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Oie der neue Vorstand den Ruf der umstrittenen Ahnenstätte Conneforde reparieren will
Der idyllische Waldfriedhof im Ammerland hat ein zweifelhaftes Image. Oliver Pahl, der neue Vorsitzende des Ahnenstättenvereins, will nun die anrüchige Vergangenheit aufarbeiten.
CONNEFORDE AoorH JlrL ormchtet grün, am Boden die Gräser, am Himmel die Baumkronen, und sogar dazwischen, an den braunen Eichenstämmen, klettert grün der Efeu hinauf. Durchs Laub tropfen hellgrüne Sonnenkleckse, in dunkelgrünen Verstecken zwitschern Vögel.
Hinter dem Reetdachtor wartet Oliver Pahl, schlank, blond, jungenhaftes Gesicht; er raucht noch schnell eine Zigarette. Man hat ihn gewarnt, er solle besser nicht mit der Zeitung sprechen, die so schlimme Dinge über die idyllische Ahnenstätte Conneforde geschrieben hat: dass sie unter tatkräftiger Mithilfe von Alt-Nazis gegründet worden sei, dass Neu-Nazis den dazugehörigen Ahnenstättenverein unterwandert hätten, dass alte und neue Nazis aus ganz Deutschland hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten. Kurz: dass die eigentliche Farbe dieses Waldfriedhofs nicht grün sei, sondern braun.
Aber Pahl, 36 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder, spricht mit der Zeitung. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagt er fröhlich. „Wer uns fragt, kriegt auch eine Antwort.“
Im Verein brodelte es
Das war lange Zeit anders. Als die c 2014 den braunen Hintergrund von Ahnenstätte und Ahnenstättenverein freilegte, igelte sich der Vorstand ein. Es gab keine Stellungnahme für die Presse, auch die Gesprächsanfragen der Gemeinde Wiefelstede lehnte der Verein ab. Kaum ein Wort drang nach draußen, abgesehen von knappen Notizen aus der Jahreshauptversammlung, in denen sich der Vereinsvorstand über die „Verunglimpfung“durch die Zeitung beklagte.
Doch drinnen brodelte es fortan, wie Pahl jetzt berichtet. Der Marinesoldat, nach eigener Einschätzung „unbescholten“und „politisch weltoffen“, ist seit einigen Monaten erster Vorsitzender des Ahnenstättenvereins. Pahl sagt, nach der Berichterstattung habe er eine „Lagerbildung“unter den Vereinsmitgliedern bemerkt, außerdem eine „Stimmung gegen Schröppe“.
Wolf-Dieter Schröppe, seit 2008 Vorsitzender des Vereins, war im Zuge der c-Recherchen unter Beschuss geraten; er stand im Verdacht, in ein „völkisch orientiertes extrem rechtes Netzwerk“eingebunden zu sein. Im Zuge der Veröffentlichungen verlor Schröppe seinen Job als Lehrer, den Vorstandsposten im Verein behielt er indes. Gleichzeitig aber wählte die Mitgliederversammlung zum zweiten Vorsitzenden Oliver Pahl, der sich als Gegenpol zu Schröppe wahrnimmt.
Als Schröppe wenig später dann auch wegen Missmanagement im Vorstand in die Kritik geriet, kam es zum „großen Knall“, wie Pahl sagt: Pahl weigerte sich, als zweiter Vorsitzender weiter mit Schröppe
zusammenzuarbeiten – und Schröppe warf das Handtuch. Seither ist Pahl der erste Vorsitzende, gegen Schröppe läuft mittlerweile ein Vereinsausschlussverfahren. Pahl verhehlt nicht, dass es einige Vereinsaustritte gab wegen Schröppes Weggang. Er sagt aber auch: „Nicht jeder dieser Austritte hat mich traurig gestimmt.“
Frischer Wind
Nun führt also Oliver Pahl den Verein – und er öffnet buchstäblich die Türen. Er zeigt das Verwaltungsgebäude, wo die Irminsul auf dem Tisch steht, ein heidnisches Symbol, oft auch als „Weltsäule“bezeichnet, die den Himmel stützt. Neben dem Verwaltungsgebäude liegt die Feierhalle, Pahl stößt auch hier die gläserne Flügeltür auf, beide Glasscheiben schmückt ebenfalls die Irminsul, im Saal blaue Stühle und ein Rednerpult, dahinter wieder die Irminsul, diesmal wandhoch aus Klinkersteinen.
Vor kurzem hat der Vorstand die Öffentlichkeit eingeladen zu einem Tag der offenen Tür, laut Pahl kamen immerhin rund 60 Gäste. Und natürlich fragten viele der Besucher: Wie ist denn das jetzt mit den Nazis?
Denn auch wenn Pahl sagt, „wir wollen in die Zukunft gucken“, ist die Vergangenheit ja noch da, begraben unter mit Runen beschrifteten Findlingen: Auf dem Waldfriedhof liegen tote Nazis, alte und neue.
Ebenso sind aber auch Hunderte unbescholtene Bürger auf dem Friedhof begraben. Menschen, die zeitlebens nichts mit Rechtsextremismus am Hut hatten, aber eben auch nichts mit Kirche und Religion, und die deshalb diesen Friedhof zur letzten Ruhestätte wählten. Ein Friedhof, auf dem Hinweisschilder die Besucher bitten, „Figuren und Engel sowie Steine mit Kreuzsymbol usw. wieder mitzunehmen, da diese Art von Dekoration auf diesem Waldfriedhof nicht gestattet ist“.
