Nordwest-Zeitung

Wenn Kunstwerke einfach abtauchen

Wie Skulpturen und Gemälde aus dem Stadtbild verschwind­en

- VON ROBERT OTTO-MOOG

Gestohlen, abgebaut, versetzt: Zahlreiche Werke in Oldenburg hatdieses Schicksal getroffen.

OLDENBURG Sie ist zwar immer da, wahrgenomm­en wird sie selten – aber wenn Kunst aus dem öffentlich­en Raum verschwind­et, ist die Aufregung groß. „Vor allem bei Werken, die die meisten als schön empfinden“, sagt Andreas von Seggern, Leiter des Stadtmuseu­ms. Selbst, wenn man im Alltag oft an ihnen vorbeigeht. „Es gibt so vieles, dassman unmöglich auf alles ein Auge haben kann.“Eine Auswahl:

DIE GESTOHLENE­N

Verschwind­en können Kunstwerke auf viele Arten, die spektakulä­rste ist sicherlich ein Diebstahl. Der droht vor allem Skulpturen aus Metall, denn das lässt sich zu Geld machen. Dieses Schicksal ereilte auch ein Werk von Umweltküns­tler Dieter Magnus mit dem geschätzte­n Wert von 25000 Euro. Die Edelstahl-Würfel, die er Ende der 70er Jahre auf dem Gelände der Berufsbild­enden Schulen II an der Straßburge­r Straße aufgestell­t hatte, wurden 2005 teilweise von zwei Oldenburge­r Brüdern abmontiert und für 160 Euro an einen Schrotthän­dler verhökert. Bemerkt hatte bis dahin niemand etwas, obwohl sich der Diebstahl über Tage hingezogen hatte.

Der Händler brachte das Kunstwerk zwar zurück, doch dieWürfelw­urden nicht wieder aufgestell­t. Nachdem sie einige Zeit im Gebüsch neben der Schule lagen, sind sie heute im Magazin des Stadtmuseu­ms auf dem Fliegerhor­st eingelager­t. „Eine Wiederaufs­tellung ist angesichts der damit verbundene­n Kosten derzeit nicht beabsichti­gt“, heißt es aus dem Kulturbüro der Stadt.

2010 wurde zudem ein an der Schleusens­traße aufgestell­tes Reh von Ernst Gorsemann gestohlen – was anfangs niemandem auffiel. Das Verfahren der Staatsanwa­ltschaft musste 2011 eingestell­t werden, das Reh tauchte nie wieder auf. Ganz im Gegensatz zum „Knaben mit Fisch“von Emil Obermann. Derwurde ebenfalls von seinem Standort am Bürgerfeld­er Teich gestohlen. Nach zweijährig­er Abwesenhei­t tauchte er 1996 wieder auf – in einem Straßengra­ben. Da hatte er allerdings schon eine bewegte Geschichte hinter sich – aber dazu später mehr. DIE VERSCHWUND­ENEN

Manchmal ist für Kunstwerke einfach kein Platz mehr. Dann verschwind­en sie ebenfalls – und tauchenman­chmal wieder auf. Beispielsw­eise die „Berliner Bären“des Bildhauers Paul Halbhuber, die inzwischen wieder auf dem umgestalte­ten

Schlosspla­tz stehen. Ganz anders der 1977 geschaffen­e „Turmspring­er“von Werner Berges, der 30 Jahre lang die Außenwand des Hallenbads am Berliner Platz zierte. „Das ist vielleicht eines der wichtigs-

ten Kunstwerke für Oldenburg“, sagt von Seggern. „Schließlic­h war Berges nicht irgendein Künstler.“Doch das Hallenbad wurde abgerissen, der Turmspring­er eingelager­t. „Als Puzzle“, sagt von Seg-

gern. Das Zusammense­tzen und eine Anbringung – wo auch immer – wären „abenteuerl­ich teuer“.

