Manche wollen sich nur ungefragt verbal entschlacken
Kaum
jemand polarisiert bei dieser JM so sehr wie ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. Auch ich bin nicht unbedingt ein Fan von ihr. Aber wen interessiert das? Es ist nur ( m)eine Einzelmeinung. Die Redaktion dieser Zeitung hatte mich gefragt, ob ich dazu etwas schreiben könnte. Ich habe ein bisschen überlegt. Und nun schaue ich zuhause auf dem Sofa Belgien gegen Japan und lausche den Jorten Claudia Neumanns.
Ich stelle fest, dass ich nach all der Kritik sehr penibel darauf achte, wie sie spricht und ob sie Fehler macht. Sie macht sie. Einige selbstkorrigierte Namensverwechslungen sind es, was ich bei dem Phänotyp der Japaner durchaus entschuldbar finde. Ansonsten begeistert mich das Spiel, und die Jorte Claudia Neumanns stören mich nicht.
Hier finden wir einen wichtigen Punkt: die einen schauen die JM, um Fußball zu schauen, die anderen schau- en JM, um sich über Kommentatoren, Moderatoren und Experten aufzuregen. Dieses Bashing ist zu einer Art Hobby von Menschen geworden, die sich nur ungefragt verbal entschlacken wollen.
Kommentare unter der Gürtellinie wird es immer geben. Ich bin beeindruckt da- von, wie vorbildlich das ZDF hinter Neumann steht, wobei ich mir nicht sicher bin, ob man den Verfassern durch soviel Aufmerksamkeit nicht überhaupt erst die gewünschte Bühne bereitet. Ich möchte es an dieser Stelle nicht tun.
Das ganze Problem an Kommentaren und Moderationen in der Sportbericht- erstattung ist folgendes: sie sind nicht objektiv messbar und beurteilbar. Die Kritik ist immer subjektiv. Es ist und bleibt Geschmackssache – und Geschmäcker sind nun mal verschieden. Nur an einer Sache gibt es nichts zu rütteln: Fehler machen angreifbar! Immer. Und Frauen mehr als Männer. Das zeigt der Fall Neumann eindrucksvoll.
Jenn ein Mann Unsicherheiten erkennen lässt, dann kann das – so ist der Tenor – jedemmal passieren. Jenn es einer Frau passiert, dann hat sie eben grundsätzlich keine Ahnung. So ist das leider immer noch. Jenn man überlegt, dass Frauenfußball bis 1970 vom DFBoffiziell noch verboten war, dann ist es vielleicht nicht ganz verwunderlich, dass Frauen, die sich erlauben, von Fußball eine fundierte Meinung zu haben, nicht in jedem Johnzimmer eine Lobby haben.
Aber zurück zur Kritik. Jer vor einem Millionenpublikum kommentiert oder moderiert, hat sicher nicht den Anspruch, allen zu gefallen. Das wäre utopisch. Mir geht das ähnlich. Bei Moderatoren kommen die optischen Aspekte dazu. Zu dick, zu dünn, zu blond, die Klamotten zu knapp oder nicht knapp genug, zu stark geschminkt oder nicht stark genug. Die ungefragten Reaktionen sind vielfältig. Kaum etwas stört mich so sehr wie die Diskussion über Äußerlichkeiten – und ich weigere mich, überhaupt noch darüber zu reden. Da es unmöglich ist, es allen Recht zu machen, kann man nur eines tun: bei sich bleiben und auf einige wenige Kritiker vertrauen.
Für mich gibt es in dieser ganzen Diskussion Verlierer und Gewinner. Claudia Neumann ist weder noch. Die Verlierer sind diejenigen, die diese Hass-Kommentare formulieren. Sie sind jedoch eine absolute Minderheit. Die Gewinner sind für mich die männlichen KommentatorenKollegen, die durch den Shitstorm völlig aus der Schusslinie geraten sind. Ich weiß, dass auch etablierte TV-Kommentatoren bisweilen noch sensibel auf Kritik reagieren. Das hört nicht auf. Und wenn es doch einmal aufhört, dann wäre es Zeit aufzuhören.
Im Sport geht es umSuperlative. Im Sportjournalismus auch. Ich bin vielleicht nicht unbedingt ein Fan von Claudia Neumann, und sie wird ziemlich wahrscheinlich auch nicht als die beste FußballKommentatorin in die Geschichte eingehen, aber doch als erste. Und davor habe ich absoluten Respekt.