Iran will Bargeld aus Deutschland ausfliegen
Wie unterschiedlich die Bündnisse in Hannover und Berlin ticken
BERLIN/DPA Der Iran will rund 300 Millionen Euro in Bar von Deutschland nach Teheran ausfliegen, um das Geld angesichts amerikanischer Sanktionen vor einem drohenden Einfrieren von Konten zu retten. Das bestätigte am Montag die Bundesregierung. Das werde nun geprüft, unter anderem durch die Finanzaufsicht Bafin, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, Teil der Prüfungen sei auch, „ob Verletzungen gegen ein Sanktionsregime vorliegen“. Konkret geht es darum, Guthaben der staatlichen Europäisch-Iranischen Handelsbank bei der Bundesbank in Höhe von 300 Millionen Euro auszuzahlen.
Auf dem Türschild steht der gleiche Name: „Groko“. Aber warum gleicht das schwarz-rote Dreier-Bündnis in Berlin einem Vernichtungskrieg zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen einer nach außen perfekt funktionierenden Ehe mit einem Vertrag auf Zeit? Jeder Paartherapeut kann bestätigen: Dreier-Beziehungen sind deutlich komplizierter als Zweier-Konstellationen. Doch abseits von Freudschen Deutungsversuchen gibt es eine Reihe von handfesten Argumenten, warum die Große Koalition in Berlin im Chaos regiert und das Pendant in der niedersächsischen Landeshauptstadt als Harmonie-Veranstaltung wahrgenommen wird.
Die Regierungsspitze offenbart bereits den ersten Unterschied. Seit November 2005 im Amt, erzeugt Angela Merkel (CDU) nicht nur in den Reihen der darbenden SPD Frust und Überdruss. Die letzten Wochen zeigten, dass auch bei der CDU und besonders bei der CSU die Zahl der Merkel-Gegner dramatisch gestiegen ist. Nicht wenige Unionisten würden die Dauer-Kanzlerin gern loswerden. Die 63-Jährige wird mittlerweile als Belastung wahrgenommen.
Welch’ ein Kontrastprogramm bei Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)! Jeder in der SPD weiß genau, wem der Wahlsieg 2013 und besonders 2017 zu verdanken ist: Dem ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover. Wie sich der
heute 59-Jährige als nahezu unbekannter SPD-Spitzenkandidat 2013 in den Wahlkampf geworfen hat und den populären Amtsinhaber David McAllister (CDU) mithilfe einer Ein-Stimmen-Mehrheit von Rot/Grün aus der Staatskanzlei drängte, hätte kaum jemand dem studierten Juristen zugetraut. Erst recht nicht, dass Weil 2017 seinem nächsten Herausforderer eine bittere Niederlage beibringen konnte. CDU-Chef Bernd Althusmann (51) besaß in Umfragen noch bis vor dem Wahltermin einen riesigen
Vorsprung. Auf der Ziellinie triumphierte nur einer: Weil.
Ihm verdanken viele SPDAbgeordnete ihr Mandat. Das schweißt zusammen. Noch nicht einmal nach dem dritten Bier kommt Kritik an Weil auf. Dafür sorgt auch SPDFraktionschefin Johanne Modder, die die Fraktion als geschlossene Kompanie zur Unterstützung Weils führt.
Dass nach dem Landtagswahlkampf aus erbitterten Rivalen dennoch Regierungspartner wurden, hat viel mit dem Wahlverlierer Althusmann zu tun. Der CDU-Vorsitzende schaffte es – nachdem Gespräche mit Grünen und FDP gescheitert waren – die eigene Partei auf ein Bündnis mit den ungeliebten „Sozen“einzustimmen. Weils Aufgabe in der SPD war ähn-
lich hart. Doch ein Koalitionsvertrag binnen kürzester Zeit nach nahezu geräuschlosen Verhandlungen spricht dafür, dass beide Rivalen ihre Lager im Griff haben – mittlerweile duzen sich alle Kabinettsmitglieder, ob mit SPD- oder CDU-Parteibuch. Althusmann hat sich für seine Mühen mit dem Amt als Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister belohnt.
Berlin liefert das genaue Gegenteil – mit einer einzigen Gemeinsamkeit. Grüne und FDP sind nicht bereit für Jamaika. Die Koalitionsverhandlungen – eine einzige Qual mit Durchstechereien, Nachtsitzungen, Ultimaten und verzweifelten Kompromiss-Suchen im engsten Führungszirkel. Schon da drängt sich der Eindruck auf, dass die CSU blockiert und erpresst. Merkel scheint mit ihrem Prinzip Aussitzen allmählich am Ende. Die Zustimmung zum Koalitionsvertrag wird für die SPD zu einer parteiinternen Kraftprobe mit einer Urabstimmung.
In Niedersachsen fallen die Voten bei CDU und SPD nahezu einstimmig aus. Niemand fühlt sich über den Tisch gezogen – die CDU erhält ihre Wunschministerien.
In Berlin verheißt der Amtsantritt von CSU-Chef Horst Seehofer als Innenminister nichts Gutes. Die böse Ahnung bestätigt sich in den letzten drei Wochen, die fast mit einem Koalitionsknall en-
den. Dass die Bundes-SPD bei diesem Spektakel seltsam passiv bleibt, sorgt bei den Genossen zwischen Harz und Nordseeküste mindestens für Stirnrunzeln. Niemand versteht, warum SPD-Chefin Andrea Nahles der Union allein das Thema überlässt – noch weniger, dass die SPD nahezu widerstandslos den CDU/CSU-Kompromiss ebenfalls absegnet.
Der SPD-Niedersachsen würde so etwas nicht passieren. Sie ist selbstbewusst bis zum Anschlag. Dass jetzt bereits erste Strategen überlegen, mit welchen Themen man den Koalitionspartner CDU in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ärgern kann, gehört zum politischen Geschäft. Die Niedersachsen-„Groko“ist keine Liebesheirat mit Treueschwur bis zum Lebensende, sondern eine Verbindung auf Zeit. Beide wollen bei der nächsten Landtagswahl die Nummer eins werden.
Die SPD befindet sich dabei in einem taktischen Vorteil. In der Opposition haben sich Grüne und FDP auffällig angenähert. Niemand würde ausschließen, dass es in Zukunft zu einem JamaikaBündnis kommen könnte.
Da ist die Distanz zwischen FDP und CDU schon größer. Die Liberalen fühlen sich von der CDU nicht immer gut behandelt. Während die SPD zugunsten der Grünen auf einen Sitz im Landtagspräsidium als stellvertretender Landestagspräsident verzichteten, blitzte die FDP mit diesem Wunsch bei der CDU eiskalt ab. Das vergisst niemand.
Autor dieses Beitrages ist Gunars
Reichenbachs. Er berichtet für diese Zeitung über die Landespolitik in Niedersachsen. @Sie erreichen ihn unter Reichenbachs@infoautor.de