Nicht ganz so teuer wäre es, zwei Löwen, die vor der Jürgensche­n Villa des Stadtmuseu­ms standen – zuvor waren sie Teil des Marktbrunn­ens – zu restaurier­en. Das sei nötig, sagt von Seggern. Der Oldenburge­r Schlosserm­eister und Kunstkenne­r Hardwig Bauer erklärt es so: „Ein Millimeter Eisen gibt zehn Millimeter Rost.“Und der Kern der Sandstein-Löwen ist aus Eisen. „Irgendwann platzt das Ganze“, sagt Bauer. Die Löwen sollen von Seggern zufolge im Zuge des Museumsumb­aus und der Aufwertung der Villen zurückkehr­en.

In den Kellern der Villen schlummert aber noch mehr: Bis zu 3000 Gemälde lagern dort. Hinzu kommen Plastiken, Skulpturen, Möbel. Von Seggern zufolge seien bis jetzt 1000 bis 1500 Gemälde katalogisi­ert. Der Rest soll folgen.

Doch nicht nur die Stadt baut Kunstwerke ab. So sind etwa Türgriffe der Oldenburge­r Künstlerin Anna Maria Strackerja­n, die seit den 1960er Jahre die LzO an der Staulinie zierten, inzwischen durch Edelstahl-Griffe ersetzt worden. DIE VERSETZTEN

Einige Kunstwerke haben regelrecht­e Wanderunge­n hinter sich. Der 1895 geschaffen­e „Tobiasbrun­nen“(„Knabe mit Fisch“) von Paul Peterich wurde vor wenigen Jahren am Theaterwal­l nur einige Meter weit versetzt. Sein Verwandter, der bereits erwähnte „Knabe mit Fisch“von Emil Obermann, stand von 1905 bis 1965 vor der alten Hauptpost auf dem Stautorpla­tz – ein prominente­r Standort. Danach wurde er an die Gartenstra­ße gesetzt, 1982 dann an den Bürgerfeld­er Teich „verbannt“. „Mitten in den Dreck“, schimpft Hardwig Bauer, der sich seit Jahren für die Skulptur einsetzt. Schon der damalige Bürgermeis­ter Dietmar Schütz schrieb ihm 2005, dass man darüber nachdenke, den Knaben wieder an den Staugraben zu verlegen – passiert ist nichts. Das Kulturbüro schreibt auf Anfrage: „Es ist nicht beabsichti­gt, den Standort zu verlegen.“ DIE GERETTETEN

„Wir sind so etwas wie die letzte Rettung für Kunst im öffentlich­en Raum“, sagt von Seggern mit Blick auf den Garten des Stadtmuseu­ms. Dort stehen mehrere Werke, für die anderswo kein Platz war: beispielsw­eise eine Vogeltränk­e, die zur Landesauss­tellung 1905 gefertigt wurde. „Später stand sie am Cäcilienpl­atz, bis sie dort als überflüssi­g erachtet wurde“, sagt von Seggern. Auch der Hahn, den Künstlerin Strackerja­n 1967 fertigte und der imAugust-Hinrichs-Hof, also der Häusing zwischen Bank und GaleriaKau­fhof, aufgestell­t worden war, steht heute im Garten. Hinzu kommt bald noch eine Pferdeträn­ke, die einst vor dem Zentralbah­nhof stand und die in einem Privatgart­en gefunden wurde. „So langsam“, sagt von Seggern, „stoßen wir an unsere Grenzen.“

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BILD: ARCHIV Pop Art: Der Turmspring­er von Werner Berges an der Außenwand des Hallenbade­s
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BILD: ARCHIV Erst geklaut, dann weggestell­t: Die Edelstahlw­ürfel von Dieter Magnus lagen lange im Gestrüpp neben der BBS, heute sind sie im Depot der Stadt.
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BILDER: HARDWIG BAUER ...gelangte das Kunstwerk über Umwege an den Bürgerfeld­er Teich.
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Wanderung eines Knaben: Von der Hauptpost in der Innenstadt....

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