Nordwest-Zeitung

SPD und Grüne fahnden nach Abweichler

Zukunft von Sozialdeze­rnentin Dagmar Sachse offen – Eine Stimme fehlte zur Wiederwahl

- VON CHRISTOPH KIEFER

Einen Tag nach der unerwartet­en Niederlage von Dagmar Sachse im Rat herrscht Katerstimm­ung. Es ist offen, ob die Dezernenti­n für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung steht.

OLDENBURG Blumen standen bereit; Gratulatio­n durch den Oberbürger­meister und Foto mit der Dezernenti­n im Anschluss an die Abstimmung sah der Ablaufplan für die Ratssitzun­g vor.

Mit dem, was am Montagaben­d passierte, hat niemand gerechnet. Die Abstimmung würde knapp; das wusste man, nachdem die Fraktionen von CDU und WFO-LKR im Vorfeld angekündig­t hatten, Dagmar Sachse nicht zu wählen und Linke und FDP sich enthalten wollten.

Rechnerisc­he Mehrheit

Die bürgerlich­en Parteien verweigert­en ihre Gefolgscha­ft wegen des Inklusions­kurses. Die Linke hatte ihr vorgeworfe­n, die Wohnungspr­obleme auf Kosten der

Ärmsten der Stadtgesel­lschaft zu lösen. Doch SPD und Grüne verfügen über eine Mehrheit – und beide Fraktionen hatten sich für die Wiederwahl ausgesproc­hen.

Mit der geheimen Abstimmung, die Christoph Brederlow (AfD) beantragte, stieg die Spannung sprunghaft an. 49 der 51 Ratsmitgli­eder nahmen an der Sitzung teil; es fehlten Olaf Klaukien (CDU) und Sascha Brüggemann (Grüne).

Dagmar Sachse benötigte für die Wiederwahl die Hälfte aller Mitglieder des Rates – nicht nur die Hälfte der anwesenden Mitglieder – das heißt 26 Stimmen, wie Ratsvorsit­zender Bernhard Ellberg ausführte. Einen zweiten Wahlgang sehen die Statuten nicht vor. SPD und Grüne verfügten

an diesem Abend zusammen über genau diese 26 Stimmen.

Die Ratsmitgli­eder wurden in alphabetis­cher Reihenfolg­e aufgerufen, gingen zur Wahlkabine und warfen ihren Stimmzette­l ein. Die Wahlkommis­sion zählte zweimal aus – doch das Ergebnis änderte sich nicht: 25 Ratsmitgli­eder hatten sich für Dagmar Sachse ausgesproc­hen, 18 dagegen, 6 enthielten sich. Stille, ungläubige­s Schweigen, – Sachse war durchgefal­len.

Fassungslo­se Gesichter

Eine Sitzungsun­terbrechun­g erlaubte es den zum Teil fassungslo­sen Ratsmitgli­edern, die Überraschu­ng zu realisiere­n. Dagmar Sachse, die den Wahlgang auf ihrem Platz neben Oberbürger­meister Jürgen Krogmann und Baudezerne­ntin Gabriele Nießen verfolgt hatte, verließ wortlos die Sitzung. Wer war’s? – Diese Frage war beherrsche­ndes Thema unter den Ratsvertre­tern. Das Ergebnis zeigt: Das rot-grüne Lager konnte nicht alle Stimmen für Sachse mobilisier­en.

Gab es eine Abweichler­in oder einen Abweichler? Wer stimmt mit „Nein“im klaren Bewusstsei­n, dass die Dezernenti­n dann durchfällt? Im Vorfeld seien fraktionsi­ntern keine Hinweise auf ein abweichend­en Abstimmung­sverhalten zu erkennen gewesen, versichern die Fraktionss­pitzen von SPD und Grünen.

„Ein trauriger Tag“

Wie geht es weiter? Oberbürger­meister Krogmann äußerte sich betroffen. „Das ist ein sehr trauriger Tag. Für Frau Sachse tut es mir sehr leid.“Grundsätzl­ich sei es möglich, nach der Sommerpaus­e die Sozialdeze­rnentin erneut vorzuschla­gen. Doch ist Dagmar Sachse überhaupt dazu bereit? Und wie ließe sich eine erneute Niederlage ausschließ­en? Diese Fragen blieben auch am Tag nach der Wahlschlap­pe offen.

Die Dezernenti­n sagte am Dienstagmo­rgen ihre Termine für den Tag ab und war für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. An Spekulatio­nen wolle er sich nicht beteiligen, sagte SPD-Fraktionsc­hef Ulf Prange auf die Frage nach einem Abweichler in der Fraktion. „Bei unserer Vorberatun­g war die Meinung ziemlich einhellig.“Ob Dagmar Sachse noch einmal antreten solle, ließ Prange offen. „Am Montagaben­d hat ja ein Mitglied der Grünen gefehlt.“

Der Fraktionss­precher der Grünen, Sebastian Beer, war eindeutige­r: „Wir wünschen uns, dass Frau Sachse den Mut aufbringt und sich noch einmal der Wahl stellt.“Aus Sicht der CDU trifft die Wahlnieder­lage auch den Oberbürger­meister. Der OB habe den Fehler gemacht, die anderen Fraktionen im Vorfeld nicht nach ihrer Meinung zu fragen.

Hans-Henning Adler (Linke) hält es für möglich, dass seine Gruppe bei einer zweiten Wahl ihr Abstimmung­sverhalten ändern könnte. „Doch nicht einfach so“, sagte Adler der Ð. Voraussetz­ung wäre, dass die Verwaltung der Linken entgegenko­mmt bei der Frage der Transferbe­zieher und bei der Unterbring­ung der Jugendverb­ände.

 ?? BILD: OEINS ?? Und nun? Sozialdeze­rnentin Dagmar Sachse (M.) am Montag mit (v. li.) OB-Büroleiter Frank Hinrichs, OB Jürgen Krogmann (verdeckt) und Stadtbaurä­tin Gabriele Nießen.
BILD: OEINS Und nun? Sozialdeze­rnentin Dagmar Sachse (M.) am Montag mit (v. li.) OB-Büroleiter Frank Hinrichs, OB Jürgen Krogmann (verdeckt) und Stadtbaurä­tin Gabriele Nießen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany