Stresstest offenbart Probleme
Nach gutem Start wird über den Video-Assistenten diskutiert
Die Fifa jubelte bereits über die gelungene Einführung des Video-Assistenten. Beim Stresstest treten bekannte Probleme auf.
MOSKAU Kaum hatte die Fifa den Tag vor dem Abend gelobt, werden die unschönen Erinnerungen an die Bundesliga-Dauerdebatte wach. War die WM-Premiere des Videobeweises überraschend gut gelaufen, ging der Stresstest zu Beginn der entscheidenden Vorrundenphase schief. Die Schiedsrichter verloren die klare Linie – der in Deutschland bekannte Ärger hat die WM-Bühne erreicht.
So steigerte sich Irans Trainer Carlos Queiroz nach dem Spiel gegen Portugal (1:1) in eine Wutrede hinein. „Ich habe 20 Jahre für dieses System gekämpft, aber jetzt gehe ich frustriert nach Hause“, sagte der Coach, der vor allem die fehlende Transparenz kritisierte: „Ich muss wissen, wer die Entscheidungen trifft, wer das Spiel leitet. Es muss Klarheit herrschen.“
Der insgesamt völlig überforderte Schiedsrichter Enrique Caceres schaute sich ein Vergehen von Cristiano Ronaldo auf Intervention der Video-Assistenten selbst noch einmal an – entschied aber überraschenderweise auf Gelb statt Rot. Dreimal machte sich der Paraguayer während der Partie auf den Weg an die Seitenlinie. „Eine Videobeweisorgie“, witzelte ZDF-Experte Oliver Kahn. Schiedsrichter Enrique Caceres zeigt dem Portugiesen Cristiano Ronaldo (Mitte) Gelb, nachdem er sich einen Zweikampf erneut angeschaut hatte. Der Iraner Ramin Rezaeian ist irritiert, dass es nicht Rot gibt, und auch Ronaldo versteht die Entscheidung nicht.DPA-BILD:
Die Gründe für den Frust liegen auf der Hand: Die Referees machten in Co-Produktion mit den Video-Assistenten in den Spielen zwischen Iran und Portugal sowie Saudi-Arabien und Ägypten (2:1) die bekannten Bundesliga-Fehler, die bei der WM bereits ausgemerzt schienen. Doch je hitziger die Partien werden und je mehr Referees zum Einsatz kommen, die nur wenig Erfahrung mit der Technik haben, desto mehr Probleme gibt es. Zu viele Szenen werden überprüft, die Diskussionen über die richtige
Entscheidung dauern oft zu lange, die Zuschauer werden im Unklaren gelassen – und am Ende stehen höchst zweifelhafte Ergebnisse.
All das war zunächst so gut wie nicht vorgekommen, weil meist nur klare Fehler noch einmal unter die Lupe genommen wurden – genau wie es vorgegeben wurde. „Man ist gut ins Turnier gestartet, aber jetzt gab es doch einige Holperer – wichtige Szenen, in denen der Videobeweis nicht eingesetzt wurde“, kritisierte Ex-Referee Urs Meier. „Es ist willkürlich geworden.“
Der Weltverband hatte vor dem letzten Vorrunden-Spieltag bereits gejubelt. „Die Fifa ist extrem zufrieden mit der erfolgreichen Einführung des Videobeweises“, hieß es: „Der Videobeweis wurde positiv aufgenommen und wird in unserer Fußball-Gemeinschaft geschätzt.“Ein klassischer Fall von „zu früh gefreut“. Bei der Pressekonferenz der Schiedsrichter-Verantwortlichen am Freitag in Moskau könnte es für Fifa-Direktor Massimo Busacca und Kommissions-Chef Pierluigi Collina ungemütlich werden.