Nordwest-Zeitung

Irgendwann kommentier­en Spieler ihr eigenes Spiel

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Wenn der Fernsehtag beginnt, macht das Fernsehen so richtig einen auf jung und forsch. Da ploppen dem Zuschauer aus der Tiefe des Raumes im Studio von Baden-Baden Spieler entgegen. Gleich tobt das Leben rechts und links auf den 30 Quadratmet­ern LED-Wänden oder hinter dem Tisch der Moderatore­n und Experten.

Die muss man zwischen all den Köpfen, Spielerrud­eln und Fan-Ballungen erst suchen. Ein junges Publikum hat damit keine Mühe. Fünf Szenen gleichzeit­ig erfassen? Wo liegt das Problem? Auf den ersten Blick also medial zeitgemäß haben ARD und ZDF ihr gemeinsame­s Studio gestaltet. Flott wie noch nie geht es vor, zwischen und nach den Spielen zu.

Der vordergrün­dige Eindruck: Da strecken die Öffentlich-Rechtliche­n die Hand nach einem jüngeren Publikum aus. Nötig haben sie es. Seit 15 Jahren steigt der Altersschn­itt beständig, derzeit bis auf knapp 62 Jahre.

Der hintergrün­dige Eindruck: Viel wirkliche Innovation steckt nicht in den großen Fußball-Feiern im Fernsehen. Der Stil hat sich seit Anfang der 1980er-Jahre im Grundsatz nicht verändert. Spiele, Prognosen, Analysen, Fanmeilen, Randgeschi­chten werden aufbereite­t wie anno dunnemals. Da riefen die Zuschauer im Stadion noch harmlos den Schiedsric­hter ans Telefon, damit er Futter für seinen Blindenhun­d ordert. Und etliche Altmeister­Experten sind in diesen Zeiten stehen geblieben.

Die Unterschie­de zwischen beiden Programmen sind minimal. Die ARD gibt sich flotter. Die jüngeren Experten wie der an sich erfrischen­d authentisc­h wirkende Hannes Wolf haben aber ihr Hintergrun­dwissen schnell verbraucht. Das ZDF beruhigt den Ball etwas. Doch bei Oliver Kahn und den jeweiligen Länder-Kennern von Gaizka Mendieta bis Gary Lineker rei- chen die Analysen tiefer.

Gemeinsam sind bei fast allen Reportern die endlosen Wortgirlan­den zu einem Spiel,beidemsich­dochvieles selbst erklärt. Die saure Gurke des Achtelfina­les gebührt Steffen Simon. Der schlug die Zuschauer im englisch-kolumbiani­schen Elfmetersc­hießen mit pausenlose­n Plattitüde­n und Banalitäte­n krankenhau­sreif. Verdammte Kiste, nun halt doch endlich den Babbel und lass die Jungs einfach mal schießen!

Natürlich wandern Fußballfan­s zu den neuen Angeboten für Tabletcomp­uter und Smartphone­s. Die Apps wirken handwerkli­ch solide. Sie dienen oft auch als zweiter Bildschirm, wenn der Nutzer zur TV-Übertragun­g sich eine der rund 20 anderen Kameraeins­tellungen oder die Statistike­n aufruft. Trotzdem: Eine Fußball-EM oder -WM wird vorerst die größte gemeinsame Bühne bleiben.

Vielleicht geht ja der Trend dahin, dass die Spieler live zugeschalt­et werden. Gerade die Russen kennen das. Eishockeys­pieler tragen da schon mal eine Kamera am Helm und ein Mikrofon am Trikot. Nun gut, noch ist die FußballAus­rüstung nicht derart medien-kompatibel.

Doch ganz so neu ist ein Live-Kommentar vom Platz auch nicht. 20 Jahre ist’s her, da spielte der Ex-Nationalsp­ieler Frank Ordenewitz beim VfB Oldenburg. Für eine Vorschau hatten wir ihn aus der Redaktion angerufen. „Jau, hier Otze“, hörten wir, „wartet eben, muss noch eben schnell ‘ne Flanke schlagen – tack! – so, Leute, hier bin ich.“

Wie das? „Otze“befand sich in einem Trainingss­piel und hatte sein Handy in die Hosentasch­e gesteckt.

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