Gerichtsvorsitzende trotzt Zwangs-Pensionierung
Malgorzata Gersdorf erscheint zur Arbeit am Warschauer Gericht
WARSCHAU Im Streit um eine frühere Pensionierung wichtiger Richter in Polen zeichnet sich ein Machtkampf zwischen der Warschauer Regierung und der Vorsitzenden des Obersten Gerichts ab. Malgorzata Gersdorf ignorierte ihre per Gesetz erzwungene Pensionierung am Mittwoch vorerst. Sie ging nicht – wie von der nationalkonservativen Regierung gefordert – in den Ruhestand, sondern erschien zur Arbeit am Warschauer Gericht. „Ich trete als
Verteidigerin des Rechtsstaats auf“, sagte die 65-jährige Juristin und betonte, ihre Amtszeit betrage laut Verfassung sechs Jahre und sei damit noch bis 2020 rechtlich geschützt. „Ich werde weiter Gerichtsvorsitzende sein.“Eine Gesetzesreform der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) könne dies nicht ändern.
Regierungskritiker warnen, mit dem neuen Gesetz werde die PiS in Polen missliebige Richter los. Demnach müssen Richter des Obersten Gerichts seit diesem Mittwoch bereits
mit 65 statt – wie bisher – 70 Jahren in den Ruhestand gehen. Wer im Amt bleiben will, muss dies im Vorfeld bei Präsident Andrzej Duda beantragen.
Dies taten laut Gerichtsangaben 16 der von den neuen Pensionierungsvorschriften betroffenen Richter. Bis Duda über ihre Anträge entscheidet, bleiben sie laut Präsidentenkanzlei im Amt. Elf Juristen, die nun keinen Antrag stellten, gingen laut Präsidentenkanzlei in Pension – dazu zählt demnach auch Gersdorf. Diesebestreitetdasjedoch.
Gegen das PiS-Gesetz demonstrierten am Mittwoch auch rund 1500 Menschen. „Hände weg von den Gerichten“, skandierten Regierungsgegner in Warschau.
Auch die EU-Kommission hatte vor weiteren Einschnitten in die Unabhängigkeit der polnischen Justiz gewarnt. Die EU-Behörde, die aufgrund zahlreicher PiS-Reformen bereits ein Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen führt, leitete am Montag zusätzlich ein Vertragsverletzungsverfahren ein.