musik sehr wohl: „Marken erreichen Millennials kaum mehr auf klassischen Wegen. Doch auf Festivals kriegt man sie.“Wo also könnten Aldi, Lidl und Penny ihr angestaubtes
Billigimage loswerden? Wo ist die Sparkasse plötzlich wieder cool und hip? Und wo kann Omas Lieblingskaffee plötzlich bei den Enkeln punkten?
Als vor wenigen Wochen Discount-Riese Aldi stolz verkündete, man wolle auf dem Deichbrand in Cuxhaven den größten Aldi Markt aller Zeiten entstehen lassen, hyperventilierten zahlreiche Medien förmlich. Dabei ist die Idee al- andere als neu. Schon vor vier Jahren stellte Lidl erstmals eine temporäre Filiale auf das Hurricane-Festival. Heute ist Penny in Scheeßel vertreten.
Die Unternehmen machen das aus demselben Grund, aus dem „Melitta“Regencapes verschenkt: Sie versuchen, einen guten Eindruck zu machen. Wer keine Grillkohle verkaufen kann, macht das mit Geschenken: vor allem mit Sonnenhüten und Regenponchos in Signalfarben. Die werden beim Hurricane in schöner Regelmäßigkeit gebraucht und sorgen so für Tausende kleiner Werbesäulen. Einige Marken bieten Ladestationen für Handys an, die Sparkasse ist mit Schließfächern in roten Containern noch erstaunlich dicht an ihrer Kernkompetenz.
Doch ganz umsonst gibt es das oft nicht. Für einen „Jack Daniel’s“-Turnbeutel etwa muss man in Scheeßel Name, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum angeben. Was der Whiskey-Hersteller mit den personenbezogenen Daten anfängt, interessiert niemanden. Ähnlich wie die Müllbilanz: Die dürfte angesichts Tausender zerknüllter Regencapes und weggeworfener roter Plastikhüte verheerend sein.
Für Brauereien und Radiosender ist die Entwicklung übrigens weniger schlimm: Sie werben noch immer auf dem Hurricane. Nur ist die alte Allianz etwas größer geworden.