Wenn Kunstwerke einfach abtauchen
Wie Skulpturen und Gemälde aus dem Stadtbild verschwinden
Gestohlen, abgebaut, versetzt: Zahlreiche Werke in Oldenburg hatdieses Schicksal getroffen.
OLDENBURG Sie ist zwar immer da, wahrgenommen wird sie selten – aber wenn Kunst aus dem öffentlichen Raum verschwindet, ist die Aufregung groß. „Vor allem bei Werken, die die meisten als schön empfinden“, sagt Andreas von Seggern, Leiter des Stadtmuseums. Selbst, wenn man im Alltag oft an ihnen vorbeigeht. „Es gibt so vieles, dassman unmöglich auf alles ein Auge haben kann.“Eine Auswahl:
DIE GESTOHLENEN
Verschwinden können Kunstwerke auf viele Arten, die spektakulärste ist sicherlich ein Diebstahl. Der droht vor allem Skulpturen aus Metall, denn das lässt sich zu Geld machen. Dieses Schicksal ereilte auch ein Werk von Umweltkünstler Dieter Magnus mit dem geschätzten Wert von 25000 Euro. Die Edelstahl-Würfel, die er Ende der 70er Jahre auf dem Gelände der Berufsbildenden Schulen II an der Straßburger Straße aufgestellt hatte, wurden 2005 teilweise von zwei Oldenburger Brüdern abmontiert und für 160 Euro an einen Schrotthändler verhökert. Bemerkt hatte bis dahin niemand etwas, obwohl sich der Diebstahl über Tage hingezogen hatte.
Der Händler brachte das Kunstwerk zwar zurück, doch dieWürfelwurden nicht wieder aufgestellt. Nachdem sie einige Zeit im Gebüsch neben der Schule lagen, sind sie heute im Magazin des Stadtmuseums auf dem Fliegerhorst eingelagert. „Eine Wiederaufstellung ist angesichts der damit verbundenen Kosten derzeit nicht beabsichtigt“, heißt es aus dem Kulturbüro der Stadt.
2010 wurde zudem ein an der Schleusenstraße aufgestelltes Reh von Ernst Gorsemann gestohlen – was anfangs niemandem auffiel. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft musste 2011 eingestellt werden, das Reh tauchte nie wieder auf. Ganz im Gegensatz zum „Knaben mit Fisch“von Emil Obermann. Derwurde ebenfalls von seinem Standort am Bürgerfelder Teich gestohlen. Nach zweijähriger Abwesenheit tauchte er 1996 wieder auf – in einem Straßengraben. Da hatte er allerdings schon eine bewegte Geschichte hinter sich – aber dazu später mehr. DIE VERSCHWUNDENEN
Manchmal ist für Kunstwerke einfach kein Platz mehr. Dann verschwinden sie ebenfalls – und tauchenmanchmal wieder auf. Beispielsweise die „Berliner Bären“des Bildhauers Paul Halbhuber, die inzwischen wieder auf dem umgestalteten
Schlossplatz stehen. Ganz anders der 1977 geschaffene „Turmspringer“von Werner Berges, der 30 Jahre lang die Außenwand des Hallenbads am Berliner Platz zierte. „Das ist vielleicht eines der wichtigs-
ten Kunstwerke für Oldenburg“, sagt von Seggern. „Schließlich war Berges nicht irgendein Künstler.“Doch das Hallenbad wurde abgerissen, der Turmspringer eingelagert. „Als Puzzle“, sagt von Seg-
gern. Das Zusammensetzen und eine Anbringung – wo auch immer – wären „abenteuerlich teuer“.
Nicht ganz so teuer wäre es, zwei Löwen, die vor der Jürgenschen Villa des Stadtmuseums standen – zuvor waren sie Teil des Marktbrunnens – zu restaurieren. Das sei nötig, sagt von Seggern. Der Oldenburger Schlossermeister und Kunstkenner Hardwig Bauer erklärt es so: „Ein Millimeter Eisen gibt zehn Millimeter Rost.“Und der Kern der Sandstein-Löwen ist aus Eisen. „Irgendwann platzt das Ganze“, sagt Bauer. Die Löwen sollen von Seggern zufolge im Zuge des Museumsumbaus und der Aufwertung der Villen zurückkehren.
In den Kellern der Villen schlummert aber noch mehr: Bis zu 3000 Gemälde lagern dort. Hinzu kommen Plastiken, Skulpturen, Möbel. Von Seggern zufolge seien bis jetzt 1000 bis 1500 Gemälde katalogisiert. Der Rest soll folgen.
Doch nicht nur die Stadt baut Kunstwerke ab. So sind etwa Türgriffe der Oldenburger Künstlerin Anna Maria Strackerjan, die seit den 1960er Jahre die LzO an der Staulinie zierten, inzwischen durch Edelstahl-Griffe ersetzt worden. DIE VERSETZTEN
Einige Kunstwerke haben regelrechte Wanderungen hinter sich. Der 1895 geschaffene „Tobiasbrunnen“(„Knabe mit Fisch“) von Paul Peterich wurde vor wenigen Jahren am Theaterwall nur einige Meter weit versetzt. Sein Verwandter, der bereits erwähnte „Knabe mit Fisch“von Emil Obermann, stand von 1905 bis 1965 vor der alten Hauptpost auf dem Stautorplatz – ein prominenter Standort. Danach wurde er an die Gartenstraße gesetzt, 1982 dann an den Bürgerfelder Teich „verbannt“. „Mitten in den Dreck“, schimpft Hardwig Bauer, der sich seit Jahren für die Skulptur einsetzt. Schon der damalige Bürgermeister Dietmar Schütz schrieb ihm 2005, dass man darüber nachdenke, den Knaben wieder an den Staugraben zu verlegen – passiert ist nichts. Das Kulturbüro schreibt auf Anfrage: „Es ist nicht beabsichtigt, den Standort zu verlegen.“ DIE GERETTETEN
„Wir sind so etwas wie die letzte Rettung für Kunst im öffentlichen Raum“, sagt von Seggern mit Blick auf den Garten des Stadtmuseums. Dort stehen mehrere Werke, für die anderswo kein Platz war: beispielsweise eine Vogeltränke, die zur Landesausstellung 1905 gefertigt wurde. „Später stand sie am Cäcilienplatz, bis sie dort als überflüssig erachtet wurde“, sagt von Seggern. Auch der Hahn, den Künstlerin Strackerjan 1967 fertigte und der imAugust-Hinrichs-Hof, also der Häusing zwischen Bank und GaleriaKaufhof, aufgestellt worden war, steht heute im Garten. Hinzu kommt bald noch eine Pferdetränke, die einst vor dem Zentralbahnhof stand und die in einem Privatgarten gefunden wurde. „So langsam“, sagt von Seggern, „stoßen wir an unsere Grenzen.“