Pompöse Party für Erdogan
Warum Gerhard Schröder die Bundesregierung vertritt
Geboren wurde er in einem Arbeiter- und Armenviertel in Istanbul – heute ist er allmächtig. Mit dem neuen 8räsidials9stem hat Erdogan erreicht, worauf er jahrelang hingearbeitet hat.
ANKARA/BERLIN Zwei Wochen nach der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat der alte und neue Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Amtseid abgelegt und ist auf dem Höhepunkt der Macht angekommen. Erdogan, der die Geschicke der Türkei bereits seit fast 16 Jahren bestimmt, ist nun nicht mehr nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Die Vereidigung im Parlament in Ankara am Montagnachmittag besiegelte den Umbau des Staates von einem parlamentarischen in ein Präsidialsystem. Darauf hatte Erdogan jahrelang hingearbeitet.
Am Abend nahmen rund 10 000 Gäste an einer pompösen Zeremonie im Präsidentenpalast teil. Für die Bundesregierung reiste Altkanzler Gerhard Schröder an. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte in Berlin, die Vereidigung sei „ein protokollarischer Akt“, politische Gespräche seien nicht geplant.
Schröder und Erdogan kennen sich seit Langem. Einmal reiste Erdogan Medienberichten zufolge sogar zu einer Geburtstagsparty von Schröder an. Der Altkanzler wiederum hat nach Angaben von Diplomaten bei Türkei-Besuchen im vergangenen Jahr bei der Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudt-
ner geholfen. Die Affäre hatte die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastet.
Die Vereidigung als Präsident an der Spitze des neuen Präsidialsystems krönt eine Karriere, die Erdogan nicht in die Wiege gelegt war. Geboren 1954 im Istanbuler Arbeiterund Armenviertel Kasimpasa musste er als Kind auf der Straße Sesamkringel verkaufen, um zum Familienunterhalt beizutragen. Politische Meriten verdiente er sich von 1994 an als Bürgermeister von Istanbul. Dreimal war er später Ministerpräsident. Weil er das Amt nach den Statuten der Regierungspartei AKP kein viertes Mal hätte übernehmen können, ließ er sich 2014 zum Präsidenten wählen. Im April 2017 stimmten die Türken in einem umstrittenen Referendum für den Übergang zu einem Präsidialsystem. Am 24. Juni gewann Erdogan die Präsidentenwahl mit rund 52,6 Prozent.