Nordwest-Zeitung

Reginald Waite

2owjetunio­n reagiert auf Einführung der D-Mark in West-Berlin Es war die erste große Krise des Kalten Kriegs: Vor 70 Jahren begann die Berliner Luftbrücke.

- VON NADA WEIGELT

Er war der Ideengeber und das logistisch­e Hirn hinter der alliierten LuJtbrücke nach Berlin: der britische Air Commodore Reginald Newnham (Rex) Waite (1901-1975). Zwischen 1947 und 1949 war er CheJderbri­tisc he nLuJtwaJJe­n verbände in Berlin. In einem Brie Jan seinen Vorgesetzt­en schrieb er während der 322 Tage dauernden Blockade durch die sowjetisch­en Besatzer 1948: „Das ist der interessan­teste Job, den ich jemals hatte.“Später in einem Buch ergänzte er: „Ich habe härter gearbeitet als in den 28 Jahren zuvor.“Militärhis­toriker schreiben den ErJolg der LuJtbrücke wesentlich Waite zu. Reginald Waite hatte ausgerechn­et, dass die LuJtkapazi­täten nicht nur ausreichte­n, die eigenen Truppen zu versorgen, sondern auch zwei Millionen Berliner zu ernähren und mit Kohle zu versorgen. Während der Berliner LuJtbrücke war er ranghöchst­er britischer OJJizier.

BERLIN – Erst kam das Donnern der Flugzeuge, dann schwebten zahllose kleine Fallschirm­e mit Süßigkeite­n vom Himmel. Die Berlinerin Vera Hemmerling (84) erinnert sich noch an die „Rosinenbom­ber“, die während der Blockade West-Berlins vor 70 Jahren die Stadt nicht nur mit Lebensmitt­eln und Kohle, sondern auch mit kleinen Geschenken für die Kinder versorgten.

„Ich bin auch ein paarmal hingelaufe­n, aber ich habe nie was erwischt. Die Jungen waren immer schneller“, erzählt die weißhaarig­e Dame mit einem kleinen Lächeln.

Es beginnt am 24. Juni 1948. Um 6 Uhr morgens lässt der sowjetisch­e Staatschef Josef Stalin die Autobahnen in die Westsektor­en Berlins sperren. Sämtliche Straßen, Bahnlinien und Wasserwege folgen, der Strom wird abgeschalt­et. West-Berlin soll – als Antwort auf die Einführung der D-Mark – buchstäbli­ch ausgehunge­rt werden.

Die USA, Großbritan­nien und Frankreich antworten mit einer bis heute beispiello­sen Aktion. Fast ein Jahr lang, genau 322 Tage, versorgen sie die mehr als zwei Millionen Einwohner des blockierte­n Westteils der Stadt über eine Luftbrücke. Mit fast 280000 Flügen werden mehr als zwei Millionen Tonnen Güter in die Stadt gebracht. Am 26. Juni 1948 geht es offiziell los.

Lebensmitt­el rationiert

„Wir Kinder hatten nach den Bombennäch­ten im Krieg immer noch Angst vor Flugzeugge­räuschen“, erzählt Vera Hemmerling, die damals 14 war. „Aber bald hatten wir Angst, keine Flugzeuge zu hören, etwa wenn es Nebel gab oder zu schlechtes Wetter. Das bedeutete keinen Zucker,

kein Mehl, keine Kohlen. Das bedeutete Hunger.“

Der amerikanis­che Militärgou­verneur in Deutschlan­d, General Lucius D. Clay, und das damalige West-Berliner Stadtoberh­aupt Ernst Reuter sind bis heute Hemmerling­s Helden: „Ohne sie hätten wir nicht überlebt. Ohne sie wäre die deutsche Einheit nicht gekommen.“

Clay kann nach einem Vorschlag des britischen Luftkomman­danten Rex Waite die Briten, teils auch die Franzosen für den gigantisch­en „Airlift“gewinnen, Reuter sagt ihm den Durchhalte­willen der Berliner zu – auch wenn die Lebensmitt­elkarten gerade einmal 1879 Kalorien pro Tag und Einwohner vorsahen. „Kümmern Sie sich um die Luftbrücke, ich kümmere mich um die Berliner“, ist als geflügelte­s Wort von Reuter überliefer­t.

Die „Operation Vittles“(Lebensmitt­el), zunächst nur für 45 Tage geplant, nimmt bald unvorstell­bare Ausmaße an. 300 Flugzeuge sind ständig im Einsatz, alle 90 Sekunden startet und landet eine Maschine in der Stadt. Innerhalb von nur 85 Tagen entsteht als dritter Flughafen Tegel – angesichts des Desasters um den heutigen BER ein wahres Wunder. Insgesamt legen

die Lebensmitt­eltranspor­ter 175 Millionen Kilometer zurück – das entspricht einer Strecke rund 4400 mal um die Erde.

„Onkel Wackelflüg­el“

Besondere Berühmthei­t erlangt US-Luftbrücke­n-Pilot Gail Halvorsen, „Onkel Wackelflüg­el“genannt. Der heute 97-Jährige wirft im Landeanflu­g selbstgeba­stelte Taschentuc­h-Fallschirm­e mit Schokolade und Kaugummis ab, als Erkennungs­zeichen wackelt er kurz zuvor mit den Flügeln seiner C-54. Viele Kollegen folgen seinem Beispiel. Das Bild das US-Fotografen Henry Ries von einer Gruppe wartender Kinder am Flughafen Tempelhof wird zum Symbol.

„Drei Jahre nach Ende des Krieges war die Luftbrücke für die spätere Bundesrepu­blik ein Wendepunkt im Verhältnis zu den Westmächte­n: Aus Besatzern wurden Freunde“, sagt der Direktor des Berliner Alliierten­museums, Jürgen Lillteiche­r, und betont, wohl auch mit Blick auf das derzeit eher angespannt­e Verhältnis zu den USA: „Auch heute kann die beispiello­se Solidaritä­t von damals uns erinnern, dass wir alle gemeinsame­n Werten verpflicht­et sind.“

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BILD: ARCHIV
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BILD: DPA Das Foto aus dem Jahr 1948 zeigt West-Berliner Jungen, die auf einem Trümmerber­g stehen, und einen US-amerikanis­ches Transportf­lugzeug, das Versorgung­sgüter nach West-Berlin bringt, winken.
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DPA-BILD: SETTNIK Zeitzeugin Vera Hemmerling (84)

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