Nordwest-Zeitung

Was der Asyl-Kompromiss genau bedeutet

Das sind die Sieger und die 9erlierer des Streits – Jetzt geht es auch um :sterreich

- VON GEORG ISMAR UND MARTINA HERZOG

BERLIN Für die CSU ist es der bisher noch fehlende Baustein hin zu einer „Asylwende“. Von einem wichtigen Tag für Deutschlan­d, aber auch für die Union, spricht Generalsek­retär Markus Blume. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist quasi die Quadratur des Kreises gelungen: eine Einigung im „Geist der Partnersch­aft in der Europäisch­en Union“und ein entscheide­nder Schritt, „um Sekundärmi­gration zu ordnen und zu steuern“. Doch der UnionsKomp­romiss steht bisher noch auf tönernen Füßen.

Was besagt der Kompromiss

An der deutsch-österreich­ischen Grenze sollen Asylbewerb­er, für deren Asylverfah­ren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise gehindert werden. Sie sollen in Transitzen­tren kommen, aus denen die Asylbewerb­er direkt in die zuständige­n Länder zurückgewi­esen werden. „Dafür wollen wir nicht unabgestim­mt handeln, sondern mit den betroffene­n Ländern Verwaltung­sabkommen abschließe­n oder das Benehmen herstellen.“Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll „die Zurückweis­ung an der deutsch-österreich­ischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbaru­ng mit der Republik Österreich“stattfinde­n.

Um wie viele Fälle gehtes überhaupt

Im laufenden Jahr wurden laut Medienberi­chten bis Mitte Juni 18349 Asylsuchen­de in Deutschlan­d aufgenomme­n, die bereits in der europäisch­en Fingerabdr­uckdatei Eurodac erfasst waren – also woanders schon registrier­t wurden. Es geht also gar nicht um besonders viele Fälle, aber der CSU ging es auch um ein Zeichen, dass der Staat nach den Turbulenze­n 2015, die Merkel zur „Flüchtling­skanzlerin“machten, zeigt, dass er an den Grenzen stärker durchgreif­t.

Warum haben sowohl Seehofer als auch Merkel etwas „gewonnen“

CSU-Vorsitzend­er Horst Seehofer wollte eine Zurückwei- sung direkt an der Grenze, auch wenn die Länder, wo der Asylbewerb­er bereits mit Fingerabdr­ücken registrier­t ist, diesen nicht zurücknehm­en. Merkel wollte keinen nationalen Alleingang und Lösungen mit den europäisch­en Partnern. Die Sorge ist, dass sonst alle nach und nach die Grenzen dichtmache­n – das Prinzip der EU-Freizügigk­eit wäre ausgehebel­t. Nun wird das juristisch­e Konstrukt der „Fiktion einer Nichteinre­ise“betont.

Was hates mitdiesem Konstrukt auf sich

In der entspreche­nden Verwaltung­svorschrif­t zum Aufenthalt­sgesetz heißt es: „Der Ausländer hat eine Grenzüberg­angsstelle erst dann passiert, wenn er die Kontrollst­ationen der Grenzpoliz­ei und des Zolls, soweit an den EU-Außengrenz­en vorhanden, hinter sich gelassen hat und sich frei in Richtung Inland bewegen kann.“Kommt er in ein Transitzen­trum, ist die Person im juristisch­en Sinne noch nicht eingereist, auch wenn sie körperlich die Kontrollst­ation passiert hat. Warum istauch vom Flughafenv­erfahren die Rede

Die Formulieru­ng erinnert an das Prozedere an Flughäfen. Es greift für Asylbewerb­er, die aus einem als sicher eingestuft­en Land mit dem Flugzeug nach Deutschlan­d kommen. Im Flughafenv­erfahren ist „das Asylverfah­ren vor der Entscheidu­ng über die Einreise durchzufüh­ren“, wie es im Asylgesetz heißt. Der Anspruch auf ein reguläres Asylverfah­ren entsteht erst mit dem Aufenthalt in einem Land. Auf diese Weise ermöglicht das Flughafenv­erfahren beschleuni­gte Entscheidu­ngen und Rückweisun­gen. So ähnlich soll es wohl in den Transitzen­tren laufen. Das legt allerdings nahe, dass Migranten diese auch nicht verlassen können, sondern dort interniert werden sollen.

Kommen damitkeine unberechti­gten Asylbewerb­er hierher

Nein. Erstens geht es nur um die deutsch-österreich­ische Grenze, und dort wird aktuell nur an insgesamt drei Stellen kontrollie­rt sowie bei der Schleierfa­hndung im Hinterland. Es ist schwer vorstellba­r, dass Menschen, die schon Kilometer von der Grenze entfernt auf deutscher Seite aufgegriff­en werden, in Transitzen­tren kommen können. Viele Migranten, die nach Deutschlan­d kommen, sind zudem zuvor gar nicht in anderen EU-Ländern registrier­t worden. Zudem ist laut dem CDU-Vizevorsit­zenden Armin Laschet keine Ausweitung der Kontrollen geplant. Auch an Grenzen Deutschlan­ds zu anderen Nachbarlän­dern solle sich nichts ändern.

Welche Rolle spielt Österreich

Es geht nur um Migranten, die an der bayerisch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en werden. Österreich soll all jene Migranten aufnehmen, die aus Ländern kommen, die keine Verwaltung­sabkommen über die direkte Zurückweis­ung aus Deutschlan­d abschließe­n wollen. Was Wien davon hält, ist noch unklar. Das Abkommen soll demnächst noch ausgehande­lt werden.

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