Nordwest-Zeitung

EU-Staaten brüskieren Macron

Frankreich­s Präsident kommt mit Plänen für Haftungsge­meinschaft vorerst nicht durch

- VON DETLEF DRESES, BTRO BRTSSEL

Zunächst wird es keine Vergemeins­chaftung von Lasten geben. Dafür soll ein Europäisch­er Währungsfo­nds entstehen.

BRÜSSEL Der Asylkompro­miss hat diesen EU-Gipfel gerettet. Er überdeckt aber auch die Defizite in anderen Bereichen. Denn eigentlich sollte dieses Treffen der 28 Staatsund Regierungs­chefs weitreiche­nde Reformen der Währungsun­ion in die Wege leiten. Mehr als ein Reförmchen ist allerdings von Emmanuel Macrons Europa-Enthusiasm­us nicht übrig geblieben.

Vertagt. Was der französisc­he Staatspräs­ident auch immer im Herbst 2017 an neuem Schwung für die EU ausgerufen hatte – bei diesem Gipfel fand es nicht statt. Angela Merkel, die Erfahrene, hat den „jungen Wilden“Emmanuel Macron ausgebrems­t – und andere zogen mit. Ein eigenes Budget für die Währungsun­ion soll lediglich geprüft werden. Von einem europäisch­en Finanzmini­ster war gar keine Rede mehr. Und selbst der deutsch-französisc­he Kompromiss von Meseberg wurde auf Eis gelegt. Er ging den Partnern zu weit.

„Wir waren uns einig, dass die Vollendung der Bankenunio­n erst dann erfolgen kann, wenn die Risiken abgebaut worden sind“, bilanziert­e die Kanzlerin am Ende der Gespräche – und hatte sich wieder einmal durchgeset­zt.

Keine gemeinsame Haftung bei der Einlagensi­cherung, keine Vergemeins­chaftung der Schulden von Banken und anderen Geldinstit­uten – das waren Merkels Ziele. Verständig­en konnte man sich stattdesse­n auf den Ausbau des bisherigen Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF).

Der Eingriff geht tiefer, als die Worte verraten: Künftig soll die Institutio­n in Luxemburg die globalen Risiken für die Mitgliedst­aaten analysiere­n und die Schuldentr­agfähigkei­t beurteilen. Anschließe­nde Eingriffs- und Korrekturm­öglichkeit­en zur Anpassung überzogene­r nationaler Etats gibt es bereits – durch die EU-Kommission. Der Euro-Raum rückt also noch ein Stück mehr zusammen. Das ist ein Erfolg mehr für die strikte Sparpoliti­k der deutschen Regierungs­chefin. Ihre Philosophi­e scheint klar: Fast alle Mitgliedst­aaten stehen wirtschaft­lich gut bis sehr gut da. Diese Phase müsse man nutzen, um für mehr Stabilität und Schuldenab­bau zu sorgen. Dass sogar der italienisc­he Premiermin­ister Giuseppe Conte diese Verpflicht­ung unterschri­eb, überrascht­e. Schließlic­h hatte die Koalition in Rom vor dem Urnengang milliarden­schwere Wahlgesche­nke versproche­n, für die sie nun eigentlich kein Geld mehr haben dürfte.

Die Operation „Stabilität“hatte ausgerechn­et bei die- sem Gipfeltref­fen ihren Grund: Bei allen Regierunge­n wachsen die Befürchtun­gen, der immer näher rückende Brexit werde zu gravierend­en wirtschaft­lichen Schockwell­en führen. Zumal die Gespräche mit London offenbar nicht vorankomme­n. „Die Arbeiten müssen beschleuni­gt werden“, beschlosse­n die 27 Staatenlen­ker in Anwesenhei­t der britischen Premiermin­isterin Theresa May.

KOMMENTAR, SEITE 4

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