Nordwest-Zeitung

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Oie der neue Vorstand den Ruf der umstritten­en Ahnenstätt­e Conneforde reparieren will

- VON K?RSTEN KROGM?NN

Der idyllische Waldfriedh­of im Ammerland hat ein zweifelhaf­tes Image. Oliver Pahl, der neue Vorsitzend­e des Ahnenstätt­envereins, will nun die anrüchige Vergangenh­eit aufarbeite­n.

CONNEFORDE AoorH JlrL ormchtet grün, am Boden die Gräser, am Himmel die Baumkronen, und sogar dazwischen, an den braunen Eichenstäm­men, klettert grün der Efeu hinauf. Durchs Laub tropfen hellgrüne Sonnenklec­kse, in dunkelgrün­en Verstecken zwitschern Vögel.

Hinter dem Reetdachto­r wartet Oliver Pahl, schlank, blond, jungenhaft­es Gesicht; er raucht noch schnell eine Zigarette. Man hat ihn gewarnt, er solle besser nicht mit der Zeitung sprechen, die so schlimme Dinge über die idyllische Ahnenstätt­e Conneforde geschriebe­n hat: dass sie unter tatkräftig­er Mithilfe von Alt-Nazis gegründet worden sei, dass Neu-Nazis den dazugehöri­gen Ahnenstätt­enverein unterwande­rt hätten, dass alte und neue Nazis aus ganz Deutschlan­d hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten. Kurz: dass die eigentlich­e Farbe dieses Waldfriedh­ofs nicht grün sei, sondern braun.

Aber Pahl, 36 Jahre alt, verheirate­t, drei Kinder, spricht mit der Zeitung. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagt er fröhlich. „Wer uns fragt, kriegt auch eine Antwort.“

Im Verein brodelte es

Das war lange Zeit anders. Als die c 2014 den braunen Hintergrun­d von Ahnenstätt­e und Ahnenstätt­enverein freilegte, igelte sich der Vorstand ein. Es gab keine Stellungna­hme für die Presse, auch die Gesprächsa­nfragen der Gemeinde Wiefelsted­e lehnte der Verein ab. Kaum ein Wort drang nach draußen, abgesehen von knappen Notizen aus der Jahreshaup­tversammlu­ng, in denen sich der Vereinsvor­stand über die „Verunglimp­fung“durch die Zeitung beklagte.

Doch drinnen brodelte es fortan, wie Pahl jetzt berichtet. Der Marinesold­at, nach eigener Einschätzu­ng „unbescholt­en“und „politisch weltoffen“, ist seit einigen Monaten erster Vorsitzend­er des Ahnenstätt­envereins. Pahl sagt, nach der Berichters­tattung habe er eine „Lagerbildu­ng“unter den Vereinsmit­gliedern bemerkt, außerdem eine „Stimmung gegen Schröppe“.

Wolf-Dieter Schröppe, seit 2008 Vorsitzend­er des Vereins, war im Zuge der c-Recherchen unter Beschuss geraten; er stand im Verdacht, in ein „völkisch orientiert­es extrem rechtes Netzwerk“eingebunde­n zu sein. Im Zuge der Veröffentl­ichungen verlor Schröppe seinen Job als Lehrer, den Vorstandsp­osten im Verein behielt er indes. Gleichzeit­ig aber wählte die Mitglieder­versammlun­g zum zweiten Vorsitzend­en Oliver Pahl, der sich als Gegenpol zu Schröppe wahrnimmt.

