Mit Überstunden richtig umgehen
Ausgleich längst nicht immer klar geregelt – Arbeitnehmer sollten Zeiten erfassen
Die Kultur in den Betrieben ist unterschiedlich. Mancherorts werden Überstunden erwartet.
NÜRNBERG Um 17 Uhr Feierabend? An vielen Arbeitsplätzen ist das nur Wunschdenken. Obwohl immer mehr Unternehmen eine gute Work-Life-Balance versprechen, gehören Überstunden für viele Mitarbeiter immer noch zum Arbeitsalltag.
Prof. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg weiß: Es gab eine Verschiebung innerhalb der geleisteten Überstunden: Solche, die bezahlt werden, haben sich halbiert – dafür gibt es doppelt so viele Überstunden, die abgefeiert werden können. Ein Trend geht also zu Arbeitszeitkonten – doch es gibt auch viele Mitarbeiter, deren geleistete Stunden überhaupt nicht erfasst werden. Je nach Unternehmen und Position sind Überstunden mit dem Gehalt abgegolten – Klauseln im Arbeitsvertrag regeln das scheinbar.
Denn nicht immer sind sie erlaubt: „Klauseln eines vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrags können ähnlich wie Allgemeine Geschäftsbedingungen unzulässig sein“, sagt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Nürnberg. „Bei der pauschalen Abgeltung von Überstunden ist die Regelung intransparent und somit unzulässig“, so Markowski. In der Theorie kann ein Mitarbeiter den Arbeitgeber hier auffordern, Überstunden trotzdem zu bezahlen – wenn er seine Forderung belegen kann: „Ein Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast und muss deshalb belegen können, dass er die Überstunden entweder nach Anordnung geleistet hat – oder dass sie nötig waren, der Arbeitgeber davon wusste und es gebilligt hat.“
Oft fehlt nur der Mut, für Extra-Geld zu kämpfen. „Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, von ihnen werden viele Überstunden erwartet - auch wenn das nicht immer so offen kommuniziert wird“, sagt die Kommunikationspsychologin Steffi Jacobeit aus Delbrück. Und oft gibt es vermeintlich lustige Sprüche wie „Heute nichts zu tun?“. Wer sich das nicht auf Dauer gefallen lassen will, sollte – falls vorhanden – mit dem Betriebsrat, einer Vertrauensperson oder dem Betriebsarzt sprechen, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. So kann man das Problem thematisieren und eine Strategie entwickeln.
Manches ist absehbar. Wenn etwa einmal im Jahr eine Messe ansteht, dann wissen Arbeitnehmer vorher von einem erhöhten Stresslevel und können sich darauf einstellen, sagt Jacobeit. Da sollte man aber fragen: „Wann kann ich auch mal Pause machen und mich davon erholen?“