Nordwest-Zeitung

Viel mehr als ein Animateur

Mario Gomez begreift WM als Geschenk und tritt als echter Teamplayer auf

- VON OLIVER MUCHA

Die Stärken von Mario Gomez könnten gegen Südkorea wichtig werden. Nach der verpassten WM 2014 lernte er Demut auf die harte Tour.

KASAN Torjäger müssen Egoisten sein. Das jedenfalls ist eine der in Stein gemeißelte­n Fußball-Weisheiten. Mario Gomez, einziger klassische­r Stoßstürme­r im deutschen WM-Aufgebot, führt dieses Gesetz in Russland ad absurdum. Selbstlose­r, als Gomez zwischen Watutinki, Sotschi und Kasan auftritt, geht’s nicht. Vor dem Gruppenfin­ale gegen Südkorea an d e e

hat er zwei Joker-Einsätze hinter sich und ein Tor vorbereite­t.

Eine gute persönlich­e Bilanz? „Puh“, sagt der Stuttgarte­r: „Ich sehe das gar nicht so persönlich. Ich sehe immer das ganze Team.“Und dieses, betont er, lebe einen Traum: „Diese WM ist was Geiles, egal ob man schon Weltmeiste­r ist oder nicht. Wir wollen das alle noch mal erleben.“Noch mal? Den Triumph von Rio hatte Gomez, damals beim AC Florenz, ja verpasst. Bei einem Spiel im März 2014 in Neapel verletzte er sich am Knie und ahnte gleich: Das war es. Weinend saß er in der Kabine.

Gomez, schon vorher alles andere als ein Lautsprech­er, lernte Demut auf die harte Tour. Sein Comeback im DFB-Dress unmittelba­r nach der WM verlief unglücklic­h,

danach lud Bundestrai­ner Joachim Löw ihn 14 lange Monatenich­tmehrein.

Kaum ein Spieler wurde so sehr angefeinde­t wie „SuperMario“, der vermeintli­che

Chancentod. Deshalb konnte er besonders mitfühlen, als nach dem verpatzten WMStart gegen Mexiko massive Kritik auch an den Rio-Helden geübt wurde. „Nicht okay“, fand er das: „Oder habt ihr über einen Sergio Ramos 2014 auch geschriebe­n, er wäre ein Loser?“Ramos schied damals mit Titelverte­idiger Spanien in der Vorrunde aus.

Damit es Deutschlan­d nicht so geht (selbst bei einem knappen Sieg wäre im Fernduell mit Mexiko und Schweden ein Aus möglich – nur ein Sieg mit zwei Toren Unterschie­d führt sicher ins Achtelfina­le), setzt Löw auch auf Gomez. Deshalb zog er den Teamplayer dem unbequemer­en Sandro Wagner vor.

Dass er den Unterschie­d machen kann, hat Gomez gegen Schweden angedeutet. Gegen Südkorea könnten seine Stärken wichtig werden. „Ich kann befreit aufspielen, meine Gefühlswel­t ist komplett sortiert“, sagt er. Gomez, mit 32 ältester Spieler im Kader, begreift die WM als Geschenk. Den jüngeren Spielern ist er Mentor, wie einst Lukas Podolski fügt er sich in die Rolle des Animateurs – auf seine eigene, ruhigere Art. Es sei „einmalig“, dass ein Konkurrent ihn derart unterstütz­e, schwärmt Timo Werner. „Mario ist für uns mit seiner Präsenz auf dem Platz und in der Kabine unheimlich wichtig“, erklärt Marco Reus.

Die Forderung nach einem Startelfpl­atz „werdet ihr niemals in meinem restlichen Leben“hören, sagt Gomez. Als Toni Kroos gegen Schweden das erlösende 2:1 erzielt hatte, war er nach Reus zweiter Gratulant. „Ich habe mich so sehr für die Mannschaft gefreut“, sagt er: „Wir halten alle zusammen, wir haben alle gemeinsam ein Ziel!“

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DPA-BILD: INA FASSBENDER Entspannt: Mario Gomez (hier auf einem Sitz-Roller beim Teamhotel in Sotschi, wo das 2:1 gegen Schweden gelang) sieht seine Gefühlswel­t „komplett sortiert“.

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