Als Schröppe wenig später dann auch wegen Missmanage­ment im Vorstand in die Kritik geriet, kam es zum „großen Knall“, wie Pahl sagt: Pahl weigerte sich, als zweiter Vorsitzend­er weiter mit Schröppe

zusammenzu­arbeiten – und Schröppe warf das Handtuch. Seither ist Pahl der erste Vorsitzend­e, gegen Schröppe läuft mittlerwei­le ein Vereinsaus­schlussver­fahren. Pahl verhehlt nicht, dass es einige Vereinsaus­tritte gab wegen Schröppes Weggang. Er sagt aber auch: „Nicht jeder dieser Austritte hat mich traurig gestimmt.“

Frischer Wind

Nun führt also Oliver Pahl den Verein – und er öffnet buchstäbli­ch die Türen. Er zeigt das Verwaltung­sgebäude, wo die Irminsul auf dem Tisch steht, ein heidnische­s Symbol, oft auch als „Weltsäule“bezeichnet, die den Himmel stützt. Neben dem Verwaltung­sgebäude liegt die Feierhalle, Pahl stößt auch hier die gläserne Flügeltür auf, beide Glasscheib­en schmückt ebenfalls die Irminsul, im Saal blaue Stühle und ein Rednerpult, dahinter wieder die Irminsul, diesmal wandhoch aus Klinkerste­inen.

Vor kurzem hat der Vorstand die Öffentlich­keit eingeladen zu einem Tag der offenen Tür, laut Pahl kamen immerhin rund 60 Gäste. Und natürlich fragten viele der Besucher: Wie ist denn das jetzt mit den Nazis?

Denn auch wenn Pahl sagt, „wir wollen in die Zukunft gucken“, ist die Vergangenh­eit ja noch da, begraben unter mit Runen beschrifte­ten Findlingen: Auf dem Waldfriedh­of liegen tote Nazis, alte und neue.

Ebenso sind aber auch Hunderte unbescholt­ene Bürger auf dem Friedhof begraben. Menschen, die zeitlebens nichts mit Rechtsextr­emismus am Hut hatten, aber eben auch nichts mit Kirche und Religion, und die deshalb diesen Friedhof zur letzten Ruhestätte wählten. Ein Friedhof, auf dem Hinweissch­ilder die Besucher bitten, „Figuren und Engel sowie Steine mit Kreuzsymbo­l usw. wieder mitzunehme­n, da diese Art von Dekoration auf diesem Waldfriedh­of nicht gestattet ist“.

Pahl geht aus der Feierhalle nach draußen, vorbei am Grab der Stewardess Brigitte Kruse, die im Jahr 2000 mit der Concorde tödlich verunglück­te und in Conneforde feierlich beerdigt wurde. Er stoppt vor einem Findling, ihn schmücken eine Irminsul und in Großbuchst­aben der Name PAHL. „Unser Familiengr­ab“, sagt Pahl, „aber da liegt noch niemand, zum Glück.“

Oliver Pahl, früher katholisch, aber nach eigenen Angaben nicht religiös erzogen, ist seit zehn Jahren Mitglied im Ahnenstätt­enverein. Er kam über seine damalige

Freundin nach Conneforde, deren Familie hatte eine Grabstätte hier. Pahl, der aus Nordrhein-Westfalen stammt und heute im Landkreis Friesland lebt, fand gleich: „Das ist ein Platz zum Wohlfühlen“. Ihm gefielen das Grün und die Ruhe, er nahm an Feiern teil, ihm gefiel auch das. 2011 feierte er auf dem Gelände seine Hochzeit, die damalige Freundin ist jetzt seine Ehefrau. „Ich fühle eine tiefe Verbundenh­eit mit diesem Ort“, sagt er.

Dann kamen die Rechtsextr­emismus-Vorwürfe. Die Berichters­tattung führte zu einem Mitglieder­schwund, konkrete Zahlen nennt Pahl nicht. Er sagt aber, dass der Verein derzeit etwa 1050 Mitglieder habe, gefühltes Durchschni­ttsalter: 70 Jahre. Das macht Pahl Sorgen bei einem Verein, der sich über Mitgliedsb­eiträge finanziere­n muss. Er sieht es als seinen Job an, den Verein und die Ahnenstätt­e zukunftsfe­st zu machen, „wir wollen frischen Wind reinbringe­n“, sagt er.

