Was Berliner Sommertheater
CSU und CDU raufen sich doch noch einmal zusammen – Aber ein Riss bleibt
|mmer wieder hat es schwer gekracht zwischen Seehofer und Merkel. Und jetzt droht der Koalition der nächste Streit mit der SPD.
BERLIN/MÜNCHEN Eor der Fraktionstür tut Horst Seehofer noch so, als könne die Union nach den jüngsten Schreckenswochen so weitermachen wie bisher. „Des is scho’wieder Geschichte“, versucht der CSU-Chef auf die Frage zu beschwichtigen, ob seine Rücktrittsdrohung ein Fehler war oder ob gerade sie den Durchbruch beim Migrationsstreit mit der CDU gebracht habe. Und gibt sich maximal pragmatisch: „Wissen Sie, was wichtig ist? Immer das Ergebnis.“Als eine Reporterin noch wissen will, ob er atmosphärisch wieder zum Normalzustand mit der Kanzlerin übergehen könne, winkt der Innenminister ab: „Ach... Machen Sie sich keine Sorgen.“
Wer dann die Szene beobachtet, als die Kanzlerin ihren Innenminister im Fraktionssaal mit hochgezogenen Augenbrauen begrüßt und sich mit versteinert ernster Miene geschäftsmäßig neben Seehofer setzt, könnte fast denken, da bereite sich ein hoffnungslos verkrachtes Ehepaar auf das Gespräch mit dem Scheidungsrichter vor.
Tiefer Abgrund
Immer wieder hat es in den vergangenen drei Jahren seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 schwer gekracht zwischen Seehofer und Merkel. Doch der aktuelle Migrationsstreit mit seinem Höhepunkt, der letztlich wieder zurückgenommenen Rücktrittsdrohung vom Sonntag, dürfte noch den letzten Rest an Wohlwollen und Zuneigung zwischen den beiden Vorsitzenden hinweggefegt haben.
In der CDU heißt es, auf geradezu selbstzerstörerische Art hätten Seehofer und die CSU den Konflikt auf die Spitze getrieben, man habe in den Abgrund geschaut. In derCSU wiederum fragt man sich, wa-
rum Merkel bis zuletzt keinen Millimeter nachgegeben, auf keine Kompromissangebote reagiert habe.
Zwei Wochen lang sah es so aus, als könnte die vierte Regierung Merkels schon nach nur gut 100 Tagen platzen – und das wegen der eigenen Schwesterpartei. Doch ein Scheitern der Regierung angesichts der Krisen in der Welt und des anschwellenden Nationalismus in Europa wollten wohl nur wenige in der Unionsfraktion riskieren. Am Ende wollen die Abgeordneten wohl beider Seiten nur noch eines: einen Kompromiss. Mit einem solchen Streit in die Sommerpause zu ziehen – das wäre für viele dann doch zu selbstmörderisch gewesen.
Vermutlich hat auch eine Mischung aus Stolz und Sturheit Seehofers die Union an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Zwar ist der 68-Jährige schon lange für Drohungen und Ultimaten bekannt, erst recht für seine Kehrtwenden. Aber erst einen Rücktritt und dann einen Rücktritt vom Rücktritt innerhalb von 24 Stunden – das ha-
ben die Christsozialen so auch noch nicht erlebt. Entsprechend groß war das Beben, das Seehofer am Sonntagabend ausgelöst hatte. Nicht einmal der engste Führungszirkel wusste offenbar vorab davon.
Enormer Schaden
Auch in der CSU herrscht die Auffassung, dass die Gründe für die jüngste Eskalation vor allem im Persönlichen zu suchen sind. Der Dauer-Streit Merkel/Seehofer hat tiefe Gräben hinterlassen – die kaum mehr zu überbrücken sind. Andererseits ist die Katastrophe aus Sicht der CSU abgewendet: Seehofer bleibt, die CSU muss nicht eben mal einen neuen Chef und Innenminister suchen. Das wäre dreieinhalb Monate vor der bayerischen Landtagswahl eine weitere massive Belastung gewesen – wobei der Schaden nach Ansicht vieler schon jetzt enorm ist.
„Wir müssen jetzt gemeinsam zu Stabilität zurückfinden. Wir müssen den Eindruck von Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlen“, betont Ministerpräsident Markus S öder.
In Berlin liegt der Ball am Tag eins nach der überraschenden Unionseinigung plötzlich bei der SPD im Feld, wo die Sorgen wachsen. Asylbewerber, die über Österreich einreisen und schon woanders registriert worden sind, sollen nach dem Willen der Union in sogenannte Transitzentren kommen – ähnlich wie ein Transitbereich am Flughafen, abgefangen im Grenzgebiet. Binnen weniger Tage sollen die Verfahren bearbeitet und die Menschen in das für ihr Asylverfahren zuständige Land rasch zurückgebracht werden.
Besonders gegen geschlossene, gefängnis ähnliche Einrichtungen gibt es Widerstand in der SPD. Der Begriff Transitzentren ist für die SPD mit ihrem humanitären und solidarischen Mitmenschlichkeit san spruch ein rotes Tuch.
Doch selbst wenn das politische Sommertheater mit der SPD ausbleiben sollte – die Unionsfamilie dürfte bis zur bayerischen Landtagswahl immer wieder für Unterhaltung sorgen.