Geschichte des Klimas am Gestein ablesen
Eeliebte Dechenhöhle vor 150 Jahren im Sauerland entdeckt – Noch immer Geheimnisse
Die Dechenhöhle gehört noch immer zu den besucherstärksten Schauhöhlen in NRW. Sie kann Höhlenforschern noch immer neue Dinge erzählen.
ISERLOHN Wer ganz still stehenbleibt, damit keine Kiesel unter den Füßen knirschen, kann im Inneren des Berges die Zeit verrinnen hören – Tropfen für Tropfen. Wasser hat zusammen mit Kalk in der Dechenhöhle im Sauerland ein Kunstwerk aus Stalagmiten und Stalaktiten geschaffen, das vermutlich mehr als 800 000 Jahre alt ist. Etwa zehn Jahre braucht es, bis ein Millimeter des bizarren Gesteins aus Säulen, Zapfen und verwunschenen Formen entstanden ist. Viel verändert hat sich im Innern der Höhle im
sauerländischen Iserlohn also nicht, seit sie vor 150 Jahren zufällig entdeckt worden ist.
Eisenbahnbauarbeitern war 1868 ein Werkzeug in eine Spalte gerutscht. Sie stießen dahinter auf ein geräumiges Höhlensystem mit Hallen, Gängen und bis heute nicht gänzlich erschlossenen Geheimnissen. Es liegt, wie man
inzwischen weiß, in einem der höhlenreichsten Täler Deutschlands: Auf nur zwei Kilometern fanden Forscher insgesamt über 20 Kilometer unterirdische Gänge.
„Ich bin überzeugt, dass da noch ganz viel ist, von dem wir nichts wissen“, sagt Stefan Niggemann, der heutige Betreiber der Höhle. Schon als Jugendlicher führte er Besucher durch die Dechenhöhle. Der Geologe kennt die Geschichte „seiner“Höhle gut – und er kennt den Balance-Akt zwischen touristischem Erfolg und wissenschaftlichem Interesse.
Frühe Forscherhoffnungen hatte die Höhle zunächst enttäuscht: In der Archäologie herrschte zum Zeitpunkt der Entdeckung Aufregung um Funde urmenschlicher Knochen im Neandertal. Doch weitere Belege für die damals umstrittene These fanden die Forscher in Iserlohn nicht.
Bereits im ersten Jahr nach ihrer Entdeckung wurde entschieden, sie für Besucher zu öffnen, die in Scharen kamen: 10000 waren es im ersten Jahr, 30 000 im Jahr darauf. Als eine der ersten Höhlen weltweit erhielt sie 1890 elektrisches Licht. Nach den Weltkriegen gelang der Höhle ein Besucherrekord nach dem nächsten. 1952 war mit 322000 Gästen der Höhepunkt erreicht.
Gleichzeitig nahmen ehrenamtliche Höhlenkundler um den späteren Betreiber der Höhle, Elmar Hammerschmidt, einen neuen Anlauf, in die Tiefe zu gehen: Sie bargen Tierknochen und untersuchten das Gestein und die geologischen Entwicklungen der Höhle. Heute versuchen die Forscher, in den Tropfsteinen die Geschichte des Klimas abzulesen.
Doch die Touristenmassen der Nachkriegszeit sind inzwischen längst Geschichte. Mit dem Ausbau der Autobahn 45 quer durchs Sauerland lief erst die Attahöhle in Attendorn der Dechenhöhle den Rang als beliebteste Höhle NRWs ab, später schuf sich das Ruhrgebiet seine eigenen touristischen Attraktionen. In den vergangenen Jahren hat sich die Besucherzahl pro Jahr auf um die 60 000 eingependelt.