Nordwest-Zeitung

Scheinlösu­ng

- VON ROBERT HABECK, BUNDESVORS­ITZEN DER DER GRÜNEN

Die Einigung der CDU mit der CSU, die unter dem irreführen­den Begriff „Transitzon­en“firmiert, ist eine Scheinlösu­ng. Und das in mehrfacher Hinsicht. Der Konflikt zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ging um die Frage, ob in anderen Ländern registrier­te Flüchtling­e an der deutschen Grenze gleich oder erst nach bilaterale­n Vereinbaru­ngen zurückgewi­esen werden sollen. Diese Frage ist durch den leeren Unions-Kompromiss nicht beantworte­t, sondern durch eine neue abgelöst worden. Jetzt lautet die Frage, was soll das eigentlich sein, was da aus der Hüfte geschossen wurde?

Alle die Punkte, die in der Debatte genannt wurden, sind nicht gelöst: Etwa, dass andere Länder dann die Flüchtling­e schlicht nicht registrier­en. Genauso bleibt die Frage, was das Gerufe nach Grenzsiche­rung denn meint? Das ginge ja nur, wenn man einen bewachten Zaun um Deutschlan­d baut. Schon gar nicht ist die Einigung von CDU und CSU eine Antwort auf die Frage eines Verteilmec­hanismus in Europa, gar ein Beitrag zur Lösung der Fluchtursa­chen insgesamt. Vielmehr wird die nächste Enttäuschu­ng vorbereite­t, der nächsten Debatte Vorschub geleistet und dem nächsten populistis­chen Vorstoß Tür und Tor geöffnet.

Das politische Problem ist, dass so der Eindruck erweckt wird, als habe Deutschlan­d die Lage nicht im Griff. Aber so ist es nicht. Es gibt große Herausford­erungen, im Inneren und vor allem mit Blick auf die Welt in Aufruhr um uns herum. Aber Deutschlan­d hat auch schon viel gemacht. Gesetze wurden geändert, Verfahren beschleuni­gt, Geflüchtet­e erreichen jetzt den Arbeitsmar­kt, und die Arbeitslos­enzahlen sinken. Integratio­n ist eine große Anstrengun­g, und sie wird uns allen immer viel abverlange­n.

Abschiebun­gen auch von Straftäter­n werden nicht durchgefüh­rt, weil es der Bundesregi­erung nicht gelingt, funktionie­rende Rückführun­gsabkommen mit den Herkunftss­taaten zu schließen. Dafür werden gut integriert­e Geflüchtet­e, die ihre Ausbildung auch in Mangelberu­fen, wie der Pflege, erfolgreic­h durchlaufe­n, abgeschobe­n. Als Politiker kann man sich entscheide­n, ob man Teil der Lösung oder Teil des Problems sein will. Die CSU hat sich für Letzteres entschiede­n. Das Problem dabei ist, dass alle politische Kraft im Moment von der Angst vor dem Rechtspopu­lismus absorbiert wird. Für alle anderen gesellscha­ftlichen Fragen bleibt weder Kreativitä­t noch Energie übrig. Und offenbar noch nicht mal für ein Mindestmaß an Umgangsfor­men. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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