Groko offen für intelligente Überwachung
Automatische Gesichtserkennung – SPD und CDU sehen in der Technik Chancen
Intelligente Kameras könnten bald auch in Niedersachsen eingesetzt werden. Ein Modellversuch soll nun geprüft werden.
HANNOVER Gleich zweimal bekamen die Bundespolizisten am Berliner Bahnhof Südkreuz in der vergangenen Woche Besuch aus Niedersachsen: Einmal schaute sich eine Gruppe SPD-Landtagsabgeordneter um, einmal ein Trupp von der CDU.
Das Objekt des Interesses: ein Pilotprojekt im Bahnhof, mit dem intelligente Kameras Gesichter von Passanten automatisch erkennen können. Eine solche automatische Gesichtserkennung kann sich die Große Koalition auch hierzulande vorstellen. „Es handelt sich auch um ein denkbares Mittel für Niedersachsen. Hier wollen wir die Ergebnisse des Modellversuchs in Berlin bewerten und prüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Wie die Technik eingesetzt werden könnte, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen: Der SPD-Abgeordnete Karsten Becker denkt vor allem an sogenannte terroristische Gefährder, deren Gesichter man automatisch aus der Masse filtern könne. Der CDU-Innenpolitiker Uwe Schünemann könnte sich hingegen sogar die Erkennung von Hooligans in Fußballstadien vorstellen.
Nach dem Besuch in Berlin
geben sich Koalitionspolitiker erfreut über das Gesehene: „Das Programm tut das, was es tun sollte“, fasst der SPDInnenpolitiker Karsten Becker zusammen. Es sei „hinsichtlich seiner Zielsetzung bisher nicht gescheitert“. Übersetzt: Die Kameras finden die eingespeisten Testpersonen anhand von Passfotos in der Masse, die Zahl der „falsch positiven Treffer“, also der Leute, die der Computer verwechselt, sei gering. Insbesondere für die Beobachtung terroristischer „Gefährder“
hält er das Programm für tauglich. Trotzdem tritt Becker auf die Bremse: Zunächst brauche man belastbare Endergebnisse des bis Herbst laufenden Tests in Berlin, die bislang ausstehende gesetzliche Definition von „Gefährdern“im für Ende des Jahres erwarteten neuen Polizeigesetz sowie eine breite gesellschaftliche Diskussion, bevor derartige Kameras in Niedersachsen aufgehängt würden.
Auch eine Sprecherin von Innenminister Boris Pistorius (SPD) wollte sich nicht auf
eine schnelle Umsetzung einlassen: „Wir werden die Ergebnisse zunächst abwarten, auswerten und für uns überprüfen, ob und in welcher Form wir es für Niedersachsen umsetzen können.“
Bedenken hat der Datenschutz. Zwar sei man nicht grundsätzlich gegen Überwachung. Aber die biometrische Vermessung aller Passanten sei schon besonders. „Das ist eine völlig neue Dimension der Überwachung. Selbst wenn nur ein bestimmter Personenkreis gespeichert werden sollte, bleiben immer noch die Fragen, wie dieser Kreis definiert wird und zu welchen konkreten Anlässen eine Speicherung erfolgt“, sagt Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel. Derzeit gebe es darauf keine zufriedenstellenden Antworten, weshalb eine datenschutzrechtliche Bewertung im Moment nicht möglich sei. „Auch zur Frage der Fehleranfälligkeit des Systems benötigen wir noch umfassendere Informationen.“