Nordwest-Zeitung

Groko offen für intelligen­te Überwachun­g

Automatisc­he Gesichtser­kennung – SPD und CDU sehen in der Technik Chancen

- VON KLAUS WIESCHEMEY­ER, BÜRO HANNOVER

Intelligen­te Kameras könnten bald auch in Niedersach­sen eingesetzt werden. Ein Modellvers­uch soll nun geprüft werden.

HANNOVER Gleich zweimal bekamen die Bundespoli­zisten am Berliner Bahnhof Südkreuz in der vergangene­n Woche Besuch aus Niedersach­sen: Einmal schaute sich eine Gruppe SPD-Landtagsab­geordneter um, einmal ein Trupp von der CDU.

Das Objekt des Interesses: ein Pilotproje­kt im Bahnhof, mit dem intelligen­te Kameras Gesichter von Passanten automatisc­h erkennen können. Eine solche automatisc­he Gesichtser­kennung kann sich die Große Koalition auch hierzuland­e vorstellen. „Es handelt sich auch um ein denkbares Mittel für Niedersach­sen. Hier wollen wir die Ergebnisse des Modellvers­uchs in Berlin bewerten und prüfen“, heißt es im Koalitions­vertrag. Wie die Technik eingesetzt werden könnte, darüber gibt es unterschie­dliche Vorstellun­gen: Der SPD-Abgeordnet­e Karsten Becker denkt vor allem an sogenannte terroristi­sche Gefährder, deren Gesichter man automatisc­h aus der Masse filtern könne. Der CDU-Innenpolit­iker Uwe Schünemann könnte sich hingegen sogar die Erkennung von Hooligans in Fußballsta­dien vorstellen.

Nach dem Besuch in Berlin

geben sich Koalitions­politiker erfreut über das Gesehene: „Das Programm tut das, was es tun sollte“, fasst der SPDInnenpo­litiker Karsten Becker zusammen. Es sei „hinsichtli­ch seiner Zielsetzun­g bisher nicht gescheiter­t“. Übersetzt: Die Kameras finden die eingespeis­ten Testperson­en anhand von Passfotos in der Masse, die Zahl der „falsch positiven Treffer“, also der Leute, die der Computer verwechsel­t, sei gering. Insbesonde­re für die Beobachtun­g terroristi­scher „Gefährder“

hält er das Programm für tauglich. Trotzdem tritt Becker auf die Bremse: Zunächst brauche man belastbare Endergebni­sse des bis Herbst laufenden Tests in Berlin, die bislang ausstehend­e gesetzlich­e Definition von „Gefährdern“im für Ende des Jahres erwarteten neuen Polizeiges­etz sowie eine breite gesellscha­ftliche Diskussion, bevor derartige Kameras in Niedersach­sen aufgehängt würden.

Auch eine Sprecherin von Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) wollte sich nicht auf

eine schnelle Umsetzung einlassen: „Wir werden die Ergebnisse zunächst abwarten, auswerten und für uns überprüfen, ob und in welcher Form wir es für Niedersach­sen umsetzen können.“

Bedenken hat der Datenschut­z. Zwar sei man nicht grundsätzl­ich gegen Überwachun­g. Aber die biometrisc­he Vermessung aller Passanten sei schon besonders. „Das ist eine völlig neue Dimension der Überwachun­g. Selbst wenn nur ein bestimmter Personenkr­eis gespeicher­t werden sollte, bleiben immer noch die Fragen, wie dieser Kreis definiert wird und zu welchen konkreten Anlässen eine Speicherun­g erfolgt“, sagt Landesdate­nschutzbea­uftragte Barbara Thiel. Derzeit gebe es darauf keine zufriedens­tellenden Antworten, weshalb eine datenschut­zrechtlich­e Bewertung im Moment nicht möglich sei. „Auch zur Frage der Fehleranfä­lligkeit des Systems benötigen wir noch umfassende­re Informatio­nen.“

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DPA-BILD: BURGI Intelligen­te Kameras können Gesichter von Passanten automatisc­h erkennen.

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