WM-Titel ist Löw zu Kopf gestiegen
Joachim
Löw warf seiner Mannschaft nach dem WMAus eine gewisse Selbstherrlichkeit vor. Dabei hätte ihn das nicht überraschen dürfen – schließlich folgten die Spieler nur seinem Beispiel.
Als Weltmeister-Trainer fühlte Löw sich unfehlbar und verlor jegliches Gespür für die Stimmung inner- und außerhalb des Teams. Dies zeigte sich schon im Test gegen Saudi-Arabien, als er das Publikum dazu aufforderte, doch bitte für den eingewechselten Ilkay Gündogan zu klatschen.
Löws Annahme, er könne so das heikle Erdogan-Thema mal eben mit ein paar Handbewegungen beenden, erwies sich als gewaltige Selbstüberschätzung. Die Zuschauer pfiffen trotzdem und die Diskussionen um das Foto von Gündogan und Özil mit Erdogan wurden zur Belastung für die ganze Mannschaft.
Zum WM-Auftakt gegen Mexiko begründete Löw den Verzicht auf Marco Reus allen Ernstes damit, dass er diesen vor allem in den „wichtigen“Partien benötige. Wenn der Trainer derart überheblich in ein Turnier geht, verwundert es nicht, wenn auch die Mannschaft einen Gegner wie Mexiko auf die leichte Schulter nimmt. Und wenn sich ein Bundestrainer wenige Tage nach diesem Fehlstart an der Strandpromenade von Sotschi als Foto-Modell inszeniert, stellt sich schon die Fra- ge, ob er den Ernst der Lage wirklich erkannt hatte.
Es war Löw, der den Rumpelfußball endgültig überwand und der Nationalelf einen neuen, mutigen und schnellen Spielstil verpasste. Doch im Hochgefühl desWMTitels wich er von seinemWeg ab, ließ seinen Weltmeistern zuviel durchgehen und verschenkte somit vier Jahre Entwicklung. In Russland erhielt er dafür die Quittung.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist vorher noch nie bei einer Weltmeisterschaft in der Vorrunde ausgeschieden. Noch einmal: Noch nie. Nach einer solchen historischen Schmach hätte Löw die Verantwortung übernehmen und Platz für einen richtigen Neuanfang machen müssen. Dass er weiter an seinem Stuhl klebt, ist ein weiterer Beleg für die Hybris eines Mannes, dem der Triumph von Rio vor vier Jahren zu Kopf gestiegen ist. @ Den Autor erreichen Sie unter Deeken@infoautor.de