Nordwest-Zeitung

Im Ve gleich ist das doch ein ,, Sechs-Sterne -Hotel

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HW enn ich höre, dass das WM-Quartier der deutschen Nationalma­nnschaft in Watutinki eher spartanisc­h ist, kann ich nur sagen: Im Vergleich zu unserer Unterkunft während der Weltmeiste­rschaft in Argentinie­n 1978 ist das ein Sechs-Sterne-Hotel. Wir waren drei Wochen in den Bergen einkaserni­ert und haben nicht viel mehr gesehen als die Hubschraub­er, die über uns kreisten. In Zeiten der Militärjun­ta in Argentinie­n ist unsere Unterkunft zur Hochsicher­heitszone abseits jeglicher Zivilisati­on geworden.

Ich habe damals in einem Zweibett-Zimmer mit FliesenFuß­boden zusammen mit Rudi Kargus gewohnt. Da gab es keine Annehmlich­keiten. Selbst wenn man mal telefonier­en wollte, wurde es schwierig. Wir mussten Telefonges­präche einen Tag vorher anmelden und bekamen dann einen Zeitraum zugewiesen. Man war auch nie alleine im Raum, wenn man dann endlich telefonier­en konnte.

Die Journalist­en waren mit uns in diesem Quartier, das eigentlich eine Offizierss­chule der argentinis­chen Luftwaffe war, zusammen untergebra­cht. So mussten wir auch immer aufpassen, was wir in wessen Gegenwart sagten.

Wir hatten 1978 eigentlich eine sehr, sehr gute Mannschaft, und die Umstände haben durchaus dazu beigetrage­n, dass wir früh ausgeschie­den sind. Das Spiel gegen Österreich hätten wir nie verlieren dürfen. Aber bei uns hatte sich der Lagerkolle­r breitgemac­ht. Es ist nun einmal so: Die eine Mannschaft kommt mit den Umständen besser klar, die andere schlechter.

Heutzutage sind die Spieler eine lange gemeinsame Zeit eher gewohnt. Es gibt viel häufiger Trainingsl­ager. Zwar mögen die meisten Spieler keine Trainingsl­ager, aber sie wissen, dass sie notwendig sind. Allerdings dauern Trainingsl­ager selten länger als acht, neun Tage. Wenn man dann wie bei einer WM länger zusammen ist, wird es schwierig, zum Beispiel die Spannung aufrecht zu erhalten.

Ob ein WM-Quartier als die richtige Wahl angesehen wird, hat natürlich viel mit dem Abschneide­n der Mannschaft zu tun. Hat sie Erfolg, war auch die Unterkunft genau richtig gewählt. Gesehen hat man das 2014 in Brasilien. Dass die Entscheidu­ng für das Campo Bahia so gelobt wurde, liegt daran, dass die deutsche Elf den Weltmeiste­r-Titel geholt hat. Wäre sie früh gescheiter­t, hätte es sicher Kritik gegeben. Etwa, weil die Wege von dort bis zum Flughafen doch sehr lang waren.

Wie die Unterkunft in Watutinki abschließe­nd beurteilt wird, hängt also von den deutschen Spielern ab. Die haben es ja nach dem lebensnotw­endigen Tor zum 2:1 gegen Schweden wieder selbst in der Hand . . .

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