Nordwest-Zeitung

Wo Marketing auf Musik trifft

Zahlreiche Marken haben das Festival für ihre Zwecke entdeckt

- VON ROBERT OTTO-MOOG

Früher gab’s Bier, heute rote Hüte: Auf dem Hurricane versuchen Firmen, ihr Image aufzupolie­ren.

SCHEEßEL Es gab einmal eine Allianz aus Konzertver­anstaltern, Radiosende­rn und Brauereien. Klar: Musik, Radio, Bier. Das passt zusammen. Doch die Zeiten sind vorbei, denn Festivals wie das Hurricane in Scheeßel sind längst von ganz anderen Unternehme­n als Werbefläch­e entdeckt worden.

Während die „Donots“am Freitag auf der Hauptbühne den „Twisted Sisters“-Klassiker „We’re not gonna take it“spielen, sitzen ein paar Meter weiter Menschen in roten Regenponch­os von „Melitta“in der „Premium Lounge presented by Firestone“. Wer nicht zum erlauchten Club gehört, kann sich gegenüber in der „Jack Daniel’s“-Area das Markenlogo auf die Haut sprühen lassen oder wahlweise nebenan auf der „John Player Special“-Tribüne oder auf Liegestühl­en von „McDonalds“Platz nehmen. Vor der „Blue Stage“kann man in der „Mastercard“-Lounge am Glücksrad drehen.

Doch was verbindet ein Kreditkart­enunterneh­men und einen Reifenhers­teller mit Musik? Vor drei Jahren veröffentl­ichte eine Branchenze­itung einen Artikel mit der Überles Alles fürs Image: ein „Firestone“-Hut vor der Bühne, „McDonald’s“-Stühle, die „Mastercard“-Area und der riesige PennyMarkt waren in Scheeßel zu sehen.

schrift „7 Gründe, warum Marken auf Festivals gehen sollten“. Einer davon ist, dass die sogenannte­n Millennial­s – also alle zwischen 18 und 38 – mit Fernsehen und Zeitungen kaum noch zu erreichen seien. Mit Musik sehr wohl: „Marken erreichen Millennial­s kaum mehr auf klassische­n Wegen. Doch auf Festivals kriegt man sie.“Wo also könnten Aldi, Lidl und Penny ihr angestaubt­es

Billigimag­e loswerden? Wo ist die Sparkasse plötzlich wieder cool und hip? Und wo kann Omas Lieblingsk­affee plötzlich bei den Enkeln punkten?

Als vor wenigen Wochen Discount-Riese Aldi stolz verkündete, man wolle auf dem Deichbrand in Cuxhaven den größten Aldi Markt aller Zeiten entstehen lassen, hyperventi­lierten zahlreiche Medien förmlich. Dabei ist die Idee al- andere als neu. Schon vor vier Jahren stellte Lidl erstmals eine temporäre Filiale auf das Hurricane-Festival. Heute ist Penny in Scheeßel vertreten.

Die Unternehme­n machen das aus demselben Grund, aus dem „Melitta“Regencapes verschenkt: Sie versuchen, einen guten Eindruck zu machen. Wer keine Grillkohle verkaufen kann, macht das mit Geschenken: vor allem mit Sonnenhüte­n und Regenponch­os in Signalfarb­en. Die werden beim Hurricane in schöner Regelmäßig­keit gebraucht und sorgen so für Tausende kleiner Werbesäule­n. Einige Marken bieten Ladestatio­nen für Handys an, die Sparkasse ist mit Schließfäc­hern in roten Containern noch erstaunlic­h dicht an ihrer Kernkompet­enz.

Doch ganz umsonst gibt es das oft nicht. Für einen „Jack Daniel’s“-Turnbeutel etwa muss man in Scheeßel Name, E-Mail-Adresse und Geburtsdat­um angeben. Was der Whiskey-Hersteller mit den personenbe­zogenen Daten anfängt, interessie­rt niemanden. Ähnlich wie die Müllbilanz: Die dürfte angesichts Tausender zerknüllte­r Regencapes und weggeworfe­ner roter Plastikhüt­e verheerend sein.

Für Brauereien und Radiosende­r ist die Entwicklun­g übrigens weniger schlimm: Sie werben noch immer auf dem Hurricane. Nur ist die alte Allianz etwas größer geworden.

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BILDER: ROBERT OTTO-MOOG
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