SPD und Grüne fahnden nach Abweichler
Zukunft von Sozialdezernentin Dagmar Sachse offen – Eine Stimme fehlte zur Wiederwahl
Einen Tag nach der unerwarteten Niederlage von Dagmar Sachse im Rat herrscht Katerstimmung. Es ist offen, ob die Dezernentin für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung steht.
OLDENBURG Blumen standen bereit; Gratulation durch den Oberbürgermeister und Foto mit der Dezernentin im Anschluss an die Abstimmung sah der Ablaufplan für die Ratssitzung vor.
Mit dem, was am Montagabend passierte, hat niemand gerechnet. Die Abstimmung würde knapp; das wusste man, nachdem die Fraktionen von CDU und WFO-LKR im Vorfeld angekündigt hatten, Dagmar Sachse nicht zu wählen und Linke und FDP sich enthalten wollten.
Rechnerische Mehrheit
Die bürgerlichen Parteien verweigerten ihre Gefolgschaft wegen des Inklusionskurses. Die Linke hatte ihr vorgeworfen, die Wohnungsprobleme auf Kosten der
Ärmsten der Stadtgesellschaft zu lösen. Doch SPD und Grüne verfügen über eine Mehrheit – und beide Fraktionen hatten sich für die Wiederwahl ausgesprochen.
Mit der geheimen Abstimmung, die Christoph Brederlow (AfD) beantragte, stieg die Spannung sprunghaft an. 49 der 51 Ratsmitglieder nahmen an der Sitzung teil; es fehlten Olaf Klaukien (CDU) und Sascha Brüggemann (Grüne).
Dagmar Sachse benötigte für die Wiederwahl die Hälfte aller Mitglieder des Rates – nicht nur die Hälfte der anwesenden Mitglieder – das heißt 26 Stimmen, wie Ratsvorsitzender Bernhard Ellberg ausführte. Einen zweiten Wahlgang sehen die Statuten nicht vor. SPD und Grüne verfügten
an diesem Abend zusammen über genau diese 26 Stimmen.
Die Ratsmitglieder wurden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen, gingen zur Wahlkabine und warfen ihren Stimmzettel ein. Die Wahlkommission zählte zweimal aus – doch das Ergebnis änderte sich nicht: 25 Ratsmitglieder hatten sich für Dagmar Sachse ausgesprochen, 18 dagegen, 6 enthielten sich. Stille, ungläubiges Schweigen, – Sachse war durchgefallen.
Fassungslose Gesichter
Eine Sitzungsunterbrechung erlaubte es den zum Teil fassungslosen Ratsmitgliedern, die Überraschung zu realisieren. Dagmar Sachse, die den Wahlgang auf ihrem Platz neben Oberbürgermeister Jürgen Krogmann und Baudezernentin Gabriele Nießen verfolgt hatte, verließ wortlos die Sitzung. Wer war’s? – Diese Frage war beherrschendes Thema unter den Ratsvertretern. Das Ergebnis zeigt: Das rot-grüne Lager konnte nicht alle Stimmen für Sachse mobilisieren.
Gab es eine Abweichlerin oder einen Abweichler? Wer stimmt mit „Nein“im klaren Bewusstsein, dass die Dezernentin dann durchfällt? Im Vorfeld seien fraktionsintern keine Hinweise auf ein abweichenden Abstimmungsverhalten zu erkennen gewesen, versichern die Fraktionsspitzen von SPD und Grünen.
„Ein trauriger Tag“
Wie geht es weiter? Oberbürgermeister Krogmann äußerte sich betroffen. „Das ist ein sehr trauriger Tag. Für Frau Sachse tut es mir sehr leid.“Grundsätzlich sei es möglich, nach der Sommerpause die Sozialdezernentin erneut vorzuschlagen. Doch ist Dagmar Sachse überhaupt dazu bereit? Und wie ließe sich eine erneute Niederlage ausschließen? Diese Fragen blieben auch am Tag nach der Wahlschlappe offen.
Die Dezernentin sagte am Dienstagmorgen ihre Termine für den Tag ab und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. An Spekulationen wolle er sich nicht beteiligen, sagte SPD-Fraktionschef Ulf Prange auf die Frage nach einem Abweichler in der Fraktion. „Bei unserer Vorberatung war die Meinung ziemlich einhellig.“Ob Dagmar Sachse noch einmal antreten solle, ließ Prange offen. „Am Montagabend hat ja ein Mitglied der Grünen gefehlt.“
Der Fraktionssprecher der Grünen, Sebastian Beer, war eindeutiger: „Wir wünschen uns, dass Frau Sachse den Mut aufbringt und sich noch einmal der Wahl stellt.“Aus Sicht der CDU trifft die Wahlniederlage auch den Oberbürgermeister. Der OB habe den Fehler gemacht, die anderen Fraktionen im Vorfeld nicht nach ihrer Meinung zu fragen.
Hans-Henning Adler (Linke) hält es für möglich, dass seine Gruppe bei einer zweiten Wahl ihr Abstimmungsverhalten ändern könnte. „Doch nicht einfach so“, sagte Adler der Ð. Voraussetzung wäre, dass die Verwaltung der Linken entgegenkommt bei der Frage der Transferbezieher und bei der Unterbringung der Jugendverbände.