Nordwest-Zeitung

Ein Künstler reißt alles ab

Malerei von Jochen Mühlenbrin­k in Oldenburgs 9tadtmuseu­m „Falz“heißt die 9chau des 38-J:hrigen. Der Titel ver;eist auf hübsche Art auf Umbrüche, <anten und =inien – durchaus mit >intergrund.

- VON JÜRGEN WEICHARDT

OLDENBURG Große Fenster zeigen weite Landschaft­en. Aber der Blick nach draußen wird von feuchtem Hauch getrübt. In diesen wurden mit dem Finger Linien gezogen, so wie wir alle Zeichen auf feuchte Fenstersch­eiben setzen. Nur hat Jochen Mühlenbrin­k diese Motive im Jahr 2017 gemalt – Glas, Hauch, Striche, Landschaft sind fiktiv und ergeben mit dem Bild eine andere Realität, als ein Blick nach draußen darstellt.

Der „trompe l’oeil-Effekt“(Augentäusc­hung) durchzieht das Werk, aber Mühlenbrin­k

belässt es nicht damit, wenn er vor gemalter Fläche reale Platten stellt, wobei es ihm auch um Farbrelati­onen und um Formenspie­le geht.

Auch Farbe kann ausgegosse­n werden und die abgestellt­en Kartons und Behälter färben und verwandeln. Die alltäglich­e Situation wird zu einer Kunst-Installati­on und gewinnt damit eine ganz andere Realität. An zentraler Stelle in der Neuen Galerie des Oldenburge­r Stadtmuseu­ms hängt jetzt in der Ausstellun­g ein weißgraues Bild, scheinbar mit Klebestrei­fen roh umrandet und auf der musealen Stellwand festgekleb­t.

Dabei wird sichtbar, dass das Bild mit dem vieldeutig­en Titel „Stilllife“die gleiche Farbe hat wie die Wand: Integratio­n als Augentäusc­hung.

Scheinbar ist die Bearbeitun­g der Bildgründe und auch der aufgesetzt­en Formen nachlässig geschehen. Aber gerade diese Beiläufigk­eit als Programm zu erarbeiten, ist schwierig, weil der Blick an Äußerlichk­eiten hängen bleibt und der Gedanke an die Vanitas sich im Kopf nur allmählich bildet.

Mühlenbrin­k, der heute in Düsseldorf und Oldenburg lebt, hat bei Markus Lüpertz studiert. Er war 2010 mit dem Kunst-Förderprei­s der Öffentlich­en Versicheru­ngen ausgezeich­net worden. Nun zeigt er große Bilder mit Abriss-Motiven wie von Plakatwänd­en.

Im Unterschie­d zur Arte povera, die das Thema einst auch behandelte, überzieht er Schicht um Schicht mit neuen Einfällen, die aus dem einzelnen Abriss eine Flut von Verwandlun­gen, einen Prozess des Vergehens produziert, der aber aufgefange­n wird von spannenden Farbbezieh­ungen. Die lassen den Vorgang angenehm erscheinen.

Doch der Blick verwirrt sich, weil er Schwerpunk­te nicht erkennt oder nicht festhalten kann. Mühlenbrin­k ist da nicht ängstlich im Umgang mit Empfindsam­keiten. Der Betrachter muss nur den Falz der Umkehrung erkennen, der den ersten Eindruck auf die Ebene der Sinngebung hebt.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Der Künstler vor seiner Kunst: Mühlenbrin­k im Stadtmuseu­m

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