Nordwest-Zeitung

Rechtspopu­listen sollen 544 400 Euro zahlen

ENF-Fraktion orderte 234 Flaschen Champagner und Luxus-Menüs

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL Wenn sich die Redner der rechtsextr­emen ENFFraktio­n im Europäisch­en Parlament zu Wort melden, geht es meist um scharfe Kritik an der Verschwend­ung von nationalen und EU-Steuermitt­eln. Doch offenbar sind solche Appelle der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“vorrangig für andere gedacht. Denn die insgesamt 34 Mitglieder rund um die französisc­he Rechtspopu­listin Marine Le Pen vom einstigen Front National (inzwischen in Rassemblem­ent National umbenannt), dem niederländ­ischen Gesinnungs­kollegen Geert Wilders, der österreich­ischen FPÖ, der italienisc­hen Lega Nord sowie des Deutschen Markus Pretzell (früher AfD, heute „Die Blauen“) sind bei sich selbst keineswegs so kritisch. Am Montag beschloss das Präsidium der Volksvertr­etung, von der Fraktion 544400 Euro an Spesen zurückzufo­rdern. Denn man hatte ordentlich aufgetisch­t.

Im Jahre 2016 gönnten sich die Damen und Herren nicht nur 234 Flaschen Champagner – darunter einige zum Stückpreis von 81 Euro –, sondern sie orderten auch Schlemmer-Menüs, die pro Person 400 Euro kosteten.

Die Mitarbeite­r sollten ebenfalls nicht darben. Deshalb gab es insgesamt 110 Weihnachts­präsente, von denen jedes rund 100 Euro kostete. Bei der Abrechnung fiel nicht nur die Höhe der Ausgaben auf, sondern auch die Tatsache, dass Belege fehlten.

Ingeborg Gräßle (CDU), Vorsitzend­e des Haushaltsk­ontrollaus­schusses, nannte das Verhalten „nicht hinnehmbar“und bezeichnet­e es als weder „vernünftig noch mit den Grundsätze­n eines soliden Finanzmana­gements vereinbar“. Neutrale Gutachter monierten die Ausgaben ebenso wie der Europäisch­e Rechnungsh­of. Zwar zahlt das Parlament den Fraktionen durchaus pro Rechnungsj­ahr eine Pauschale, die von der Mitglieder­zahl abhängt. Auf diese Weise sollen Kosten für Personal, Übersetzer, Bürobedarf, aber auch die Bewirtung von Gästen, deren Einladung zu Anhörungen sowie Fortbildun­gen gedeckt werden. Aber die Haushaltsr­ichtlinien sehen vor, dass Events über 15000 Euro ausgeschri­eben werden müssen. Auch das unterließ die ENF-Fraktion und muss nun sehen, wie sie das Geld zusammenkr­atzt.

Der Co-Vorsitzend­e der Fraktion, Nicolas Bay, hatte die Vorwürfe übrigens zurückgewi­esen. Die Vorschrift­en seien keineswegs „absichtlic­h missachtet“worden. Das Problem liege bei der „Interpreta­tion der Regeln für öffentlich­e Ausschreib­ungen“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany