Nichts ist gut in Griechenland
So kann das manchmal gehen: Da stellen sich Politiker hin, geben ein starkes Statement ab, alle plappern es nach, und die Aussage etabliert sich als Wahrheit. Allerdings handelt es sich in vielen Fällen nur um eine gefühlte Wahrheit.
Beispiel Griechenland: Die griechische Krise ist vorbei“, meint EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici jüngst. Er meinte das allerdings nicht etwa – sagen wir mal – bei einem Festakt zur Feier der letzten griechischen Rückzahlungsrate an die Gläubiger. Nein – es war nach einer Tagung auf der beschlossen wurde, eine 15-Milliarden-Rate an das Land zu zahlen und ihm einen Schuldenschnitt zu gewähren.
Die Griechen-Krise ist daher keineswegs vorbei.
Aus diversen Rettungspaketen steht Griechenland nämlich mit insgesamt 274 Milliarden Euro bei seinen Gläubigern in der Kreide. Der Schuldenstand liegt bei rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Laufzeiten sind so absurd, wie die Annahmen der EU-Finanzminister über die Umstände der Rückzahlung blauäugig sind. Die gehen nämlich davon aus, dass Athen in den kommenden Jahrzehnten regelmäßig planbare Budgetüberschüsse realisiert. Der Blick auf die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass dies noch niemals irgendwo der Fall war. Ökonomen-Verdikt: „Im Grunde handelt es sich um einen Fall von Konkursverschleppung.“Das sagt jedenfalls Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
In dieses Bild ordnet sich auch die mutmaßliche Gewissheit vom unmoralischen deutschen Profit aus der Griechenland-Rettung ein. Zum Ersten sind Zinsen Kompensation für Risiken. Im Fall Griechenland sind die erheblich. Also: keine Unmoral. Zum Zweiten handelt es sich bei den 2,9 Milliarden Euro angesichts des Gesamtumfanges des Problems um Erdnüsse. Man könnte damit nicht einmal ein Drittel des Jahresbudgets des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestreiten. Zum Dritten werden angesichts der langen Laufzeiten die Rückzahlungen Griechenlands erheblich weniger Wert sein als heute. Stichwort: Inflation. Zum Vierten dürften die meisten Schulden Griechenlands ohnehin nie bedient werden.
Eine aktuelle Zwischenbilanz aber sieht so aus: Durch die Streckung der Rückzahlungsfristen und den Schuldenschnitt hilft Deutschland den Griechen mit mehr als 52 Milliarden Euro. Das haben Hamburger Ökonomen berechnet.
Das ganze läuft also analog zu diesem Beispiel: Ich leihe meinem Nachbarn hundert Euro. Nach zehn Jahren zahlt er mir einen Euro zurück, den Hunderter sehe ich aber nie wieder. Ich werde im Treppenhaus vom anderen Nachbarn als Wucherer beschimpft.