Nordwest-Zeitung

Marine vor Herausford­erungen

Flottillen­admiral Müller-Meinhardt übergibt an Nachfolger

- VON JÜRGEN WESTERHOFF

Probleme hat die Marine genug. Der neue Kommandeur in 3ilhelmsha­ven will sie angehen.

WILHELMSHA­VEN So haben sie das gern: Wunderbare­s Wetter, beste Stimmung, gut gelaunte Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft, darunter so viele Admirale und Generale wie selten. Beim Chefwechse­l des höchsten Wilhelmsha­vener Marine-Repräsenta­nten herrschen beste Bedingunge­n, deshalb kann auch die Souvenir-Flagge für den scheidende­n Flottillen­admiral Christoph Müller-Meinhardt von einem Fallschirm­jäger übergeben werden, der zuvor am strahlend blauen Himmel aus einem TransallTr­ansportflu­gzeug ausgestieg­en ist.

Die Marine präsentier­t sich am Freitag am Wangerooge­Kai in Wilhelmsha­ven als ein „Land des Lächelns“. Und wie in der gleichnami­gen Operette verfährt auch die Marine nach dem Motto „Lächeln trotz Weh und tausend Schmerzen“– gefolgt von dem Satz „Und wie’s da drin aussieht, geht niemand was an“.

Denn wie’s da drin aussieht, wird nicht auf den offizielle­n Empfängen angesproch­en, sondern an anderen Stellen betrachtet und diskutiert. Beispielsw­eise im Internet, wo zurzeit ein Video kursiert, das die Fregatte „Sachsen“in Flammen zeigt, nachdem ein Raketensch­ießen mit einem Rohrkrepie­rer endete. Oder in den politische­n Greund

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kursiert derzeit im Internet. Es soll den Unfall mit einer Flugabwehr­rakete vom Typ SM 2 auf der Fregatte „Sachsen“zeigen. Bei einer Übung vor der Küste Norwegens hatte es auf der Fregatte einen

mien, die immer mehr Geld für den offenbar völlig maroden Marine-Dreimaster „Gorch Fock“zur Verfügung stellen sollen. Aber auch bei den Marinesold­aten, die seit Jahren darauf warten, dass die neuen Fregatten der Klasse 125 endlich in der Flotte ankommen.

Den betroffene­n Soldaten fällt das Lächeln ebenso schwer wie den außenstehe­nden Beobachter­n der Marine, die in der Vergangenh­eit fassungslo­s Meldungen zur Kenntnis nehmen mussten, dass keines der sechs U-Boote der Marine einsatzfäh­ig war oder dass es kaum noch verfügbare Hubschraub­er gibt und dass der seit Jahren erwartete neue Helikopter NH 90 nicht für den Flugbetrie­b über Nord-und Ostsee geeignet sei und deshalb eine Sondergene­hmigung benötige. Zwischenfa­ll gegeben. Wie die Marine bestätigte, brannte am Donnerstag der Antrieb kurz nach dem Abfeuern ab, ohne dass die Rakete abhob.

@ Das Video sehen Sie unter bit.ly/2KA7mpV

Vor einem Vierteljah­r ist einem scheidende­n Kommandeur eines Fregatteng­eschwaders der Kragen geplatzt, als er davon sprach, dass es inzwischen fünf nach zwölf sei. Solche Äußerungen sind jetzt beim Kommandeur­swechsel an der Spitze der Einsatzflo­ttille 2 nicht zu hören. Natürlich werden die Herausford­erungen nicht verschwieg­en. Aber „an Tagen wie diesen“stehen nicht nüchterne Situations­beschreibu­ng und Ursachenfo­rschung im Mittelpunk­t, sondern anderes. Jetzt sei „Führung und nicht Larmoyanz“gefragt, sagt der scheidende Kommandeur.

Zwar seien von den 15 geplanten Fregatten tatsächlic­h nur neun verfügbar, aber eine Trendwende sei eingeleite­t. Nachdem ein Vierteljah­rhundert „abgebaut, verschlank­t eingespart“worden sei, gehe es jetzt „trotz einiger Rückschläg­e“voran mit der Marine. Ähnlich äußert sich sein Nachfolger Kapitän zur See Ralf Kuchler. Es gehe darum, Teil der Lösung und nicht einer wohlfeilen Problembes­chreibung zu sein.

Zu den Rückschläg­en gehört unter anderem das Projekt der neuen Fregattenk­lasse 125. Einen Quantenspr­ung sollen die neuen Schiffe bedeuten, heißt es seit Jahren der Vertröstun­g. Inzwischen ist es fast anderthalb Jahre her, dass nach jahrelange­r Verzögerun­g im Januar 2017 die Fregatte „Baden-Württember­g“stolz während des Erprobungs­betriebs einigen Journalist­en präsentier­t wurde.

Ende des Jahres, so hieß es damals, werde der neue Stolz der Marine in den Dienst gehen. Tatsächlic­h wurde das Schiff wegen erhebliche­r Mängel wieder an die Hersteller zurückgege­ben und selbst jetzt kann niemand einen verbindlic­hen Termin für die Übergabe an die Flotte nennen.

Das Problem der Marine: Der beklagensw­erte Gesamtzust­and ist nicht von heute auf morgen entstanden, sondern wurde sehenden Auges von den Offizieren an der Marinespit­ze begleitet. Doch wenn’s drauf ankam, haben sie der Qffentlich­keit aus Gründen der persönlich­en Karrierepl­anung die Probleme verschwieg­en und gelächelt, ganz nach dem Operettenm­otto „Und wie’s da drin aussieht, geht niemand was an.“

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SCREENSHOT: YOUTUBE

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