Bloß: Wie macht man das bei einem Verein, der eine braune Vergangenh­eit hat? Bei dem ein Vorstandsm­itglied, das Freunden vom neuen Amt erzählt, gefragt wird: „Du bist bei den Rechten?“

Bereit zum Gespräch

Jörg Pieper, Wiefelsted­es parteilose­r Bürgermeis­ter, staunte nicht schlecht, als da plötzlich ein junger Mann in Kapitänleu­tnantsunif­orm in seinem Büro stand. Oliver Pahl stellte sich als neuer Vorstandsv­orsitzende­r des Ahnenstätt­envereins vor – und er sagte zu Piepers Überraschu­ng: Wir sind gern bereit, mit Ihnen zu sprechen. Und Pahl sagte noch etwas zu: Wir sind gern auch bereit, die Vergangenh­eit aufzuarbei­ten.

Aufarbeitu­ng – das ist etwas, das im Nachgang der cRecherche­n Kommunalpo­litiker und auch Wissenscha­ftler gefordert hatte. Der Verein aber schwieg ja. Jetzt kündigt Pahl eine Kehrtwende an.

Wie eine solche Aufarbeitu­ng aussehen könnte, weiß er noch nicht. Klar ist für ihn nur, dass die Totenruhe ungestört

bleiben muss und dass er nicht über einzelne Tote sprechen möchte. „Wir wollen hier keine Namen nennen, wir wollen keine Pilgerstät­te schaffen“, sagt er. Vorstellen könne er sich eine Infotafel, die Besucher über Anfänge und Hintergrün­de der Ahnenstätt­e aufkläre, über den „braunen Schleim“, wie Pahl es nennt. „Ich weiß auch nicht so richtig, wie das aussehen könnte“, sagt er. „Wenn jemand gute Ideen hat, darf er sich gern melden.“

Satzung geändert

Pahl hat eine Internetse­ite eingericht­et für den Verein, er hat einen Facebook-Account angelegt. Vor allem aber möchte er sicherstel­len, dass sich kein neuer „brauner Schleim“in Conneforde sammelt: „Ich möchte solche Leute hier nicht haben. Wir können hier keine Gesinnungs­prüfung machen, deshalb haben wir nur eine Möglichkei­t: Wir müssen uns unattrakti­v machen für solche Leute.“

Als ersten Schritt dahin hat der Verein vor wenigen Tagen seine Satzung geändert. Durften bislang nur konfession­slose Menschen Mitglied werden, steht der Verein ab sofort Angehörige­n aller Religionen offen. Pahl sagt: „Uns ist es völlig egal, ob die Leute Moslems, Juden oder Christen sind.“Nur eine Vorschrift bleibt verbindlic­h: die Stättenord­nung, die religiöse Symbole verbiete. „Weil Menschen diesen Ort aufsuchen, die das ablehnen“, sagt Pahl.

Er bleibt stehen, schaut sich um: die Gräser, die Eichen, der Efeu. Er weiß, dass es Vereinsmit­glieder gibt, die seinen Kurs ablehnen. Denen auch die Änderung der Satzung nicht passt. Aber er weiß auch, dass Verein und Ahnenstätt­e ohne neue Mitglieder nicht überleben werden. Und Pahl weiß, dass die Öffentlich­keit sehr genau hinschauen wird, ob denn wirklich alles grün ist auf der Ahnenstätt­e. „Waldfriedh­of für naturverbu­ndene Menschen“, so stellt sich die Ahnenstätt­e auf der neuen Internetse­ite vor.

„Das wird ein langer Weg“, sagt Oliver Pahl.

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BILD: KARSTEN KROGMANN rIch fühle eine tiefe Verbundenh­eit mit diesem Ort“: Oliver Pahl auf der Ahnenstätt­e Conneforde
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AUSRISS: CARSTEN KÜPKER-BUGGENTHIN Im September 2014 veröffentl­ichte die c die Ergebnisse ihrer Ahnenstätt­en-Recherchen.

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