Pahl geht aus der Feierhalle nach draußen, vorbei am Grab der Stewardess Brigitte Kruse, die im Jahr 2000 mit der Concorde tödlich verunglückte und in Conneforde feierlich beerdigt wurde. Er stoppt vor einem Findling, ihn schmücken eine Irminsul und in Großbuchstaben der Name PAHL. „Unser Familiengrab“, sagt Pahl, „aber da liegt noch niemand, zum Glück.“
Oliver Pahl, früher katholisch, aber nach eigenen Angaben nicht religiös erzogen, ist seit zehn Jahren Mitglied im Ahnenstättenverein. Er kam über seine damalige
Freundin nach Conneforde, deren Familie hatte eine Grabstätte hier. Pahl, der aus Nordrhein-Westfalen stammt und heute im Landkreis Friesland lebt, fand gleich: „Das ist ein Platz zum Wohlfühlen“. Ihm gefielen das Grün und die Ruhe, er nahm an Feiern teil, ihm gefiel auch das. 2011 feierte er auf dem Gelände seine Hochzeit, die damalige Freundin ist jetzt seine Ehefrau. „Ich fühle eine tiefe Verbundenheit mit diesem Ort“, sagt er.
Dann kamen die Rechtsextremismus-Vorwürfe. Die Berichterstattung führte zu einem Mitgliederschwund, konkrete Zahlen nennt Pahl nicht. Er sagt aber, dass der Verein derzeit etwa 1050 Mitglieder habe, gefühltes Durchschnittsalter: 70 Jahre. Das macht Pahl Sorgen bei einem Verein, der sich über Mitgliedsbeiträge finanzieren muss. Er sieht es als seinen Job an, den Verein und die Ahnenstätte zukunftsfest zu machen, „wir wollen frischen Wind reinbringen“, sagt er.
Bloß: Wie macht man das bei einem Verein, der eine braune Vergangenheit hat? Bei dem ein Vorstandsmitglied, das Freunden vom neuen Amt erzählt, gefragt wird: „Du bist bei den Rechten?“
Bereit zum Gespräch
Jörg Pieper, Wiefelstedes parteiloser Bürgermeister, staunte nicht schlecht, als da plötzlich ein junger Mann in Kapitänleutnantsuniform in seinem Büro stand. Oliver Pahl stellte sich als neuer Vorstandsvorsitzender des Ahnenstättenvereins vor – und er sagte zu Piepers Überraschung: Wir sind gern bereit, mit Ihnen zu sprechen. Und Pahl sagte noch etwas zu: Wir sind gern auch bereit, die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Aufarbeitung – das ist etwas, das im Nachgang der cRecherchen Kommunalpolitiker und auch Wissenschaftler gefordert hatte. Der Verein aber schwieg ja. Jetzt kündigt Pahl eine Kehrtwende an.
Wie eine solche Aufarbeitung aussehen könnte, weiß er noch nicht. Klar ist für ihn nur, dass die Totenruhe ungestört
bleiben muss und dass er nicht über einzelne Tote sprechen möchte. „Wir wollen hier keine Namen nennen, wir wollen keine Pilgerstätte schaffen“, sagt er. Vorstellen könne er sich eine Infotafel, die Besucher über Anfänge und Hintergründe der Ahnenstätte aufkläre, über den „braunen Schleim“, wie Pahl es nennt. „Ich weiß auch nicht so richtig, wie das aussehen könnte“, sagt er. „Wenn jemand gute Ideen hat, darf er sich gern melden.“
Satzung geändert
Pahl hat eine Internetseite eingerichtet für den Verein, er hat einen Facebook-Account angelegt. Vor allem aber möchte er sicherstellen, dass sich kein neuer „brauner Schleim“in Conneforde sammelt: „Ich möchte solche Leute hier nicht haben. Wir können hier keine Gesinnungsprüfung machen, deshalb haben wir nur eine Möglichkeit: Wir müssen uns unattraktiv machen für solche Leute.“
Als ersten Schritt dahin hat der Verein vor wenigen Tagen seine Satzung geändert. Durften bislang nur konfessionslose Menschen Mitglied werden, steht der Verein ab sofort Angehörigen aller Religionen offen. Pahl sagt: „Uns ist es völlig egal, ob die Leute Moslems, Juden oder Christen sind.“Nur eine Vorschrift bleibt verbindlich: die Stättenordnung, die religiöse Symbole verbiete. „Weil Menschen diesen Ort aufsuchen, die das ablehnen“, sagt Pahl.
Er bleibt stehen, schaut sich um: die Gräser, die Eichen, der Efeu. Er weiß, dass es Vereinsmitglieder gibt, die seinen Kurs ablehnen. Denen auch die Änderung der Satzung nicht passt. Aber er weiß auch, dass Verein und Ahnenstätte ohne neue Mitglieder nicht überleben werden. Und Pahl weiß, dass die Öffentlichkeit sehr genau hinschauen wird, ob denn wirklich alles grün ist auf der Ahnenstätte. „Waldfriedhof für naturverbundene Menschen“, so stellt sich die Ahnenstätte auf der neuen Internetseite vor.
„Das wird ein langer Weg“, sagt Oliver Pahl.