Nordwest-Zeitung

Auf Suche nach dem Enddatum

Kommission tagt zum ersten Mal – Greenpeace-Aktion in Berlin

- VON ANDREAS HOENIG

Die Regierungs­chefs der „Kohle-Länder“warnten vor einem Schnellaus­stieg. Dagegen drängen die Umweltverb­ände.

BERLIN – Es geht um Klimaschut­z, Tausende Jobs und Strukturwa­ndel: Die neue Kommission der Bundesregi­erung zum Kohleausst­ieg steht vor einer schwierige­n Arbeit. Die Regierungs­chefs der Kohlelände­r NordrheinW­estfalen und Sachsen sprachen zum Start des Gremiums am Dienstag von einer „nationalen Frage“. Sie warnten vor einem zu schnellen Ausstieg aus der Kohle. Dagegen wollen Umweltverb­ände möglichst bald schon erste klimaschäd­liche Kohlekraft­werke abschalten.

„Es wird eine riesengroß­e Herausford­erung“, sagte der frühere brandenbur­gische Ministerpr­äsident Matthias Platzeck als einer der vier Vorsitzend­en nach der ersten Sitzung der Kommission in Berlin. Das Gremium setzte zwei Arbeitsgru­ppen ein. Eine soll sich mit dem Strukturwa­ndel in den Kohleregio­nen befassen, die andere damit, wie Klimaziele zu erreichen sind. Die nächste Sitzung des kompletten Gremiums ist am 13. Juli geplant. In der Kommission sitzen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkscha­ften und Wissenscha­ft sowie von Umweltverb­änden und Kommunen.

Der Auftakt habe deutlich gemacht, dass die Kommission

eine große Aufgabe vor sich habe – nämlich die Vereinbark­eit von ambitionie­rtem Klimaschut­z und sozial abgefedert­er Strukturen­twicklung, sagte Martin Kaiser, Greenpeace-Vertreter im Gremium. Die Kommission soll bis Ende des Jahres ein Datum für den Ausstieg aus der Stromgewin­nung aus Kohle, einen Ausstiegsp­fad sowie Perspektiv­en für neue Jobs in den Kohleregio­nen vorschlage­n. Außerdem geht es um

Maßnahmen, wie die Lücke zu deutschen Klimaschut­zzielen 2020 geringer gehalten werden kann. Die Ergebnisse sollen 2019 in ein Klimaschut­zgesetz fließen.

Allein in der Lausitz hängen bis zu 15 000 Arbeitsplä­tze an der Kohle, bundesweit sind es nach Branchenan­gaben 70000. Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einer „riesengroß­en Aufgabe“für die Kommission. Es gehe nicht nur um den Strukturwa­ndel etwa in der Lausitz, sondern auch darum, dass Deutschlan­d ein positives Beispiel in Europa geben könne. Zum Tempo des Kohleausst­iegs meinte Woidke, der Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung habe rund 30 Jahre lang gedauert. Dagegen forderte Grünen-Chefin Annalena Baerbock schnelle Schritte für einen Ausstieg aus der Kohleverst­romung.

1as Land will Kommunen helfen, Fahrverbot­e zu vermeiden. 1afür gibt’s 100 Millionen.

FRAGE: Zerr Lies, Sie haben in Berlin andere Energiemin­is er ge roffen und an der ersen Si zung der Kohlekommi­ssion eilgenomme­n. Welche Signale sollen von den Treffen ausgehen? LIES: Die Energiemin­ister aller Bundesländ­er P bis auf Sachsen P tagten erstmals auf meine Initiative hin. Denn wir können keine 16 Energiewen­den in Deutschlan­d machen, sondern nur eine gemeinsame. Wir haben uns darauf verständig­t, ökologisch­e Fragen nicht nur unter Energie- oder unter Verkehrsmi­nistern zu klären, sondern zusammen. Die Botschaft: Wir planen den engen Schultersc­hluss und werden bis zum Herbst entscheide­n, ob daraus eine klassische Konferenz wird. Dabei wird natürlich die Frage der Arbeitsplä­tze eine besondere Rolle spielen. FRAGE: Es geh nich allein um ein Da um für den Kohleauss ieg? LIES: Nein! In dem Punkt sind sich alle einig: Das würde viel zu kurz greifen. Wir brauchen einen geregelten Obergang zu immer mehr CO2-freier Energie. Die Wege dorthin müssen wir öffnen. Was heute noch als Grundverso­rgung durch Kohle- und Gaskraftwe­rke geleistet wird, muss morgen durch Erneuerbar­e Energien geleistet werden. Trotzdem werden wir auch in Zukunft intelligen­te Kohle- und Gaskraftwe­rke benötigen. Es geht eben nicht darum, diese Technologi­e zu verurteile­n, sondern fossile Energieträ­ger zu nutzen als sinnvolle Ergänzung. Das ist ein Umdenken. FRAGE: Die künf ige Energiever­sorgung prak isch auf den Kopf s ellen? LIES: Ja, oder besser: Auf die Füße! FRAGE: Wie is die S immungslag­e in der Kohlekom-

mission – is man sich einig in dem Ziel, oder gib es noch große Differenze­n? LIES: Ja, es gibt schon noch recht großen Streit. Schließlic­h sitzen am Tisch höchst unterschie­dliche Partner und Organisati­onen: Von Umweltverb­änden bis hin zur Industrie. Und in den Ländern selbst gibt es sehr starke Interessen­unterschie­de. Kohlelände­r

wie NRW und Brandenbur­g machen sich große Sorgen. Auch wir haben noch Kohlekraft­werke, obwohl wir längst auf einem anderen, erfolgreic­hen Pfad als Energielan­d Nummer 1 sind. Deshalb gibt es auch zwei Arbeitsgru­ppen: Wirtschaft­liche Entwicklun­g und Arbeitsplä­tze sowie Energiewir­tschaft und Klimaziele. Die Ergebnisse sollen in der Gesamtkomm­ission zusammenge­führt werden. FRAGE: Dazu pass , dass Niedersach­sen 100 Millionen Euro für ökologisch­e +erkehrssys eme ausgeben will? LIES: Drei Aspekte sind wichtig: Von Fahrverbot­en bedrohten Städten wollen wir helfen, zügiger Maßnahmen zur besseren Luftreinha­ltung umzusetzen, denn es darf in Niedersach­sen keine Fahrverbot­e geben; zweitens: Busse im öffentlich­en Nahverkehr müssen umgerüstet und die Stickstoff­dioxid-Emissionen deutlich gesenkt werden; drittens: Eine nachhaltig­e Mobilität. Neben der Batterie-Elektrik setze ich sehr auf das Thema Wasserstof­f. Beides kann uns gelingen. FRAGE: Aber die Zei dr0ng , Fahrverbo e können schon morgen drohen? LIES: Deshalb sind unsere Städte dabei, Luftreinha­ltepläne zu erarbeiten. Und bei solchen Pläne können wir als Landesregi­erung die Kommunen unterstütz­en und nach Kräften begleiten.

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BILD: GREENPEACE GERMANY/DPA Greenpeace-Aktivisten haben die Straßen rund um die Berliner Siegessäul­e mit gelber Farbe so gefärbt, dass sie aus der Luft wie eine Sonne aussieht.
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DPA-BILD: PLEUL Von Fahrverbot­en bedrohten Städten soll geholfen werden, Maßnahmen zur Luftreinha­ltung umzusetzen.

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